Dirk Mötting und Fried von Bismarck

Wir sind heute zu dritt. Ich kenne Dich, Fried, und ich habe Sie, lieber Dirk Mötting, kennengelernt, weil Sie mir Stühle ausgeliehen haben. Und ich habe entdeckt, dass wir alle eine gemeinsame Freude haben: das Schilling-Stift. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so gerne in ein Pflegeheim gehe. Wie war Euer Weg dorthin?


Dirk Mötting: Mein Schwiegervater lebte in Bad Pyrmont. Er ist mit 18 Jahren durch eine Kriegsverwundung erblindet. Er war am Ende allein und konnte sich in seinem Haus nicht mehr zurechtfinden. Ziel der Familie war es, ihn in die Nähe der Kinder zu bringen. Da meine Frau und ich beide als Rentner Zeit haben und uns kümmern konnten, wurde mit ihm verabredet, nach Blankenese zu kommen. Das Schilling-Stift war unsere erste Adresse.


Warum ?

Weil es ein Heim der Diakonie ist. Aber nicht nur das, sondern auch Pastor Plank, der dort im Vorstand ist. Er hat unsere Kinder getauft und konfirmiert. Er hat uns immer beeindruckt. Für uns war dieses Vertrauen wichtig, denn mein Schwiegervater kam natürlich nicht „aus voller Seele“. Wenn ein Mensch aus dem Nichts und als Geflüchteter aus Ostpreußen eine Existenz aufbaut, dann möchte er sie auch nicht verlassen. Einen alten Baum kann man nicht verpflanzen, man kann ihn nur unter dem Verlust der Heimat umsetzen. Wir wollten ihm darin „hautnahe Manndeckung“ geben und waren jeden Tag bei ihm. Wenn wir nicht konnten, kamen Kinder oder Freunde.


Aus dieser Betreuung sind am Ende auch Sie im Schilling-Stift heimisch geworden?
Ja, es begann mit der Betreuung. Sie können sich sicher vorstellen, dass ein Blinder an vielen dortigen Veranstaltungen nicht teilnehmen kann. Gruppen, in denen gesungen wurde, liebte mein Schwiegervater immer und irgendwann packte er seine Mundharmonika aus. Wir schlossen uns einem Singkreis in seiner Wohngruppe
an und ich nahm meine Gitarre mit. Es hat ihm so viel gegeben: neben seinem Schwiegersohn zu sitzen, der mit seiner Gitarre Menschen dazu brachte, fröhlich zu singen.


Ihr Schwiegervater starb im März und Sie spielen und singen immer noch mit den Menschen dort. Ein christliches Ehrenamt?
Nein, vielleicht am Anfang. Wir haben in der Orientierungslosigkeit dieses Menschen so viel liebevolle Zuwendung von dem Personal erfahren. Ihm wurde so viel Menschlichkeit zuteil, dass ich etwas zurückgeben wollte. Aber das ist heute nicht mehr mein Antrieb. Ich fühle mich dort zugehörig. Es hat sich gewandelt von einem „Ich tue etwas für andere“ in ein „Ich tue etwas für mich“. Ja, so ist es, es macht mir Spaß und ich habe Zuneigung zu diesen alten Menschen gefasst. Jede und jeder Einzelne ist mir richtig ans Herz gewachsen.


Und Du, Fried? Du gehörst zu einer Gruppe, die sonntäglich im Stift Gottesdienst hält.
Mich hat Helmut Plank gefragt. „Ich gucke mal“, habe ich gesagt und bei einem Gottesdienst zugehört. Nun mache ich mit und es ist mir ein Vergnügen, es macht mich reich. Vielleicht, weil das Echo aus dieser relativ kleinen Schilling-Stift-Gemeinde so unmittelbar zu spüren ist.


Hast Du auch eine Nähe zu Einzelnen aufbauen können?
Ich freue mich wirklich, wenn Bekannte dabei sind, und ich bin traurig, wenn jemand von ihnen gestorben ist und ich ihn abkündigen muss. In dieser kleinen Gemeinde nehmen wir uns wahr. Und auch bei jenen, von denen ich den Eindruck habe, dass sie gar nichts mehr „mitkriegen“, erlebe ich dann doch, wie intensiv sie z.B. so etwas wie die Gebete, das Glaubensbekenntnis oder insbesondere auch die Musik miterleben. Ganz viele dieser Menschen
sind mir lieb geworden. Auch in ihren „Macken“ und Eigenheiten, vielleicht sogar deshalb besonders.


Fried, Dirk Mötting beschrieb als eine Anfangsmotivation, dass er etwas zurückgeben wollte. Er kannte die Pfleger und Pflegerinnen, aber Du nicht. Gab es auch so einen Moment?
Ich lebe in dem Gefühl, dass mir diese Blankeneser Kirchengemeinde so viel gegeben hat. Ich hatte mit Kirche „nicht viel am Hut“ bis zu einem Gespräch mit Pastor Plank im Eiscafé. Und ich habe erlebt, dass Kirche etwas Tolles ist, weil es dort ein Stück Gemeinschaft gibt. Einen Teil davon möchte ich in diese kleine abgelegene Gemeinde des Schilling-Stiftes zurückgeben.


Dirk Mötting, Sie haben erzählt, dass sie Lieder zu Hause einstudieren, um sie dann im Stift zu singen.
Ja, viele sind in den 20er und 30er Jahren geboren. Die Zeit ihres Tanzens und Singens ist lange her. Aber die Lieder dieser Zeit rühren die Gefühle an, und ich erlerne sie, um sie mit ihnen zu singen. Und sie sind begeistert.


Was machst Du zu Hause, Fried?
Die Beschäftigung mit den Predigttexten, die ja vorgegeben sind, reizt und fordert mich. Oft frage ich mich, warum die Evangelische Kirche ausgerechnet so einen schwierigen Text ausgesucht hat. Aber wenn ich darüber sprechen soll, dann denke ich anders und intensiver über die Texte nach, sie gewinnen an Bedeutung für mich. Diese Herausforderung macht mir Spaß. Ich bin so dankbar dafür, dorthin geführt worden zu sein.


Lieber Dirk Mötting, wenn Sie jetzt nur mit einem Erlebnis Ihre Gefühle dieser wöchentlichen Nachmittage zusammenfassen können, welches ist es?
Wir haben im Winter „Weißt Du, wie viel Sterne stehen“ gesungen. Vorbei kam eine alte Dame, deren Kopf ganz nach vorne gekippt war. Sie ging mit einem Partner ganz langsam vorbei. Ich hatte den Flur im Blick und sah, dass beide ganz langsam und innig begannen, miteinander zu tanzen. Ich werde die Berührung dieses Anblicks in mir nie vergessen.

Stefanie Hempel

 

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