Juliane Troje
Liebe Juliane Troje, Sie werden als Mutter von drei Kindern mit dem folgenden Schuljahr die Nachfolge von Bertram Maushake als Leiterin der Bugenhagenschule im Hessepark antreten. Sie sind ein „bekanntes Gesicht“ in dieser Gemeinde. Sie spielten oft Blockflöte im Gottesdienst, Sie gehören mit Ihren Kindern zum FaGo, Sie haben engagiert in dem Kreis mitgewirkt, der diese Schule überhaupt möglich machte. Eine engagierte Musikerin, eine Gymnasiallehrerin und nun die Leitung dieser Schule,wie war der Lauf der Zeit?
Ich studierte zuerst Blockflöte und schloss mit dem Diplom ab. Dann setzte ich meine Ausbildung mit dem Studium zum Lehramt in den Fächern Französisch und Musik fort und arbeitete während des Studiums bereits am Lycee Francais.
Und hatten noch Zeit, sich in der „Schulgründungstruppe“ zu engagieren ?
Eigentlich begann das Engagement hier am Ort mit dem Film-Vortrag des Journalisten Reinhard Kahl in der GemeindeAkademie. Als Lehrerin in Elternzeit ging ich aus Interesse hin und die Darstellung alternativer Lehr- und Lernmodelle hat bei mir viel bewirkt. Eigentlich war es eine Initialzündung für mein Interesse an Reformpädagogik. Pastor Plank sprach mich an, ob ich an dem Schulgründungsprojekt mitwirken möchte und so begann es: Konzepte entwickeln, Vorträge organisieren, Träger und Finanzhilfen suchen.
Warum begannen Sie nicht sogleich als Lehrerin an der neuen Schule?
Das wurde mir manches Mal vorgeworfen. Aber ich unterrichtete inzwischen am Gymnasium Süderelbe in Neugraben und hatte dort die Entwicklung des französisch-bilingualen Zweiges übernommen. Das war, zumal in einem solchen Stadtteil, eine große Herausforderung, der ich mich nicht sogleich wieder entziehen wollte.
Die Schulaufbausphase ist vorüber. Nun könnten andere Ziele angesteuert werden, was planen Sie ?
Ja, der Schulalltag steht größtenteils, und die Kolleginnen und Kollegen haben in dieser rasanten Aufbauphase großartige Arbeit geleistet. Solange die Schule noch wächst, werden sich die organisatorischen Voraussetzungen jedoch alljährlich noch verändern. Zudem wird es jetzt wichtig sein, auf pädagogischer und fachlicher Ebene Konzepte und Ideen zu entwickeln, die auch langfristig tragfähig sind.
Und könnte hier vielleicht die Gemeinde mehr eingebunden werden?
Ich stelle mir in der Tat eine Art Dreieck aus Familie, Schule, Kirchengemeinde vor.
…Mein Traum ist der, dass sich Religiösität durch den Schulalltag zieht, z.B. in den allmontäglichen Andachten und als fester Bestandteil verschiedener Projekte. Aber auch als Form der schulischen Seelsorge.Und schließlich würde ich gern mehr Feste feiern. Das Kirchenjahr gibt uns so viele Möglichkeiten und diese Feste bieten so vielfältige Formen der Begegnung zwischen Schule und Gemeinde.
Haben Sie Vorbilder an christlichen Schulen ?
Nein, ich habe keine bestimmte Schule oder einen konkreten Theoretiker vor Augen, den ich zum Vorbild erhebe. Sicher habe ich mir einiges angesehen, aber im Wesentlichen leiten mich meine eigene Erfahrung mit Heterogenität und mein Menschenbild. Meine bisherige Schule in Neugraben ist zwar ein Gymnasium, aber von „heiler Welt“ war dort wenig zu spüren. Kinder mit schwerbehinderten Geschwistern, viele Kinder mit Migrationshintergrund oder auch schweren sozialen Bedingungen in ihren Elternhäusern. Kinder, die morgens in die Schule kamen und einfach „neben sich standen“. Diese Kinder zu integrieren, war für mich die größte pädagogische Herausforderung der letzten Jahre und hat in mir sehr viel geweckt, mich vieles gelehrt und meine pädagogischen Sinne angeregt. Mir ist dabei das Gleichnis vom „Arbeiter im Weinberg“ zum Vorbild geworden. Es macht so deutlich, dass Gleichbehandlung nicht gerecht ist. Eine traurige Erkenntnis ist aber auch, dass so viele Eltern aus Sorge um die Benachteiligung des eigenen Kindes einer individualisierenden Pädagogik, die doch um so vieles gerechter ist, misstrauen. Die Heterogenität in unseren Klassen ermöglicht auch ein „Lernen durch Lehren“, in dem Kinder auch einander helfen, den Stoff zu erarbeiten. Was nur sozial bedeutsam scheint, unterstützt auch den Lernprozess der helfenden Kinder, denn: Was man lehrt, sitzt wirklich für die Zukunft.
Und was wünschen Sie sich von dieser Gemeinde?
Aufgeschlossenheit, Neugierde für das, was vielleicht nicht sofort in das eigene Bild passt. Wir bewegen uns in dieser Schule auf einem Terrain, welches für viele unbekannt ist. Ich wünsche mir einen zugewandten, wohlwollenden Blick auf unsere Schule. Mehr einen kritisch-konstruktiven Umgang und weniger „Marktgeschrei“.
Aber dazu muss es ja Berührungspunkte mit der Schule geben und hier scheint mir die Schule gefragt, die Menschen in der Gemeinde in ihr Leben einzuladen. Das geschah bisher nur auf Bitten und dann spärlich.
Dazu sollen gemeinsame Feste beitragen. Auch gefällt mir der Gedanke des Bibel-Teilens, was in der Vergangenheit mit Konfirmanden gemacht wurde. Schüler in den Familien – großartig. Diakonische Praktika könnten dazu gehören. Ich stelle mir auch Familienwochenenden vor, an denen neben den Schülern und ihren Familien und den Pastoren auch Menschen aus der Gemeinde teilnehmen. Ein Fairhandelsmarkt oder Musiktheater-Aufführungen für die ganze Gemeinde in der Kirche. Oder die Einbeziehung des FaGo. Es gibt so vieles und auch ich wünsche mir die Verzahnung hier noch intensiver. Für mich ist das alles ein logisches Kontinuum, denn schließlich ist diese Schule ja einst aus der Gemeinde gewachsen.