Hans Seemann

Sie sagten eben, dass 1944 ein glückseliges Jahr war – kein schreckliches?

Ich meinte es ironisch: Da haben hier noch viele an das Tausendjährige Reich geglaubt, und als es vorbei war, wollte es keiner gewesen sein.

Glauben Sie, dass das einmal wieder kommen wird?

Ja, aber ob die Menschen hier dann überhaupt zum Teilen fähig sind? Damals gab es viel mehr Gemeinschaft, die aus der Not entstanden ist, aber wo ist heute Not? Uns geht es doch gut. Die Menschen müssen zu Einvernehmlichkeit kommen, sich helfen. Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. (Mt 25,40)

An was für ein Gottesbild glauben Sie?

Den strafenden Gott gibt es nicht, wir strafen uns ja selber genug. Dafür steht ja auch das Bild von Adam und Eva, die vom „Baum der Weisheit“ aßen. Wenn wir gutem Rat nicht folgen, strafen wir uns selbst. Ich glaube an einen Gott, der mir hilft. Als solcher wird er mich nicht mit Armen aufheben können, aber irgendwie „stehst Du wieder auf“. Ich bin auf der Suche nach einem liebenden Gott – aber wofür dieses Wort Liebe alles herhalten muss. Jede zweite Ehe wird geschieden.

Sie waren auch im Kloster Himmerod?

Leider nur vier Mal. Himmerod ist für mich ein Sehnsuchtsort. Auch jetzt noch, wo die Klosterbrüder dort nicht mehr leben. Es ist wie ein Magnet, ich will in diesem Jahr wieder dorthin fahren. Da finde ich zu mir selbst und kann mit mir im Zwiegespräch sein. Dort stört mich keiner, da kennt mich keiner. Wenn ich hier, in Blankenese, Ruhe suche, werde ich immer abgelenkt. Mir bringt die Zeit Verständnis und Liebe.

Haben Sie denn diese innige Einstellung auch zur örtlichen Kirche ?

Nun sagen wir mal so: Ich war sechs, da wurde mein Vater von den Pastoren angehalten, dass die Kinder zum Gottesdienst zu erscheinen hätten. Damals wusste ich nicht, dass es einmal meine Kirche sein wird. Mein Bruder und ich gingen Hand in Hand, setzten uns ahnungslos in die erste Reihe und landeten mit einem blauen Auge in der letzten: „Dies ist mein Platz“. Es hat dann doch Jahre gedauert, bis es diese, meine Kirche wurde, in der ich meinen Platz und meine Aufgaben fand. Es ist wie ein Zuhause, ich möchte, dass diese Kirche sauber und ordentlich ist und uns allen den Raum für das Gespräch „mit dem da oben am Kreuz“ gibt. Ich habe das Ehrenamt „Tempelwächter“, passe also ein Mal in der Woche ein paar Stunden auf den Innenraum auf. Oft fragen mich Besucher, was ich denn so mache in der Zeit. Und wenn ich ihnen sage, dass ich ein Gespräch führe, dann gucken sie mich fragend an: „Mit wem?“. „Mit dem da, der da am Kreuz hängt.“ Und dann fällt ihnen auf, dass er sie anguckt. Wenn ich reinkomme, räume ich erst mal unter den Bänken auf. Dann gehe ich zu „meinem Freund“ und frage: „Wie geht’s – muss ich den Staubwedel rausholen?“. Fingerdick Staub auf dem Jesus, das geht nicht. Im Zwiegespräch lächle ich – er natürlich nicht. Jeder, der in diese Kirche geht, sollte eine Aufmerksamkeit für den Raum und diesen Jesus haben.

Sind Sie lieber alleine in der Kirche als im Gottesdienst mit anderen Menschen?

Für mich müsste im Gottesdienst mehr Bezug zum Lebensalltag hergestellt werden. Und ich bin sicher, dass das ginge.
Die Texte der Evangelien sind auf unser Leben übertragbar.

Hat die Kirche eine Chance? Und was passiert, sollte einmal die Kirchensteuer wegfallen?

Die Kirche kann nicht eingehen, sie wird immer gebraucht. Und wenn die Kirchensteuer wegfallen sollte, dann wird den Menschen vielleicht einmal schmerzlich bewusst, wie sehr sie ihre Kirche brauchen, und Pastoren müssen mehr auf Menschen zugehen und sich um sie bemühen. Meine christliche Einstellung – ohne, dass ich jetzt den sonntäglichen Gottesdienst besuche – besteht vor allem darin, zu teilen. So können sich dann auch Gemeinden untereinander unterstützen. Die innere Einstellung, sich als Christ zu bezeichnen, erfordert sehr viel Mut. Man kann nicht halbschwanger sein. Wenn ich mich Christ nenne, muss ich es deutlich tun. Entweder – oder. Und das ist, was uns heute so sehr fehlt. Wir tanzen lieber um unser goldenes Kalb. Heute nehmen wir die Kirche so hin, aber wir müssten uns dann mehr zu ihr bekennen, um sie am Leben zu erhalten. Sollte einmal die Finanzierung einbrechen, muss auch dringend darauf geachtet werden, dass das Ehrenamt in seiner Leistung von den Hauptamtlichen mehr wertgeschätzt wird. Und dann dieser konfessionelle Starrsinn: Da bin ich doch überrascht, junge Pastoren zu erleben, die sich weigern, Menschen zu beerdigen, die nicht in der Kirche waren.

Warum verändert sich die christliche Trauerkultur?

Sie spiegelt doch auch den Wandel in unserer Gesellschaft wider. Unsere Kinder studieren und leben in der Ferne. Zum Teil gegen ihren Wunsch, aber wir fördern auch etwas, was früher eher negativ belegt war. Was will man da noch mit einem großen Grab? Die Friedhöfe mit ihren Regularien und steigenden Gebührentabellen machen es den Menschen auch nicht gerade einfacher. Früher war auch der Friedhof „dörflicher“. So gab es die „Schenefelder Ecke“, die „Blankeneser Ecke“. Gedenken an einen Verstorbenen scheint mir auch gewandelt. Die Trauergemeinde zerstreut sich, statt gemeinsam der Toten zu gedenken. Sie tragen sie nicht noch eine Weile in Gedanken mit sich, sondern gehen gleich zum Alltag über. Mir scheint, wir sind oberflächlicher geworden. Wir Menschen sind nicht beisammen.

Sie haben Ihrer Kirche einmal ein Kreuz gebaut und geschenkt, welches ein Bild für Ihr Verständnis von „Beisammen“ darstellt. Ebenso wie Ihr jährliches Geschenk des Weihnachtsbaumes. Danke.

Stefanie Hempel

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