Altjahrsabend 2014
Predigt über die Jahreslosung 2014: Gott nahe zu sein ist mein Glück
Vorbemerkung
Wenn man einen Vers, einen Text heute gut findet
und ihn für morgen haben will
als Begleiter
dann muss man wohl dem Vergessen
und den vielen anderen Worten entgegenwirken
Nur ein Tipp – mit dem wir versuchen, dem Vergessen entgegenzuwirken:
Wir haben uns einen für uns wichtigen Text an die Treppe geklebt
treppauf – treppab zu lesen
Ins Gemeindehaus hatten wir die Jahreslosung gehängt,
auf der Internetseite der Kirche begegneten wir ihr –
Vielleicht war sie ja manchen so ein Begleiter
Das wäre ein Vorschlag für die neue Jahreslosung
oder zum „Behalten“ der alten:
Die war – und ist noch heute:
Gott nahe zu sein ist mein Glück - aus Psalm 73
Glück ist ein Thema, das uns alle beschäftigt
Wie man Glück erreicht und festhält – das ist seit Sonntag Thema im Museum für Völkerkunde.
fast könnte man sagen - gerade rechtzeitig zum Abschluss dieser Jahreslosung 2014
In der Ankündigung heißt es:
Jeder weiß, was damit gemeint ist,
mit Glück
aber jeder versteht etwas anderes darunter
Für den einen ist Glück eine erstrebenswerte Lebenslage,
die sich mit Gesundheit, Wohlstand und Ansehen,
aber auch mit Harmonie in der Familie
und in zwischenmenschlichen Beziehungen verbindet
– Glück in der Liebe
Andere streben nach Glückseligkeit,
einer lustvollen Gemütslage, in der alle Wünsche erfüllt zu sein scheinen.
Dabei ist Glück normalerweise kein Dauerzustand,
aber etwas, wonach wir uns dauerhaft sehnen
Und das ist in allen Völkern und Kulturen so –
Einfach glücklich sein – so die Ausstellung im Völkerkundemuseum (Rothenbaumchaussee)
Der Glaube kennt genauso auch die Suche nach Glück
Wünscht Jerusalem Glück – kennen wir aus dem Psalter
Der Pastor Traugott Giesen sagt:
Das Wort kommt nicht oft in der Bibel vor,
die Essenzen aber von Glück schon:
Liebe, Vertrauen, Dankbarkeit, Hoffnung, Vergebung.
Segen – und Segen, meint er – sei doch ein funkelndes Glückswort.
Der Glaube kennt die Suche nach Glück,
aber weiß auch von tiefen Irritationen:
„Wenn ich doch Gott glaube, dann müsste er doch …
- das Leid verhindern
- den richtigen Weg führen
- Scheitern unmöglich machen
- ein Miteinander bewahren
- Leistung auch zum Erfolg führen!“
usw.
Die andere Seite des Glücks
– mit den vielen Fragen, denen kaum jemand entkommt.
Der Beter im Psalm 73
aus dem die alte Jahreslosung stammt
schlägt sich auch mit solchen Fragen herum.
Er selber ist sehr krank – ein schweres Leiden liegt auf ihm
Er fragt sich
Warum geht es anderen, denen, die nicht glauben,
den Gottlosen – so nennt er sie - so gut?!
Beinahe hätte ich den Boden unter den Füßen verloren.
Denn ich habe die stolzen Menschen beneidet, als ich sah, wie gut es ihnen trotz ihrer Bosheit ging.
Sie scheinen ein sorgloses Leben zu führen und sind stark und gesund.
Sie müssen sich nicht wie die anderen Menschen abmühen und werden nicht wie alle übrigen von Sorgen geplagt.
Der Beter läßt seiner Seele so richtig freien Raum
Lesen Sie mal nach – Psalm 73
Er endet und fragt sich:
War es denn völlig umsonst, dass ich mich um meinen Glauben bemüht habe
Jetzt habe ich nichts als Sorgen von früh bis spät, jeder Morgen bringt mir neuen Kummer.
