31. Dezember
Ein bedeutsames Wort am Ende des Jahres
Es ist nichts auf Erden, welches des Menschen Leben so bedeutsam macht, so zierlich und köstlich schmückt, als die innige Teilnahme an allem Lebendigen rund um uns.
Jeremias Gotthelf
30. Dezember
Zur Vorbereitung
Das Leben gleicht einer Reise,
Silvester einem Meilenstein.
Theodor Fontane
29. Dezember
Fragen, vor denen nicht nur "Sonntagsinstitutionen" stehen:
Sollten sich Parteien, Gewerkschaften, Vereine, auch Medien auf ihren Markenkern besinnen, wie es im Beraterdeutsch heißt, und zu neuer Reinheit in schlankerer Form streben? Oder sich öffnen, neugierig sein, die Tore aufschließen und Macht abgeben? Wer kümmert sich um das große Außen, wenn alle damit beschäftigt sind, innen aufzuräumen? Wer sorgt für Inspiration, kreativen Überfluss und Sinnproduktion, wenn das Schlagwort Optimierung lautet und das misstrauische Menschenbild des digitalen Kapitalismus dominiert.
Im Spiegel Nr. 52 von Nils Minkmar
Sonntagsfotos von Jan Teich
28. Dezember
Die Zeit vergeht nicht schneller als früher,
aber wir laufen eiliger an ihr vorbei.
George Orwell
27. Dezember
,,,schwere Einsamkeit ist nicht bloß eine individuelle Tragik, sondern auch ein soziales Problem, gefährdet sie doch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In deutschen Großstädten findet bei über der Hälfte der Verstorbenen kein irgendwie gearteter Abschied mehr statt. Was sagt dies über die deutsche Gesellschaft aus: Leben und sterben wir in einer Kultur der Vereinsamung?
Johann Hinrich Claussen - in der Süddeutschen an Weihnachten
26. Dezember
Weihnachten kommt
Weihnachten geht
Weihnachten wird es vielleicht
Anke Maggauer-Kirsche
25. Dezember
Stichwort Flüchtlingskinder
Wir erblicken Jesus in den vielen Kindern, die gezwungen sind, ihre Länder zu verlassen, alleine unter unmenschlichen Bedingungen zu reisen, und so zur einfachen Beute der Menschenhändler werden. ...
Unser Herz möge nicht verschlossen sein, wie es die Häuser von Betlehem waren.
Franziskus in seiner Weihnachtsansprache
Lukas 2, Die Geschichte vonnet Jesuskind (auf Ruhrdeutsch)
Datt watt gezz kommt is passiert wie den Kaiser Augustus für alle auffe Welt Bescheid gegehm hat wegen ner Volkszählung. Sowatt wah no nie da, erss dammals wie den Quirinius Statthalter in Syrien wah.
Jeden musste in sein Geburstort gehn fürre Eintragung.
Also zoch auch Josef los von Nazareth in Galiläa nachet jüdische Land, nache Stadt von David, also nach Bethlehem. Er gehörte nämmich zue Sippschaft von den David, darum musster sich da eintrahn lassen. Seine Verlobte, Maria, nahmer mit, die krichte'n Kind..
Wiese angekommen warn ginget los mitti Geburt, und sie brachte ihrn ersten Jaust auffe Welt, zoch ihn Windeln an und legte ihn inne Krippe, weil sonst gapet kein Platz inne Absteige.
Ganz inne Nähe warn Hirten auffen Feld und passten nachts auffe Schafherde auf.
Der Engel von den Herrn kam ran und der Glanz von den Herrn machte allet hell beisie. Sie hatten voll die Panik. Aber den Engel sachte sie Bescheid: Ey, macht euch nich inne Buxe. Sperrt lieba die Lauschers auf. Hömma, ich verklicker euch 'ne Riesenfreude für datt ganze Volk, abba ährlich.
Für euch is heute den Retter geborn, datt ist den Christus, den Herr, da inne Stadt von den David. Woltter wissen wie'er datt schecken könnt?
Hier happtern Tipp. Wenner den Kleenen findet, dann hatter Windeln an und pooft inne Krippe.
Auf eima war bei den Engel voll die ganze Engelmenge aussen Himmel, die lobten Gott und fingen am Singen:
Ehre für Gott und Frieden für de Menschen, weil Gott se toffte findet.
Alsse Engel abgezogen warn, baldowerten de Hirten aus: Ey, wir zischen ab nach Bethlehem für zum Nachkucken, watta los is, so wiewert von den Herrn Bescheid gekricht ham.
Sie gahm Gas und fanden se alle zwei: Maria und Josef mitten Kurzen dabei inne Krippe.
Wiesen aber sahen, sachten se für alle Bescheid von datt, watt den Engel über den Kurzen gesacht hatte.
Alle, die et hörten warn voll baff von datt watte Hirten sachten.
Nur Maria stellte die Lauscher voll auf und war darüber dauernd am Nachdenken.
