Hubertus Last
Lieber Hubert Last,
ein erfolgreicher Kaufmann, der sehr viel gearbeitet hat und nun den Ruhestand geniest, betreut 6 Jahre lang eine alte Dame bis zu ihrem Tod. Warum ?
Ich bin über meinen Freund Klaus Kaiser zum diakonischen Netzwerk und über dieses zu Frau O. gekommen. Es ging mir zunächst darum, mich etwa alle 14 Tage ein paar Stunden der Aufgabe zu widmen, die Schriftsachen hilfebedürftiger Menschen zu erledigen. Da kannte ich mich als Kaufmann aus. Tja, und dann kamen die Probleme: Frau O. zündete gerne Kerzen an und die Vermieterin fürchtete um ihre Wohnung. Der Arzt stellte fest, dass sie nicht genug trinkt und ich wurde gebeten, mich ein wenig um sie zu kümmern und ihr auch regelmäßig Getränke zu besorgen. Und wir begannen viel mit einander zu sprechen und zu lachen. Frau O. war schon recht dement. Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem vom Gericht ein Betreuer eingesetzt werden sollte und Frau O. wollte mich – und ich sie. Ich tat so etwas zum ersten Mal in meinem Leben und stand plötzlich vor einem umfangreichen Aufgabenkreis.
Aus Ihrer kaufmännischen Hilfe sind Sie eine Lebenshilfe geworden...
Ja, ich versuchte ihren Geschmack herauszufinden und kaufte entsprechend ein. Ich organisierte die notwendige pflegerische Betreuung durch die Diakoniestation. Diese hat Frau O. dann bis zu ihrem Tod liebevoll versorgt. Ich ordnete die Finanzen, kümmerte mich auch um den Friseur, die Maniküre und Pediküre und war dann zugegen, denn Frau O. wollte nicht gerne andere Menschen an ihren Körper heranlassen. Meine Frau war erstaunt – sie hätte nie gedacht, dass ich das alles könnte....
Starb Frau O. in ihrer Wohnung?
Ja. An ihrem letzten Tag war ich bei ihr und sie lag friedlich im Bett und lächelte. Am nächsten Morgen war sie friedlich eingeschlafen. Als ich kam, lag sie genau so im Bett wie am Abend vorher. Sie musste nicht ins Heim. Es geht auch zu Hause, wenn andere sich kümmern. Es geht, wenn es Menschen gibt, sie sich die Zeit dafür nehmen.
Empfanden Sie die Pflicht, das zu tun?
Nein, ich halte es einfach für nichts Besonderes. Ich sehe es nur positiv. Was soll denn mit den Menschen passieren, die sich nicht selbst versorgen können? Und hier war so ein Mensch. Wäre ein „Professioneller“ eingesetzt worden, wäre Frau O. längst im Heim gewesen. Und diese Hilfe gibt einem ja auch viel. Mir geht es gut. Ich bin seit fast 50 Jahren glücklich verheiratet und gesund. Warum soll ich mich nicht um Menschen kümmern?
Sehen Sie eine Unterstützung der Kirche in diesen Aufgaben?
Das Netzwerk, welches hier aufgebaut wurde, finde ich sehr gut. Und es ist die Institution Kirche, die so etwas organisiert. Ich sehe die Kirche ja eher skeptisch, aber ohne sie würden wohl solche Dinge nicht getan werden. Die Hilfe dieses Netzwerkes erfasst nach meiner Kenntnis eigentlich alles. Wer Hilfe benötigt, der kann beim Netzwerk anrufen und es hilft. Viele scheinen das leider nicht zu wissen. Und wir Rentner haben dafür doch Zeit.
Warum betrachten Sie die Kirche auch skeptisch?
Weil ich von einer bestimmten Form der Gottgläubigkeit nicht so überzeugt bin. Ich glaube aber schon, dass nicht alles aus sich selber heraus erschaffen wurde und weiß, dass der Mensch nicht die letzte Instanz ist. Manchmal denken wir, wir seien es und das führt dann meist zu negativen Ergebnissen
Finden Sie das Institutionelle an der Kirche befremdlich?
Nein, nicht grundsätzlich. Sehen Sie, gäbe es die Kirche nicht, hätte es diese herrliche Konfirmation nicht gegeben, die wir gerade mit unserer Enkelin erlebten. Wir wären als Familie nicht in diesem Geiste zusammen gekommen. Die Kirche vermittelt Werte, die wichtig sind. Es ist nur die Frage, ob sie vermittelt werden würden, wenn es die Kirche nicht gäbe. In meinem Freundeskreis diskutieren wir sehr viel darüber. Ich bin begeisterter Chorsänger, ich singe mit Überzeugung die Texte der Messen und Requien, aber ich weiß auch, dass die Kirche von Menschen „gemacht“ ist und damit ihre Fehler hat.
Was hat Sie an dieser Konfirmation so berührt ?
Es wurden nicht Dinge abgefragt. Die Konfirmanden gestalteten IHREN Gottesdienst mit IHRER Musik. Ein fantastischer Jugendchor - diese Musik ging mir „unter die Haut“ – ich hätte das vorher nicht gedacht. Es war alles nur Freude und Begeisterung, die sich auch in den Bibelstellen ausdrückte, die die Jugendlichen sich ausgewählt hatten. Es war für uns alle unvergesslich. Wenn eine Konfirmandin sagt, dass sie es schade fände, dass alles nun vorbei ist, dann ist das etwas Großartiges. So ein herrlicher Übergang in ein kirchliches Leben.
Hat sich in Ihrer Wahrnehmung etwas verändert seit Ihrer Jugend?
Der Aufwand, den heute Pastoren für Jugendliche machen, der ist für mich überwältigend. Ich denke hier nur an die herrliche Taufe im See, die wir erleben konnten oder daran, dass mein ältester Sohn nach seiner Konfizeit einen Herrn bis zum Tode betreuen konnte. Diese Erfahrungen geben uns Menschen etwas. Materielles gibt letztendlich nichts. Man benötigt es zwar zum Leben, aber es ist nichts Essentielles.
Aber Sie gehen ins Fischerhaus...
Klar, da bin ich in einer Kochgruppe mit 5 Männern und Frau Schreiber, die uns hilft, wenn wir nicht weiterwissen. Wir treffen uns ein Mal im Monat und kochen ein 3 Gänge Menü und das mit Begeisterung. Die Gänge werden „verteilt“ und jeder kauft seine Zutaten ein und hinterher legen wir „um“.
Matthäus Kap. 25 Vers 36
„.... Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht....“
Daran musste ich gerade denken, lieber Herr Last.
Stefanie Hempel