Seine Zeiten des Zweifels
Bittere Anfechtung
und jeder von uns wird solche Zeiten – aus welchen Gründen auch immer - kennen
Lohnt sich das denn – mein Mühen um Glauben?!
Lohn sich die Suche danach,
- himmlische Werte auf den Boden zu bringen
- Gottes Güte zu bekennen?!
Seine Sicht auf die anderen,
die sich um den Glauben überhaupt nicht kümmern,
treibt das Leiden geradezu ins Unermessliche.
Die ganze Welt um ihn herum ist ihm ein einziger Widerspruch gegen den liebenden Gott.
Der andere Bezugspunkt
Das Besondere jetzt:
Der Beter im Psalm 73 versinkt nicht in seinen Zweifeln.
Er findet einen anderen Bezugspunkt für sein Leben
vorher - hat er sich auf der Waagerechten immer um die eigene Achse gedreht
und sich verglichen mit anderen
„Zum Glück und Glücklich sein gehört das und das
und was man bei anderen sieht auch noch…“
Da – wo es glückte – das Leben, da hat er es als Geschenk genommen
er, der Glaubende, als Gottes Geschenk
Nun ist er mit Bösen konfrontiert, mit dem Leid, mit Ungerechtigkeit
Kommt das denn auch von Gott?!
Das Böse?! Die Krankheit, das Leid, der Tod?
Wenn doch das Gute von ihm kommt…?
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Der Beter versinkt nicht in seinen Zweifeln.
übergeht sie auch nicht
Jedenfalls geht er eines Tages in den Tempel.
Er denkt über Leben und Tod nach
Auch über das Sterben der Gottlosen – wie er sagt
Zuerst denkt er, dass Sie dann – am Ende – ihre wohlverdiente Strafe bekommen.
Aber diese Sicht tröstet ihn nicht wirklich
Man kann sich nicht auf Kosten anderer trösten lassen…
Er findet einen Grund, sich nicht weiter mit ihnen zu vergleichen.
und sagt dann:
Da erkannte ich, wie verbittert ich war
und welcher Zorn in mir aufstieg, als ich all dies sah.
Wie dumm und unwissend bin ich gewesen - ich muss dir wie ein unvernünftiges Tier erschienen sein.
… weil ich das Glück der anderen nicht habe – dem anderen das Glück neide
und ihnen das Unglück an den Hals wünsche
Er wechselt aus der horizontalen Sicht zur vertikalen.
und die Suche nach Glück nimmt für ihn eine schlichte
aber entscheidende
Wende
Mit den Erfahrungen, die ich mache
mit dem Himmel, den ich kenne
habe ich eine ganz andere Größe,
die den Inhalt meines Lebens beschreiben hilft
mir Erfüllung schenkt
in Freude und sogar auch im Leid
Eine Größe, die es gut sein lässt
ein Gott, der mein Leben in seinen Händen hält
alle meine Zeit
auch das Wandern von einem Jahr zum andern
Gelobt sei deine Treue
die alle Morgen neue
Lob sei den starken Händen
die alles Herzleid wenden
Der Beter findet ein „dennoch“
hat nichts von dem Leid und den Fragen vergessen
dem Durcheinander in dieser
– nicht nur zur Zeit –
kriegerischen Welt
aber betet:
Dennoch bleibe ich stets bei dir. Meine rechte Hand hast Du erfasst
Du nimmst mich in Ehren an
Wenn ich nur Dich habe
höre ich auf – um mich herum zu sehen – zu vergleichen
Wenn ich nur Dich habe
frage ich nichts nach Himmel und Erde
Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet
so bist Du doch, Gott, meines Herzens Trost und mein Teil.
Gott, dir nahe zu sein ist mein Glück.
sich Dir Gott nahen ist mir das Gute (M. Buber)
Ich höre auf mich zu vergleichen mit dem – neben mir
ich höre jetzt auf
Ich setze auf Gott und suche seine Nähe.
