Katharina Hagena

Was bedeutet die Bibel für Dich. Liest Du sie?

Ich empfinde die Bibel als eine meiner literarischen Wurzeln. Großväterlicherseits komme ich aus einem traditionellen evangelischen Pfarrhaus. Unser Verständnis der Bibel ist sehr stark auf Luther und seine Sprache fixiert. Auch wenn Luthers Übersetzung angeblich nicht immer lupenrein ist, ist sie die Grundlage unserer heutigen Sprache. Wenn dort „selig“ steht, dann muss es für mich auch selig heißen und nicht etwa glücklich. Wir sind beheimatet in den Seligpreisungen und nicht in den Glücklichpreisungen. Die Wortbildung in der Luther-Übersetzung ist ein starkes Fundament und dies nicht nur für die Sprache, sondern auch für unsere Kultur und unser Handeln, unser Sein.

Und wie erzählst Du die Bibel Deinen Kindern?

Mit ihren Geschichten und Bildern. Klar weiß man inzwischen, dass zum Beispiel das Kamel im Nadelöhr eigentlich ein Tau oder Seil sein sollte. Aber ich mag das Kamel besonders gern. Seil oder nicht Seil - das Bild des Kamels ist nun schon ein fester Bestandteil unseres Bilderfundus geworden und damit hat seine Berechtigung. Das Bild bleibt, und ich möchte es nicht missen.
Oder nehmen wir den Elfenbeinturm aus dem Hohen Lied  (Kap.7,5 Dein Hals ist wie der Elfenbeinturm, deine Augen die Teiche in Heschborn,...) Beschrieben wird der Hals der Geliebten und heute ist es das Sinnbild für Menschen mit gesonderten Interessen oder in der Abgewandtheit lebend. Das zeigt die Kraft solcher Bilder, wo sie herkommen und was aus ihnen wird. Es geht mir um das Netzwerk solcher Bilder, man kann neue schaffen und sie in einen neuen Kontext stellen. Der Text selbst ist für mich ein wunderbares Stück Literatur.

Was ist denn nun die Bibel – eine Sammlung menschlicher Gotteserfahrung, oder Gottes Wort? Und gilt es nicht, in der Bibel-Exegese auch den historischen Kontext der Menschen zu erforschen, die hier geschrieben haben?

Mir ist es egal, ob es sich um menschliche Bilder handelt, oder ob da wirklich ein brennender Dornbusch war. Ich breche die Bibel nicht herunter auf wahre Begebenheiten. Nichts langweilt mich mehr als sogenannte „wahre Begebenheiten“. Geschichten müssen nicht wahr, aber wahrhaftig sein. Ich glaube an die Verdichtung der Fiktion, schließlich wird sie ja aus dem Grund verdichtet, um zu einer Erkenntnis zu gelangen. Ich finde es unwürdig, den Beweis anzustellen, dass ein Tsunami das Rote Meer geteilt haben könnte. Das starke Bild, das wir haben, ist das geteilte Meer. Ich glaube an das Bild und halte auch einen Tsunami nicht für ausgeschlossen. Aber er interessiert mich  nicht.

Was heißt für Dich Bildung ?

Ich glaube schon, dass die Bildung des Herzens und die des Geistes Hand in Hand gehen. Bildung ist ein Privileg, die Chance darauf ist nicht jedem offen. Bildung ist etwas Großartiges. Aber ich will, dass zu der Bildung auch dazu gehört, dass wir wissen wollen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Dass es darum geht, Dinge und Menschen zu verstehen und damit verbunden auch ein Mitfühlen. Das Verständnis bestimmt unser Gefühl und umgekehrt. Wenn ich weiß, wie bestimmte historische und gesellschaftliche Zusammenhänge in anderen Ländern funktionieren, verstehe ich vielleicht eher, warum sich Menschen unterschiedlich verhalten. Bildung und Herzensbildung müssen sehr eng verknüpft einhergehen. Es ist ja auch im Wort enthalten: dass etwas gebildet wird. Das kommt aus der Bildhauerei. Je feiner die Bildung des Herzens oder des Verstandes, desto feiner können auch wir formen und geformt sein. Für mich ist natürlich die Sprache wichtig. Wenn ich eine Sache nicht benennen kann, fällt es mir es schwer, ein Bewusstsein für diese Sache zu entwickeln.

