Vera Klischan

Liebe Vera Klischan, eine staatliche Schule soll säkular sein. Geht das überhaupt? Sind nicht die meisten Kinder in der christlichen Tradition aufgewachsen und gerade in der noch unreflektierten Zeit der Grundschule darin verhaftet? Eine Schulzeit ohne Engel?

Wenn ich mir vorstelle, ich sei aus der Kirche ausgetreten und habe damit nichts mehr zu tun, hätte ich mich vielleicht darum herum drücken können. Aber das scheint mir künstlich. Weihnachten gibt es nun einmal und wir feiern es in der Kirche. Damit sind wir schon nicht mehr säkular und eingebunden in eine christliche Tradition – und wir benennen das auch so. Und wir brauchen es.

Vor drei Jahren starb eine sechsjährige Schülerin an EHEC. Das war ein Moment, in dem die ganze Schule in Fassungslosigkeit – wie soll ich es sagen – den göttlichen Willen hinterfragt hat. Die Kinder haben dazu geschrieben, oft auch mit der Frage: „Lieber Gott, wie kann das geschehen?“. Wir haben uns mit dem Bild der Engel sehr geholfen, es hat uns Trost gespendet. Trotzdem haben wir an den Schulen den Neutralitätszwang. Wir nehmen christliche Feste wie Weihnachten, Karfreitag und Ostern wahr und beschäftigen uns mit den Inhalten. Wir haben auch Religionsunterricht. Eine Schule komplett säkular, das geht doch eigentlich nicht.

Es gibt allerdings, wenn auch wenige, Eltern, die sich daran stoßen, dass wir mit den Kindern zu unserer Schulweihnachtsfeier in die Kirche gehen.

Ich lese gerade ein Buch über Erschöpfungsdepressionen bei Kindern und Jugendlichen. Ein Krankheitsbild, was an Häufigkeit zunimmt – auch bei Ihnen ?

Es fällt mir schwer, das Erlebte an einem klinischen Bild festzumachen. Nein, eigentlich kenne ich das hier nicht. Was wir merken, sind Sekundärmerkmale von Überforderung. Eltern berichten von Schlafstörungen und wir bemerken ein steigendes Maß an Unkonzentriertheit. Überforderung gibt es sicher hier, aber ich kann nicht von Burnout sprechen.

Haben die Kinder manchmal Zukunftsängste?

Ja, aber nicht in die „weite Zukunft“. Kein Gedanke an Berufsvorstellungen. Aber manche haben Ängste hinsichtlich der weiterführenden Schule, es entstehen Befürchtungen wie „Kann ich bei meinen Freunden bleiben?“ oder „Kann ich den neuen Anforderungen genügen?“. Kinder spüren seismographisch die an sie gerichteten Bildungserwartungen, hinzu kommt noch Sport und Musik. Nicht zu unterschätzen ist auch die Belastung durch den Vergleich untereinander.

Können religiöse Werte ein Leben entspannen?

Vielleicht fehlt es oft an Gottvertrauen. Meine Mutter hat mir sehr viel davon mitgegeben und ich unterlag nicht der Pflicht, immer alles selbst leisten und regeln zu müssen. Heute steht dem „Herr, Dein Wille geschehe“ der Kontrollwunsch gegenüber.

„Es braucht ein Dorf um ein Kind großzuziehen“. Kann die Kirchengemeinde mehr für die Schule tun?

Ich könnte mir vorstellen, dass Menschen, die Zeit und z. B. handwerkliches Geschick haben, sich in der Schule noch mehr im Rahmen der Wahlpflichtfächer engagieren. Wir können das wegen mangelnder Fähigkeiten, aber auch mangelnder Zeit nicht, und es wäre ein guter Gegenpol zu den Leistungsanforderungen. Ich kann mir auch Menschen vorstellen, die Kindern bei bestimmten Defiziten, z.B. dem Lesen helfen. Vieles geschieht bereits. Wir gehen in die Backstube, wir gehen in die Kirche. Ich empfinde die Gorch-Fock-Schule als Schule im Stadtteil genauso wie ich die Kirche als Teil dieses Stadtteils begreife. Der Familiengottesdienst drückt das aus. Von dort wird vieles in die Schule getragen, das spüre ich deutlich.

Wie beschreiben Sie für sich Gott?

Gott ist für mich ein wichtiger Wert in meinem Leben, mit dem ich Zwiesprache halte und auf den ich vertraue, der mir sicherlich Ängste nimmt im Sinne „Ich kann nicht alles richten und es wird so sein“ im Verständnis von „Herr, Dein Wille geschehe“. Ich muss nicht alles kontrollieren – es wird auch so richtig. Ich habe Zuversicht und in Gotteshand liege ich auch. Aber mein Bild ist auch belastet worden durch den frühen Tod meiner Mutter und das Sterben eines Kindes in dieser Schule. Ich will damit sagen, dass mein Gottesbild immer wieder auf die Probe gestellt wird. Mit der Amtskirche, also katholisch oder evangelisch, hat es nicht unbedingt etwas zu tun. Aber die Kirche ist mir wichtig als Ort, an dem ich Gott nahe bin, und als Ort der Begegnung. Mein Gottesbild hat auch etwas mit Dankbarkeit zu tun. Ich bin dankbar für das Vertrauen im Glauben, es ist so viel tröstlicher, damit alt zu werden. Es ist für mich ein Privileg, den tröstlichen Gedanken zu haben, dass Gott bei mir ist.

Die Schule ist auch ein Ort der Emotionen. Ist es schwer, ihn hinter sich zu lassen, nun, wo Sie in den Ruhestand ausgeschieden sind?

Ja, es geht viel verloren, dieser Mikrokosmos Schule bedeutet viel: den Kontakt zu meinen Kollegen, den Kontakt zu den Kindern. Für mich war es beglückend zu sehen, wie sie klein mit der Tüte eingeschult werden und dann größer und selbstbewusster die Schule wieder verlassen. Meine Kollegen und mich einte der Blick auf die Kinder und das macht glücklich. Ich habe es immer als sehr großes Privileg empfunden, hier sein zu dürfen, dieses Gefühl hat mich 17 Jahre lang nicht verlassen. Ich war hier „am Puls der Gesellschaft“. Hier erleben wir, wie sich soziologische Strukturen verändern, etwa Familie und Frauenleben. Ich bin dankbar für die vergangenen 17 Jahre.

Und so viele Menschen sind dankbar für Sie.

Stefanie Hempel

Vera Klischan
geboren 1952, verheiratet, zwei erwachsene Töchter | seit 17 Jahren Schulleiterin der Gorch-Fock-Schule in Blankenese | hat sich vor den Sommerferien in den Ruhestand verabschiedet

 

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