Christiane Melchiors
Liebe Christiane Melchiors, im Mai werden Sie die Nachfolge von Pastor Helmut Plank antreten und Ihr jetziges Amt als stellv. Pröpstin des Kirchenkreises Rantzau Münsterdorf aufgeben für eine Gemeinde wie diese und weil Sie, so steht es in Ihrer Bewerbung, Aktion und Kontemplation reizt.
Das Zusammenspiel von beidem vor allem, deshalb ist mir das „und“ wichtig. Es sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten einer Medaille. Auch wenn mein Zugang wohl eher der kontemplative ist, glaube ich, dass jeder Glaube auch praktisch werden muss, sonst fehlt ihm etwas. Es geht im Glauben weder um reine Innerlichkeit noch um reinen Aktionismus, der nicht in Glauben und Gottvertrauen verwurzelt ist, sondern um die hohe Kunst, beide Seiten zu verbinden und daraus das Leben zu gestalten.
Was bedeutet Ihnen die Gemeinschaft einer Gemeinde? Sie schrieben auch, dass Sie wieder in eine Gemeinde zurückkehren möchten.
Es ist schön, wenn sich Menschen untereinander kennen lernen und auch über ihren Glauben miteinander verbunden sind. Sich zu öffnen und in der Gemeinde andere Themen und Menschen an sich heranzulassen, ist für mich auch ein Lern- und Übungsraum, in dem wir uns begegnen, Glauben leben und teilen und so miteinander wachsen.
Nun scheint die Attraktivität einer Kirchengemeinde ja nicht mehr viele Menschen zu begeistern. Was kann die Kirche tun?
Den Menschen und dem, was sie umtreibt, nahe zu sein, ihren Themen und ihren Fragen, „Kirche am Markt“ als Programm sozusagen, am Puls der Zeit. Aber gerade auch unsere klassischen Aufgaben wie Taufe, Trauung und Beerdigung sind Möglichkeiten, nahe bei den Menschen zu sein. Wenn sie „gelingen“, wenn Menschen sich an existentiell wichtigen Punkten ihres Lebensweges gemeint und gut begleitet fühlen, dann entsteht Bindung über die persönliche Begegnung. Wenn die Kirche dagegen Menschen „kriegen“ will, dann verliert sie sie, glaube ich. Menschen merken sehr wohl, ob wir sie als Kirchensteuerzahler brauchen oder ob es uns um sie geht und das ist gut so. Wenn wir unserer Botschaft selbst vertrauen und unsere Arbeit gut machen, kann das Menschen überzeugen, davon bin ich überzeugt.
Und was halten Sie vom „Priestertum der Gläubigen“? Wir haben jedes Jahr vor Ostern eine Laien Fastenpredigtreihe.
Im Grunde genommen geht es doch darum, dass jeder in seinem Glauben sprachfähig wird. Für mich ist Glaube im Wesentlichen Gottvertrauen. Unser Leben ist nicht ein „fromm sein“, sondern ein „fromm werden“, hat Martin Luther einmal gesagt. Das glaube ich auch. Ein Werden auf dem Weg durch unser Leben. Ich habe von und mit vielen Menschen, die mir auf meinem Weg begegnet sind, etwas gelernt über meinen Glauben, nicht nur von Theologen. Und immer ist es die Auseinandersetzung mit anderen gewesen, an der ich gewachsen bin. Insofern freut es mich, dass das Amt der Prädikanten seit Anfang letzten Jahres deutlich aufgewertet wurde und Menschen auch über einen anderen Weg als den der klassischen Ausbildung am Amt der Verkündigung teilnehmen. Und seien wir mal ehrlich: Manchmal ist eine Laienpredigt auch besser als eine pastorale – auf jeden Fall eine Bereicherung.
Das Fastenmotto 2015 heißt: „Du bist schön – 7 Wochen ohne Runtermachen“. Dann legen Sie mal los: Was ist schön an dieser Gemeinde?
Ich finde diese Kirche wunderbar. Hier gibt es einen engagierten Kirchengemeinderat. Richtig viele Ehrenamtliche, die sich aktiv und professionell einbringen. Es gibt ein tolles Gemeindehaus, so herrliche Kirchenmusik. Ich bekomme zwei Kollegen, auch das finde ich gut. Ich arbeite gern im Team und schätze den Austausch. Mir ist in dieser Gemeinde ein sehr freundliches Entgegenkommen aufgefallen, an vielen Stellen, zum Beispiel am Kirchen-Counter oder bei den Tempelwächtern, um nur zwei zu nennen. Überall muss die bezahlte Arbeit von Hauptamtlichen reduziert werden, oft trifft man nur noch auf Anrufbeantworter und verschlossene Türen. Das ist nicht einladend. Hier ist auch nicht mehr Geld vorhanden. Aber es gibt selbstbewusste Ehrenamtliche, die sich in Dienst nehmen lassen und Menschen ein freundliches Willkommen, eine offene Tür vermitteln. Das ist toll. Es macht einen Unterschied, einen großen. Diese Kultur ist hier zu spüren.
Und wir sind eine Weltethosgemeinde.
Auch das finde ich spannend. Kontemplation ist ja ein mystischer Zugang zum Glauben, der sich in allen Religionen findet. Je tiefer man geht, desto weniger geht es um „mein Glaube“ oder „dein Glaube“ – sondern um Gotteserfahrung und Gottvertrauen.
Und welche Fragen stellen Sie sich?
Angesichts der vielen verschiedenen Gruppen, die es in dieser Gemeinde gibt, bin ich gespannt darauf, zu erfahren, wo die Gemeinde zusammenkommt, und zu erleben, was die vielen Einzelnen miteinander verbindet. Sie haben ein anspruchsvolles, wegweisendes Leitbild. Auch darauf, wie das lebt, bin ich gespannt. Vor allem aber auf die Menschen, denen ich begegnen werde.
Was Sie wohl herausfinden mögen? Wir freuen uns sehr auf Sie!
Stefanie Hempel
Christiane Melchiors
Geboren 1962, verheiratet, zwei Söhne im Alter von 17 und 20 J. | seit 2009 stellvertr. Pröpstin im Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf; davor Gemeindepastorin | ausgebildete Psychotherapeutin und Heilpraktikerin | Fortbildung in Kontemplation „Wege des Herzens“