Barbara Hoffmann-Fliedner
Die Theodor-Fliedner-Werke sind eine große Einrichtung in der Geschichte der Diakonie in Deutschland und auch Sie, liebe Frau Hoffmann-Fliedner haben Ihr Ohr den Menschen gewidmet und für Ihr Lebenswerk von mehr als 40 Jahren Telefonseelsorge das Bundesverdienstkreuz erhalten. Wie begann Ihr Lebensweg ?
1926 bin ich in Leipzig geboren und mein Vater starb ein Jahr darauf. Meine Mutter heiratete später Pastor Fliedner und ich wuchs auf in der Atmosphäre eines dörflichen Pfarrhauses. Die Wirren des Krieges und der Nachkriegszeit haben mich geprägt. Ich sang und spielte in Orchestern und entging damit dem BDM, ich arbeitete in einer Munitionsfabrik, zog von Ort zu Orten und wurde geschützt von den Engeln Gottes. Ein Berufsbild konnte ich in diesen Wirren nicht ausbilden, aber ich habe mehr als alles andere gelernt, mit Menschen umzugehen und begann eine Ausbildung als Gemeindehelferin. Nachdem mein Verlobter starb, fand ich meine Familie in den Menschen. So führte mich der Weg in die Telefonseelsorge und zu Fortbildungen in Lebens- und Eheberatung.
In Blankenese arbeiteten Sie im Kirchenbüro.
Ja, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Mein Zweitberuf war Eheberatung auf Honorarbasis. Ursprünglich kam ich nach Blankenese als Gemeindehelferin. Das war in einer Zeit, in der das Spielen von Jazz mit Jugendlichen als unerwünschte „Negermusik“ und auch mein Umgang mit den Angestellten hiesiger Haushalte als unpassend galt. Damit kam ich nicht zurecht. Mein Menschenbild ist ein anderes.
Welches ?
Gott schuf den Menschen sich zum Bilde. Das ist meine Grundlage und deshalb schließe ich keine Menschen aus. Ich wende mich allen zu und habe ich meiner Freudschen Ausbildung gelernt danach zu fragen, wie der vor mir stehende mit seinem Leben umgehen kann und nicht wie ich mit dem Leben umgehen würde.
Und wie empfinden Sie heute diese Gemeinde ?
Beide Pastoren finde ich sehr gut in ihrer Vielseitigkeit. Sie haben sehr viele Menschen in das Gemeindeleben eingebunden und die Gemeinde scheint mir sehr lebendig gemacht worden zu sein durch diese Pastoren.
Was halten Sie von dem Engagement der GemeindeAkademie?
Politische und gesellschaftliche Fragen beleuchte ich durch den Aspekt der Kirche. Somit fühle ich mich in einer evangelischen Akademie zu Hause. Ich könnte nicht in eine Partei eintreten, sondern bemühe mich in der Betrachtung, wie ich als Christ in dieser Welt leben kann.
Wodurch unterscheiden sich für Sie christliche Menschen?
Man kann es nicht beschreiben, wodurch die Christen sich von anderen unterscheiden. Ich finde es schön zu sehen, wie freundlich und zugewandt die Menschen untereinander sind, weil sie einen gemeinsamen christlichen Hintergrund haben. Ich fühle mich in einer Gemeinschaft, die nicht nur für sich da ist, sondern z.B. durch Fürbitten auch Verantwortung für die Welt übernimmt.
Wir leben mehr und mehr auch in der Gemeinschaft mit anderen Religionen, wie ist Ihr Umgang damit ?
Der Islam breitet sich in beängstigender Weise aus und wir können nur im Dialog und in der Koexistenz miteinander in der Welt Gutes tun. Jeder hat das Recht auf seine Tradition und der Dialog muss viel mehr praktiziert werden. Dies auch im Kleinen, damit die Vorurteile – gerade auf christlicher Seite – abgebaut werden. Hier, in der Gemeinde, kann die Aufklärung gar nicht zu viel betrieben werden und ich glaube, dass das Interesse da ist.
Und Ihr Leben mit der Bibel ?
Ich bin dankbar für eine solide Ausbildung, was die Bibel betrifft. Im Moment ist mir das Alte Testament wichtiger als das Neue. Hier begegnet mir Gott und zeigt mir an den Juden, wie er mit Menschen umgeht. Dieses Volk ist nie untergegangen und steht als Beispiel für alle Menschen. Die Bildersprache des AT ist unglaublich ausdrucksstark und meine Seminare mit Rabbinern haben mich darin gelehrt, freier mit diesen Bildern umgehen zu können. Das AT zeigt mir die ständige Präsens Gottes. Glauben heißt auch wissen und wir müssen sehr viel mehr für unser Wissen tun. Wir müssen alte Legenden auflösen, um endlich zu begreifen, was dahinter steht.