Dann machten de Hirten wieder de Biege, unterwegs lobtense Gott und sachten ihn, wie gutse 'ne finden, datter für sie dat allet verklickert hatte und dattse nachkucken konnten, watt se Bescheid gekricht hatten.
23. Dezember
Ich hab die Faser nicht gesponnen,
die Stoffe nicht gewebt,
die ich am Leibe trage.
Ich habe nicht die Schuhe,
die Schritte nur gemacht.
Wer mich ansieht, sieht viele andere nicht,
die mich ernährt, gelehrt, gekleidet haben,
die mich geliebt, gepflegt, gefördert haben.
Mit jedem Schritt gehn viele Schritte mit.
Mit jedem Dank gehn viel Gedanken mit.
Armin Juhre
22. Dezember
Nicht die ungelösten Rätsel der Vergangenheit lösen
und in quälende Grübelei fallen sollen wir,
sondern auch das Unbegreifliche stehen lassen
und friedlich in Gottes Hand zurückgeben.
Dietrich Bonhoeffer
21. Dezember
Ein Kindergedicht
Das Kind sagt
Ich will groß sein,
ich will mir ein Haus bauen aus Luft
und einen Garten machen aus Löwenzahn.
Lieder sollen darin wachsen, die ich jeden Tag esse,
und ich will reich sein wie ein Kuckuck, dem der ganze Wald gehört,
und ich will viele Kinder haben,
die schicke ich in die Schule, damit sie den Krieg verlernen
und wissen, wie man ein Gewehr aus Lachen macht
und eine Kugel aus Wind
und einen Vater, der nie fortgeht.
Rudolf Otto Wiemer
20. Dezember
Manche im Lande schmieden einen
Plan zur Rettung der eigenen Identität... Man erzählt ein Märchen von der eigenen Herkunft, die es so nie gegeben hat. Man sagt, wir seien einmal ein einheitliches Volk aus einem einheitlichen Blut mit einer einheitlichen Kultur gewesen. Wir waren es nie. Schon die fremden Namen Sarrazin, Vuckic oder Hadzici, die sich schon lange in unseren Registern herumtummeln, lassen uns die Einheitlichkeit unserer Herkunft bezweifeln. Dieses Volk war nie eines, und wo es so unbedingt eines sein wollte, da stand es schon mit beiden Füßen im Blut
Fulbert Steffensky
19. Dezember
Es wird Weihnachten! Mein ganzes Haus riecht schon nach braunem Kuchen – versteht sich nach Mutters Rezept –, und ich sitze sozusagen schon seit Wochen im Scheine des Tannenbaums. Ja, wie ich den Nagel meines Daumens besehe, so ist auch der schon halbwegvergoldet.
Theodor Storm
18. Dezember
Für Börsenspekulationen ist der Februar einer der gefährlichsten Monate. Die anderen sind Juli, Januar, September, April, November, Mai, März, Juni, Dezember, August und Oktober.
Mark Twain
17. Dezember
Unter der Bedingung der Unvermeidlichkeit von Kompromissen heißt Demokratsein heute vor allem, verlieren zu lernen.
Jens-Christian Rabe
16. Dezember
Zum Stichwort "Effizienzversessenheit"
Zum besinnungslosen Werkeln kommt es, wo man von der eigenen Unentbehrlichkeit überzeugt ist
und sich darum nicht fragen kann, wo man entbehrlich ist.
Fulbert Steffensky
15. Dezember
Dritter Advent: Übungszeit für kreative Einwände
Lehre mich ein Nein zu sagen,
das nach Ja schmeckt.
Helder Camara
14. Dezember
In der Süddeutschen am 13.12.- über Christian Gerhaher
Einen Satz vor allem könne er nicht mehr ertragen: Man muss das Publikum dort abholen, wo es ist. "So ein dummer Satz", sagt Christian Gerhaher, "und es ist eine Schande, ihn unwidersprochen stehen zu lassen. Im Gegenteil: Man muss die Künste genau dort, wo sie kompliziert werden, festhalten, um Menschen die Möglichkeit zu bieten, ihren Geist anzuwerfen oder ihren Geist gespiegelt zu sehen, je nachdem, was einer leisten kann und will."
13. Dezember
Wollen wir in Frieden leben,
muß der Friede
aus uns selbst kommen.
Jean-Jacques Rousseau
12. Dezember
Ein Schiff, das auf dem Fluss groß ist, ist winzig auf dem Meer.
Lucius Annaeus Seneca
11. Dezember
zu der unten zu sehenden Kopfbedeckung...
Zerlumptes Kleid bringt kleinen Fehl ans Licht, Talar und Pelz birgt alles.
William Shakespeare
10. Dezember
Ein neuer Imperativ
Handle so,
dass die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind
mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.
Hans Jonas
9. Dezember
Ziehende Landschaft
Man muss weggehen können
Und doch sein wie ein Baum
Als bliebe die Wurzel im Boden
Als zöge die Landschaft und wir stünden fest
Man muss den Atem anhalten
Bis der Wind nachlässt
Und die fremde Luft
Um uns zu kreisen beginnt.
