Isod Bötzel
Liebe Isod,
1961 geboren und als Lehrerin für Englisch, Deutsch und Französisch ausgebildet, kamst Du 1993 nach Hamburg und gehörst seit 1997 unserer Gemeinde an. Warum diese Gemeinde?
Wir wohnten in Iserbrook und unser Sohn Christian sollte getauft werden. Ich telefonierte die Pastoren in Iserbrook und Blankenese ab und hinterließ auf den verschiedenen Anrufbeantwortern die Bitte, mich – auch gerne spät – zurückzurufen. Ein einziger Rückruf erreichte mich und das war Pastor Plank so gegen 23.00 Uhr. Christian wurde daraufhin im FaGo getauft, zusammen mit René Loeck.
Und dieser FaGo schien Dir zu gefallen, denn Du hilft seitdem bei der Gestaltung dieses Familiengottesdienstes.
Mir gefällt es, Gottesdienst im Beisein der Kinder zu feiern. Meiner Tochter Dorothea, die viele Jahre Diakonin im Gottesdienst war, bedeutet es auch heute noch viel: sie hat sich gerade anlässlich ihres 18ten Geburtstages im FaGo segnen lassen.
Dem KGR (Kirchengemeinderat A.d.R.) hast Du von 2000-2003 angehört, dann lebtet ihr ein Jahr in Bayern und im letzten Jahr bist Du wieder „eingestiegen“ und stellst Deine Zeit dieser Arbeit zur Verfügung – warum?
Ich halte es für wichtig, das Gemeindeleben mit zu verantworten, ich finde ein verantwortliches Leben generell wichtig. Von dieser Gemeinde habe ich gerade in der schwierigen Zeit nach unserer plötzlichen Rückkehr aus Bayern viel Unterstützung erfahren, ich möchte auch etwas zurückgeben.
Ist das für Dich eine Form von Lebensqualität ?
Ja, getragen sein von anderen Menschen, Zuspruch finden, sich untereinander helfen können, jemandem vertrauen und auch das Gefühl, dass mir Vertrauen entgegengebracht wird.
Und das ist für Dich Leben ?
Ja, absolut. Und es ist für mich in allen Lebensbereichen wichtig und auch die Grundlage von Erziehung. Das ist meine Kontinuität im Leben. Verantwortung steht in großem Zusammenhang mit Zufriedenheit.
Und wo spürst Du Deine Niederlagen ?
Ich ertappe mich immer wieder, dass ich Dinge hätte besser machen können, aber das macht ja auch mein Menschsein aus.
Wir hatten Ende Oktober unsere Außentagung des KGR, in dem wir Themenschwerpunkte für die Gemeinde besprochen haben – was war Dir wichtig?
Mir liegen die Schule und Jugend am Herzen, weil es immer mein Thema war. Es muss für die Jugendlichen einen Ort geben, am dem sie miteinander „zu Hause“ sein können. Den gibt es hier irgendwie nicht so richtig und warum könnte es nicht die Kirche sein? Wir haben in diesem Ort so großartige Jugendliche.
Was denkst oder empfindest Du bei dem Wort „Gott“?
Ich glaube an einen liebenden Gott, ein strafender ist für mich undenkbar. Ich glaube an eine Kraft, in der ich geborgen bin, die mich leitet in meinem Handeln und Denken.
Du hast immer sehr viel mit Kindern zu tun gehabt können diese mit Deinen Gedanken von dem abstrakten Begriff „Kraft“ umgehen?
Ich würde Gott nie personalisieren. Ich würde den Vergleich verwenden: jemand, der Dich trägt; etwas, was immer um Dich herum ist, Dir Schutz gibt. Kinder brauchen viel Sicherheit an der sie sich festhalten können. Und der Gedanke, bedingungslos geliebt zu werden ist für sie auch sehr wichtig und das können sie auch verstehen. Was letztendlich in ihren Köpfen entsteht, das können wir nicht mehr steuern.
Nun feiern wir bald Weihnachten, was wünscht Du Dir für diese Zeit?
Für die Kinder allgemein wünsche ich mir natürlich, dass der Konsumgedanken nicht im Vordergrund steht und die Geschichte von Weihnachten auch in ihren Gedanken ist. Die Geschichte von Volkszählung, Armut, Flucht – dies alles sollte mit dem Gedanken verbunden sein, dass es heute auch noch so ist. Viele Menschen sind auf der Flucht und daran mag die Flucht dieser schwangeren Frau und die Geburt in der Armut erinnern. Weihnachten ist für mich kein Familienfest, sondern ein christliches Fest mit der Familie.
„Entweihen“ wir nicht Weihnachten, wenn wir es in einen gegenwartspolitischen Kontext stellen?