Wir können hier hinzufügen:
Der Glaube muss nicht weit suchen
Wir haben es weihnachtlich gesungen:
Gott ist Mensch geworden
heißt:
Seine Botschaft ist in Jesus unter uns hörbar – sie ist gelebt worden
eingelebt bis zu uns hin
verlässlich da:
das Versprechen der uneingeschränkten Nähe
dieser überfließenden Liebe Gottes zu seiner Schöpfung
zu uns
Bevor wir überhaupt noch fragen können
wie das denn gehen soll „uns Gott nahen“
spricht uns Jesus – in Gottes Namen zu:
Gott hat sich schon selber und schon lange auf den Weg gemacht hat
zu uns hin.
Es ist, als wenn der Psalm am Ende zu einem großen Frieden findet
trotz all der Anfragen um ihn herum
oder der Unsicherheiten vor ihm
Gott nahe zu sein ist mein Glück
Die Liturgie unserer Gottesdienste zeichnet das vorsichtig nach
mit dem Friedensgruß z.B.
auch mit der Salbung heute
Wir dürfen zeigen und spüren, dass ER schon da ist
dass das Göttliche uns beschenkt
nicht fordert
dass keine Meßlatte anlegt wird
sondern wir uns in Treue vorfinden
nicht kleinlich – dosiert –
Nein
eine Fülle
für das Denken und Fühlen
für das Tun und Lassen
Wenn wir weiter denken, dann kommt zu dem Umschwung
dem anderen Bezugspunkt
weg vom Vergleichen
– hin zu dem Himmel, der uns umgibt
da kommt noch ein anderer Schwung hinzu:
Es geht doch – unter diesem Himmel – gar nicht nur um mein Glück
Ich sehe mich selber in dem Glück der Nähe Gottes
angenommen,
Und daraus will die Freiheit wachsen,
selber – mit Kraft, es dem anderen gut werden zu lassen
– gut zu machen,
Noch bevor der Andere sucht, mich auf den Weg zu machen – zu ihm hin
zu meinem Nächsten
zur Schöpfung hin
zum Fremden hin
Gott schließt niemanden aus
Wieso sollte ich mein Glück nicht teilen?!
Ich habe doch die Freiheit – denn
Gott nahe zu sein ist mein Glück.
Ich habe einen Weihnachtsbrief erhalten
Da schreibt eine ältere Dame:
Ich habe ein Jahr voller schöner Erlebnisse hinter mir
Noch habe ich genügend Kraft, die Chancen aufzugreifen,
auf jeden Fall den Willen dazu.
Das Alter setzt mir Grenzen.
Arthrose im rechten Schultergelenk macht manchen Tag beschwerlich.
Das ist keine Klage
nur eine Erkenntnis.
Jeden Tag nehme ich dankbar an,
setze meinen Fuß behutsam
und freue mich,
das ich dem kleinen, schwachen Kind in der Krippe näher bin als jemals in jungen Jahren,
dem Himmel eben doch näher…
Mit diesem anderen Bezugspunkt
den diese Frau auch kennt
dürfen wir Zweifel überwinden
das alte Jahr hinter uns lassen
und mit ganzer Offenheit dem Neuen begegnen
und da, wo wir es können, von diesem Glück weitersagen
und es anderen eröffnen.
im Persönlichen, im Gesellschaften
im Verantwortlichen Handeln zur Schöpfung hin.
Denn es stimmt
wir können in die Dunkelheit hineingehen
uns der Hand Gottes anvertrauen
Das ist besser als ein Licht
und sicherer als ein bekannter Weg. *
AMEN
* aus der Begrüßung:
Sie kennen vielleicht den Dialog eines chinesischen Christen mit seinem Engel, den wir uns auch immer wieder am Jahresende vor Augen führen: Ich sagte zu dem Engel, der an der Schwelle vom alten zum neuen Jahr stand: Gib mir ein Licht, damit das alte Jahr mich nicht hält, damit ich sicheren Fußes der Ungewissheit entgegen gehen kann. Aber er antwortete: Geh nur hin in die Dunkelheit und leg deine Hand in die Hand Gottes. Das ist besser als ein Licht und sicherer als ein bekannter Weg.