Geht nicht wortgewandten Menschen manchmal die Authentizität verloren?

Ja, man kann sich natürlich hinter sprachlicher Brillanz verstecken. Aber will ich Brillianz? Wahrhaftigkeit erreichst du nur, wenn es dir gelingt, Form und Inhalt so deckungsgleich wie möglich zu gestalten. Das gilt auch für meinen Beruf: Wenn ich einen Text so wahrhaftig wie möglich hinbekommen möchte, muss ich mich in diesem Prozess ganz durchlässig machen. Ich will gar nicht, dass es hinterher glänzt, ich will, dass es leuchtet! Ich glaube, nur so kann man etwas schaffen, das Menschen irgendwie berührt. Und das wiederum ist, was einen dann stolz macht und zugleich demütig.

Hast Du Gottvertrauen?

Ich glaube mehr an die Nichtzufälligkeit der Dinge. Ich glaube an die Verbundenheit in allem. Ich kann für mich auch keinen Zeitstrahl herstellen. Vergangenheit, Gegenwart Zukunft - wir benötigen diese Kategorien vielleicht um Geschehnisse zu ordnen. Haben wir einmal einen sekundenlangen Einblick in ein chaotisches Gemeinsames vom Geschehen dieser Welt, dann sind wir überfordert, machen schnell wieder den Deckel zu und müssen das Gestern und Morgen auseinander sortieren. Diese Ewigkeits- und Welterfahrung mag ich vielleicht als Gott bezeichnen. Manchmal finde ich unbedingt „siehe, es war sehr gut“. Andererseits lebe ich aber auch in der Erkenntnis, dass es überhaupt nicht so ist. Nichts scheint mir dann geordnet. Doch ich glaube an den Zusammenhang.

Ihr habt mit Eurer Familie viele Jahre im FaGo (Familiengottesdienst) verlebt und auch dort viel musiziert. Nun sind die Kinder älter geworden, wie lebt ihr jetzt im Umfeld der Kirche?

Vielleicht ändern wir gerade unseren Aggregatzustand. Wir müssen uns neu sortieren. Das eine Kind wird konfirmiert, das andere ist nur ab und zu nochmal Diakonin im FaGo. Wie es genau weitergeht, weiß ich nicht. Sonntägliche Kirchgänge können ja auch etwas Bedrückendes haben. Aus den Häusern dringt der Geruch von Braten und Langeweile. Die bevorstehende Woche dämmert dunkel herauf. Ich kann verstehen, dass viele Jugendliche mehr Lust auf besondere Gottesdienste haben, wie den ganz frühen Ostergottesdienst oder den ganz späten am Heiligen Abend.

Was ist denn für Dich Gottesdienst?

Wenn ich bei schönem Wetter drinnen herumgammle, habe ich das Gefühl, mich an der Schöpfung zu vergehen. Mein Dienst an Gott hat viel mit der Schöpfung zu tun. So etwas wie epiphanischen Erfahrungen habe ich wohl am ehesten in bestimmten Landschaften.

Ist die Kirche auch ein aufgesuchter Raum für Deinen Gottesdienst?

Ja, wenn er schön ist. Ich kann das Göttliche in schönen Kirchen, in der Kirchenmusik oder der Kunst erfahren. Und auch in der Bibel. Ich kann nur nicht so ein gefühlig-süßliches Gottesbild ertragen, wie ich es in manchen neueren Liedern oder Predigten höre. Wenn ich dann länger darüber nachdenke, werde ich sofort zum Atheisten. Vielleicht lässt sich mein Zustand dann mit den Worten von Julian Barnes ausdrücken: „I don’t believe in God, but I miss him“. In Situationen, wenn meine eigene Sprache aufhört, begegnet mir das, was wir hier jetzt einmal Gott nennen können - zum Beispiel bei Geburt und Tod. Und das hat nichts zu tun mit den bisweilen schmerzhaft sentimentalen Phrasen, die man manchmal in der Kirche hören muss.

In diesen Momenten gehörst Du lieber zu denen, für die „Gott im Wald ist“.

Ja. Und da wäre ich dann auch gern.

 

Interview: Stefanie Hempel

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