Den Vorwurf lass ich mir gerne machen, denn die Geschichte war damals so und sie ist auch aus der heutigen Zeit nicht wegzudenken. Eine Kirche, die eine oberflächliche Heiligkeit herstellt, will ich nicht. Ich finde das geradezu unerträglich. Und mir fällt noch ein Wunsch ein: Gefüllte Kirchen und Menschen, die nicht nur an ihren Platz denken, sondern auch mal an andere Menschen. Keine endlosen Schals und Mäntel auf den Bänken und eine Zeit, die den Kindern die Möglichkeit gibt, zur Ruhe zu kommen auf dass wir uns die Zeit nehmen, inne zu halten und zu überlegen, was unser Leben ausmachen soll.
Das ist aber ganz schön schwierig, denn jeder Sportverein „feiert“ ja sein Weihnachtsfest. Viele Schulauftritte, Einladungen allerorts, ein Hetzen von Besinnlichkeit zu Besinnlichkeit.
Sich dem ganz zu entziehen ist schwierig, dennoch ersetzen diese ganzen Feiern nicht den Dialog mit unseren Kindern und man kann auch mal was auslassen. Mir war es nicht so wichtig, ob mein Kinder der 5te Engel auf der Bühne ist. Vielleicht ist es den Kindern wichtig, aber ich habe nicht diesen Mutterstolz. Vielleicht bin ich ein bisschen „komisch“, aber die Weihnachtszeit in Ruhe mit meinen Kindern ist mir wichtig.
Wie kann die Kirche mehr Menschen für ihre Idee von christlicher Gemeinschaft motivieren?
Na ja, man braucht Mut, denn es wird von vielen Menschen als etwas angesehen, was so verstaubt ist. Es braucht Mut, auch in Gesprächen seinen Glauben in den Vordergrund zu stellen. Es gilt eben auch zu zeigen, dass diese „Klischees“ von Bibelstunde und Bazar keine sind, sondern ihren Wert darstellen neben vielem, was es sonst dort gibt. Ich mag so gerne das Konfirmandencafé in der Adventszeit.
Könnte man zum Beispiel die Eltern des FaGo mehr für die Veranstaltungen der GemeindeAkademie gewinnen?
Ja, man müsste sie zu Themen befragen. Da werden wahrscheinlich eher Themen genannt, die den Fragen der Lebenspraxis entspringen. Ich möchte auch so gerne, dass Jugendlichen in der Akademie-Arbeit mitmachen. Vielleicht können wir mit den Kinovorstellungen anknüpfen.
Nach Jahren des Hausfrau-Daseins bist Du jetzt wieder als Lehrerin an der Bugenhagenschule tätig.
Momentan wird in der Presse viel über das „traurige“ und „sinnlose“ Hausfrauendasein geschrieben, wie denkst Du darüber?
Ich nenne mich Mutter und nicht Hausfrau und es ist ein schönes Privileg, für Kinder da sein zu können. Die christlichen Werte, die ich leben möchte sind aber nicht an dieses Privileg gebunden, ich kann sie überall leben. Aber es war sicherlich so, dass meine Zeit zu Hause mir mehr Raum gab, darüber nachzudenken und meine Familie in diesem Ansinnen „mitzunehmen“. Und es schaffte mir Freiräume, vieles zu tun. Aber das muss man dann auch tun, finde ich. Ich bin auch so „gemacht“, dass mir die Kinder meist Spaß machten. Aber wie gesagt: jeder ist anders und auch nicht jeder kann sich diesen Freiraum nehmen.
Nun hast Du den letzten Satz...
Da fällt mir noch etwas zu meinem Glaubensbild ein, denn das hängt auch mit den Kindern zusammen: Ich möchte, dass man Menschen so annimmt, wie sie sind und nicht immer versucht, sie nach seinem Bild zu ändern. Ich habe das von meinem Sohn Johannes gelernt. Wir sollen das Beste annehmen – von uns und von anderen. Was ich als Mutter oder Mensch von anderen will ist dabei irrelevant, man muss zuerst auf den anderen gucken um zu sehen, was überhaupt möglich ist. All dies steht für mich auch in den Geschichten von Jesus und insbesondere auch in der Weihnachtsgeschichte. Das große Maß an Emotionen, welches zu Weihnachten wieder aufkommt ist auch eine Chance, nachzudenken. Zu Ostern tut das keiner so richtig. Was mir im Leben auch wirklich wichtig ist, ist Menschen nicht nach Äußerlichkeiten zu beurteilen, sondern zu sehen, was „in“ ihnen ist. Die Vielfalt der Menschen ist der Reichtum des Lebens.
Stefanie Hempel