Bis das Spiel von Licht und Schatten
Von Grün und Blau
Die alten Muster zeigt
Und wir zu Hause sind
Wo es auch sei
Und niedersitzen können und uns anlehnen
Als sei es an das Grab unsrer Mutter
Hilde Domin
8. Dezember
Vielleicht müssen wir einem alten Wort neue Ehre geben, dem Wort „Askese“, Askese oder Bescheidenheit als politische Tugenden. Es ist hier nicht eine Opferaskese gemeint, die dem Menschen befiehlt, das Beste von seinem Leben einem hungrigen Gott zu gehen. Mit dem Begriff Askese war immer der Gedanke der Freiheit verbunden. Der freiwillige Verzicht sollte die Menschen davor bewahren, Sklave der Welt zu werden: Sklave des Geldes, des Essens und Trinkens, seiner Sexualität. Zugegeben, das alte asketische Denken war prinzipiell misstrauisch gegen die Freude am Leben. Es gibt aber eine Askese, die der Freiheit und der Lust am Leben dient. Diese Askese lehrt uns, neue Fragen zu stellen: Welchen Ort muss ich nicht sehen, damit ich andere Orte mit offenen Augen sehen kann? Welches Buch muss ich nicht lesen, damit ich andere Bücher mit wachem Geist lesen kann? Was muss ich nicht haben, damit meine Lust an den Dingen wächst, die ich habe? Welchen Lebenskuchen muss ich nicht essen, damit meine Lust am Lebensbrot wächst? „Überflüssige Dinge machen das Leben überflüssig“, sagt Pasolini. Wir brauchen eine Askese, die die Sinnenhaftigkeit des Lebens erhöht. Man kann Askese und Sinnlichkeit zusammendenken. Sinn und Sinnlichkeit hängen nicht nur im Wortstamm zusammen. Es gibt keinen Lebenssinn ohne die Erfahrung der Sinnlichkeit des Lebens.
Fulbert Steffensky
Bilder von Jan Teich
7. Dezember
Wer sich heute freuen kann,
der soll nicht bis morgen warten.
Johann Heinrich Pestalozzi
6. Dezember
statt "Nikolaus" - Doppelspitze als Thema
Wer an die Spitze will,
muss es auf die Spitze treiben.
Heimito Nollé
5. Dezember
Über die Unfruchtbarkeit
Der Obstbaum, der kein Obst bringt
Wird unfruchtbar gescholten. Wer
Untersucht den Boden?
Der Ast, der zusammenbricht
Wird faul gescholten, aber
Hat nicht Schnee auf ihm gelegen?
Berthold Brecht
Bilder von Jan Teich
4. Dezember
Der Baum
Zu fällen einen schönen Baum,
braucht's eine halbe Stunde kaum.
Zu wachsen, bis man ihn bewundert,
braucht er, bedenk es, ein Jahrhundert.
Eugen Roth
3. Dezember
Der Radwechsel
Ich sitze am Straßenrand.
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
Mit Ungeduld
Berthold Brecht
2. Dezember
Gebet eines älter werdenden Menschen (Old Nun's Prayer)
O Gott, Du weißt besser als ich, daß ich von Tag zu Tag älter und eines Tages alt sein werde.
Bewahre mich vor der Einbildung bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen.
Erlöse mich von der Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.
Lehre mich, nachdenklich, aber nicht grüblerisch, hilfreich, aber nicht diktatorisch zu sein.
Bei meiner ungeheuren Ansammlung von Weisheit erscheint es mir ja schade, sie nicht weiterzugeben – aber Du verstehst, o Gott, daß ich mir ein paar Freundinnen erhalten möchte.
Bewahre mich vor Aufzählung endloser Einzelheiten und verleihe mir Schwingen, zur Pointe zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu – und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr.
Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen, mir die Krankheitsschilderungen anderer mit Freuden anzuhören, aber lehre mich, sie geduldig zu ertragen. Lehre mich die wunderbare Weisheit, daß ich mich irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich. Ich möchte keine Heilige sein – mit ihnen lebt
es sich so schwer – aber eine alte Griesgrämin ist das Krönungswerk des Teufels.
Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete Talente zu entdecken, und verleihe mir,
o Gott, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.
Stammt aus dem englischen Sprachraum des 17. Jhs., ist als »Old Nun's Prayer« bekannt;
wird jedoch auch Teresa von Avila zugeschrieben
1. Dezember - 1. Advent
Für eine nachdenkliche Adventzeit:
Mein sind die Jahre nicht,
die mir die Zeit genommen;
mein sind die Jahre nicht,
die etwa mögen kommen;
der Augenblick ist mein,
und nehm ich den in acht,
so ist der mein,
der Zeit und Ewigkeit gemacht.
Andreas Gryphius
--------------------
mit einer Lichtquelle aus dem Museum für Kunst und Gewerbe