Kai Matthiesen
Lieber Kai Matthiesen, seit 6 Jahren gehören Ihre Frau und Sie mit den Kindern Greta und Hannah zu den FaGo-Familien. Sie haben den Kirchenvorstand bei einer Wochenendtagung angeleitet, ein Leitbild zu entwickeln und Sie leisten ehrenamtlich Hilfe, die Anliegen der Gemeinde zu strukturieren um sie „nach vorne“ zu bringen. Wie begann das?
Es begann tatsächlich mit dem FaGo vor 6 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt wohnten wir noch nicht in Blankenese und waren auf der Suche nach einem regelmäßigen sonntäglichen Kindergottesdienst. Oft müssen wir wegen anderer familiärer Unternehmungen auch mal „passen“, aber durch das wöchentliche Angebot können wir über das Jahr gesehen doch oft daran teilnehmen. Der FaGo macht es Menschen leicht, sich in eine Gemeinde einzufinden, da die Liturgie einfach nachzuvollziehen ist. Jede Gemeinde pflegt ja ihre eigene Liturgie und für Neuankömmlinge ist es manches Mal schwer, sich da hinein zu finden und zu wissen, wer wann was singt und „wann man dran ist“. Beim FaGo ist das einfach. Beim dritten Mal weiß man, welche Lieder gesunden werden und hat schnell das Gefühl, dazu zu gehören. Es ging mir auch mit Freunden so, die seit Jahren eher Kirchen fern leben und ein schlechtes Gewissen haben, da sie die Kirche seit ihrer Konfi-Zeit nicht mehr aufgesucht hatten, christlich religiöses Leben nun aber ihren Kindern näher bringen wollten. Sie waren schnell vertraut. Es gibt viele Menschen, die mit christlichen Werten viel anfangen können. Wenn sie dann in die Rolle der Erziehenden kommen, fragen oder suchen sie nach Hilfe, wie sie ihren Kindern die Religion näher bringen können. Sie möchten an etwas anschließen, was sie über die Jahre für eine Zeit außer Acht gelassen haben. Ich denke dabei oft an eine Stellte in Goethes Faust: Faust wendet sich von Gott ab und verzweifelt. Am Ostermorgen will er den Schierlingsbecher trinken. In dem Moment als er den Becher zum Mund führt, hört er die Kirchenglocken. Der Klang der Glocken erinnert ihn an die Kindheit und ein unschuldiges Gefühl der Geborgenheit. Das hält ihn ab von diesem letzten Schritt. Das möchte ich meinen Kindern gerne mit auf den Weg geben. Dafür braucht es das Üben von Religiösität und die Geborgenheit in Ritualen.
Und warum helfen Sie, als Spezialist für Kommunikation, dem Kirchenvorstand und der Gemeinde Strukturen und damit einen besseren Zusammenhalt in ihrem Tun zu entwickeln?
Meine Priorität sind Menschen – es geht mir immer um Menschen und darum, dass Menschen gut miteinander leben können. Ich möchte die Bedingungen dafür schaffen. In meiner beruflichen Laufbahn und meiner jetziges Tätigkeit habe ich mich darauf fokussiert, das in der Vernunftsbegabung liegende Potential eines jeden Menschen nach allen Möglichkeiten zu aktivieren und zu heben. Dieser, in Unternehmen angewandte Ansatz lässt sich zum Teil auch auf eine Kirchengemeinde oder einen Kirchenvorstand übertragen – nur eben nicht mit einer vorrangig wirtschaftlichen Ausrichtung.
Aber warum fühlen Sie sich zu diesem Engagement „gerufen“. Darüber hinaus engagieren Sie sich ja auch darin, den Anregungen von Jakob von Uexküll folgend in Blankenese eine Art Zukunftsrat zu bilden.
Mir ist wichtig, dass Menschen respektvoll mit einander umgehen und sich auf Augenhöhe begegnen und andere nicht mit den eigenen Vorurteilen ersticken. Ich erkenne natürlich, dass ich privilegiert bin. Ich bin in einem stabilen und finanziell ausreichend ausgestatteten Elternhaus aufgewachsen und hatte keine Not. Ich konnte früh Bildungsangebote annehmen und mich dabei sehr gut entfalten. Aber dieses Privileg habe ich auch immer als Verpflichtung verstanden. Wenn jemand in dieser Welt etwas bewegen kann, wer, wenn nicht wir, denen es gut geht? Wir schaffen in unserer nahen Umgebung sowie weltweit so viele Ungleichheiten durch die Ungerechtigkeit der Verteilung der schwindenden Ressourcen, dass wir den Weltfrieden ernsthaft gefährden. Wir tun so, als wenn wir uns mit unserem kleinen „Planeten Blankenese“ loslösen können von dem Schrotthaufen, den wir geschaffen haben. Aber wir haben ihn mit verursacht und gefährden das Recht auf Leben anderer, die es aber mit Recht einfordern werden. Das treibt mich um. Wir können etwas dagegen tun und die Methode von Jakob von Uexküll halte ich für eine gute. Es gibt hier sehr wohl Menschen in unserem direkten Umfeld, die in Politik und Wirtschaft etwas bewegen können. Ich möchte solche Menschen ansprechen.
Und was kann die Kirche tun?
Wer in der Kirche ist und von sich als Christ redet kennt doch den Satz der Bibel, dass „ eher ein Kamel durch ein Nadelöhr passt, als dass ein Reicher in den Himmel kommt“. Viele Menschen leben in einer gewaltigen Dissonanz mit dem „ich weiß, ich will es anders tun, aber ich kann auch nicht mein ganzes Leben aufgeben, hinterfragen und mich auf den Lehmboden setzen“. Da hat diese Kirche ja mit dem Konzept von Prof. Braungart und dessen Initiative „cradle to cradle“ schon einen Weg aus dieser Dissonanz gewiesen. Braungart zeigt Möglichkeiten auf, wie wir auch ohne große Veränderung unseres Lebens Umweltbewusstsein leben können. Die Kirche soll ihre Position nicht nutzen, um Vorgaben von der Kanzel zu predigen, die man so, aber auch anders sehen kann. Ich erwarte von der Kirche, dass sie bewusst so und nicht anders denkt und die Spannung zwischen dem, was in der Bibel steht und der Art wie wir leben aufrechterhält. Aber die Kirche muss liebevoll damit umgehen – mit dem, wie wir leben. Diese Spannung muss respektvoll und nicht ausgrenzend sein.
Passen Sie auf sich auf – wir brauchen Sie, Kai Matthiesen.