Jakob Müller
Lieber Jakob, ein Praktikum in der Kirchengemeinde nach dem Abitur – für welchen Beruf?
Ich möchte zwar Theologie studieren, aber dieses Praktikum gilt nicht als Berufsfindung. Nach der Schule habe ich zehn Monate in Taizé gelebt und mir danach überlegt, einmal eine Gemeinde kennenzulernen. Wie funktioniert eigentlich meine Heimatgemeinde, wie funktionieren ihre Menschen?
Aber Sie haben die Gemeinde doch auch während des zweijährigen Konfirmandenunterrichts kennengelernt und sich am Ende nicht konfirmieren lassen?
Ich konnte nach dieser Zeit nicht "ja" sagen. Mit meinem damaligen Weltbild konnte ich absolut "ja" zu Gott sagen. Ja, Gott ist für mich da. Aber ich konnte nicht "ja" zur Kirche sagen. Und darum geht es ja bei einer Konfirmation – es ist die Bestätigung, der kirchlichen Gemeinschaft beizutreten. Wir haben damals zu Hause aber trotzdem ein herrliches Fest gefeiert. Ich werde nun am 11. September im Gottesdienst konfirmiert und das ist auch der Grund für mein Praktikum: Ich möchte mich auf meine Konfirmation vorbereiten.
Wie haben Sie Taizé kennengelernt?
2014, während der Abi-Phase, hat mir mein Tutor an der Schule von einem tollen Ort namens Taizé erzählt. Kurze Zeit später fuhren wir zu dritt, der Tutor, eine Freundin von mir und ich zusammen in einem kleinen Polo nach Taizé. Erst für eine Woche, dann eine weitere Schweigewoche. Dann fuhr ich noch einmal im Herbst. Und noch einmal im Sommer 2015 für geplante zweieinhalb Monate, aus denen dann zehn wurden. Statt Buenos Aires, was ich eigentlich vorhatte.
Und was haben Sie da gemacht?
Alles. Klo putzen, Zelte aufbauen. Meine Hauptaufgabe war aber nachher am Empfang. Ich habe mich immer gefreut,
dort etwas machen zu dürfen und als Geschenk viele tolle Menschen kennengelernt.
Was war das Wichtigste an dieser Zeit?
Dass ich Zeit hatte. Zeit mit Menschen, die ruhige Zeit der täglichen drei Gebete.
Finden Sie, dass Ihr Leben hier zu wenig Zeit hat?
Nein, nicht unbedingt. Ich meine eher, dass ich dort die Konzentration auf mich selber und auf Gott hatte. Etwas habe ich aber schon vor Taizé gemacht: Ich nehme mir jeden Tag Zeit zu beten. Das ist für mich grundsätzlich wichtig.
Dafür wird man doch in Ihrem Alter eher ausgelacht, oder?
Ja. Aber man findet auch Menschen, die das teilen und vor allem auch schätzen, selbst wenn sie nicht so leben. Und das sind viele, vor allem junge Menschen, und oft drücken sie das Bedürfnis aus, es auch tun zu können. Für mich ist das ein normaler Austausch und keine kontroverse Unterhaltung.
Werden Sie nach dem Bild Ihres "Gegenübers" im Gebet gefragt. Wie ist es, das Gottesbild?
Das kann ich nicht beschreiben. Ich versuche, diesen Fragen auszuweichen, wenn es geht. Was zu meinem Gottesbild ganz fest dazu gehört, ist Jesus Christus, und der ist meist auch mein "Ansprechpartner" im Gebet. Er ist für mich irgendwie die wichtigste Person im Glauben. Aber diese Frage ist komplex und mit sehr vielen Emotionen verbunden. Ich kann keine gute Antwort darauf geben.
Helmut Gollwitzer hat sich groß an die Wand seines Büros geschrieben: "Was würde Jesus jetzt dazu sagen?" ...
Dieser Gedanke kann auch eine Art Gebet sein. Vielleicht nicht so ganz, aber irgendwie ist Jesus ja auch Gott.
Ja?
Ja, durch die Auferstehung.
Wie glauben Sie an die Auferstehung? Im physischen Sinne?
Nein, nicht zuerst, aber das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist die Präsenz im Geiste, die Jesus nach seinem Tod in den Jüngern und Menschen hatte. Und am Ende ist durch diese Kraft schon eine physische Präsenz entstanden.
Emmaus?
Ja, Emmaus.
Können Sie denn jetzt "ja" zu dieser Gemeinde sagen?
Ja, jetzt kann ich es.
Was unterscheidet eine christliche Kirchengemeinde von Gruppen gemeinschaftlich christlichen Handelns wie z. B. den diversen Hilfsorganisationen, deren Mitglieder sogar in der Hilfe anderer ihr Leben riskieren?
Diese Gruppen leben in einer Art und Weise christliche Werte, die sehr viel Respekt verdient. Aber warum entscheide ich mich für eine Kirchengemeinde? Weil sie die Kirche als Mittelpunkt hat. Und die Kirche hat Gott als Mittelpunkt und Jesus. Deshalb sage ich "ja" dazu. Und in meinem Fall ist es die evangelische Kirche, ich bin so aufgewachsen. Man darf aber jetzt nicht vergessen, dass ich gerade zehn Monate in einer sehr engen christlichen Gemeinschaft, einem ökumenischen Kloster gelebt habe. Ich will auch nicht sagen, dass die Kirchengemeinde vor Ort perfekt ist, aber ich sehe, dass es ein Versuch ist, mit Jesus in der Mitte zu leben. Deshalb möchte
ich Teil dieser Gemeinschaft sein.
Haben Sie Zukunftsängste?
Ich habe keine Ängste, aber ich denke – das mag vielleicht pathetisch klingen –, dass unsere Generation viel zu tun hat. Ich versuche, noch mit vielen aus der Kriegsgeneration unserer Großeltern zu sprechen. Denn ich glaube, dass wir erleben werden, was die erlebt haben. Die können Vorbilder sein. Ich glaube, dass wir eine große Verantwortung tragen, gerade wir hier, mit unserem Bildungshintergrund und auch Wohlstand. Es ist auch nicht unbedingt schlecht, wenn man Angst hat, denn dann wird einem klar, dass man etwas tun muss.
Stefanie Hempel (Juli 2016)