Apostelgeschichte 9, 1-6.8-15

22.08.2010 | 16:37

Klaus-Georg Poehls

Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit er Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt nach Jerusalem führe.
Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Seine Gefährten nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht. Es war aber ein Jünger in Damaskus mit Namen Hananias; dem erschien der Herr und sprach: Hananias! Und er sprach: Hier bin ich, Herr. Der Herr sprach zu ihm: Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Mann mit Namen Saulus von Tarsus. Denn siehe, er betet und hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen mit Namen Hananias, der zu ihm hereinkam und die Hand auf ihn legte, damit er wieder sehend werde. Hananias aber antwortete: Herr, ich habe von vielen gehört über diesen Mann, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat;
und hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle gefangen zu nehmen, die deinen Namen anrufen. Doch der Herr sprach zu ihm: Geh nur hin; denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel.

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.
Liebe Gemeinde,
gestern beim Einschulungsgottesdienst unserer Bugenhagenschule, der unter freiem sonnigem Himmel im Hessepark stattfand, erzählte Kollege Warnke eine wunderschöne Geschichte von lebenden Holzpuppen und ihrem Schöpfer Eli. Und diese Holzpuppen tat nichts anderes als den anderen Sterne oder graue Punkte anzukleben. Genau das tat der liebe Kollege bei einigen der Gottesdienstbesucher auch – immer mit dem seelsorgerlichen Hinweis, es nicht persönlich zu nehmen.

Als er mir einen Stern anheftete nahm ich das natürlich persönlich, und dies erst recht, als er erzählte, die Sterne stünden für besonders tolle Leistungen und die grauen Punkte für alles, was vermasselt wurde.
Ich nahm es dann noch persönlicher, denn meine Frau hatte einen grauen Punkt bekommen. Das wird höchsten noch zwei, drei Jahre zwischen uns stehen, dann ist die Sache erledigt.

Was wirklich bewegend war: neben mir saß eine Frau, ich nehme an die Mutter eines der neuen Schulkinder, die war bewegt. Als sie hörte, der graue Punkt, den sie bekommen hatte, stünde bei den Holzpuppen in der Geschichte für etwas, das nicht gelungen, das nicht gut gemacht worden sei, habe, da war sie sofort in der Geschichte drin und seufzte beim Anblick ihres grauen Punktes: „Natürlich, das war ja klar!“.
Die Geschichte nahm ihren Fortgang: Punchinello, eine der Puppen im Dorf der Wemmicks, so hießen die Puppen, bekam immer nur graue Punkte von den anderen Wemmicks angeheftet, für alles, was er sagte, versuchte, tat. Er war verzweifelt und blickte neidisch auf die, die viele Sterne trugen, und noch mehr, auf ein Mädchen, dass gar keine Aufkleber an sich hatte, denn die hielten bei ihr nicht, fielen einfach ab, wenn andere Wemmicks ihr einen Stern oder einen Punkt anheften wollten.
Sie war anders, hatte einen anderen Weg für sich gefunden. Punchinello fragte sie nach ihrem Geheimnis, damit er auch seine Punkte loswerden konnte, ja damit niemand mehr ihm irgendetwas ansteckte, ihn bewertete.
Das Mädchen riet ihm, zu Eli zu gehen, dem Holzschnitzer. Das tat Punchinello, besuchte Eli in seiner Werkstatt, wurde zu seiner Verblüffung freudig willkommen geheißen und auf seine vielen grauen Punkte gab Eli gar nichts. „Ich habe dich gemacht, Punchinello“, sagte Eli, „du bist einmalig und wichtig für mich. Es wird davon abhängen, was dir wichtiger ist: die Meinung und Beurteilung der anderen, die doch auch nur Wemmicks sind, dann werden dir deine Punkte anhaften, oder das, was ich denke, der ich dich gemacht habe, dann werden die Punkte nicht halten.
Denn die Aufkleber haften nur an dir, wenn sie für dich wichtig sind. Du aber bist für mich wichtig und je mehr du mir vertraust desto weniger werden dir die Aufkleber der anderen bedeuten.“
Punchinello verstand das nicht gleich, und Eli wusste das und riet dem Kleinen, doch immer wieder zu ihm zu kommen. Das wollte Punchinello auch tun, und als er nach Hause ging, und nachdachte, da kam ihm der Gedanke wie tief aus seinem Herzen: „Ich glaube, Eli meint es ernst“ dachte er – und da fiel der erste graue Punkt von ihm ab.
Und dann wurden, die, die einen Aufkleber bekommen hatten, aufgeordert, ihre Aufkleber abzunehmen. Und es war die Erleichterung zu spüren von der Mutter; sie wird gute Gründe haben, ihr Kind auf die Bugenhagenschule zu schicken.
Ich persönlich nahm meinen Stern natürlich mit leichtem Bedauern ab – wieder mal nichts kapiert…

Gestern war die Begeisterung, die Aufbruchstimmung zu spüren: „unsere“ Schule, oder korrekter: die Bugenhagenschule in unserer Gemeinde, geht einen neuen Weg, nimmt die Kinder ganz neu und liebevoll in den Blick und verzichtet darauf, den Kindern etwas aufzukleben, oder anzuheften, sie über Zahlen, Zeichen, Aufkleber zu bewerten.
Ein neuer Weg in der Pädagogik – was für die einen begeisternd daran ist, ist für andere abschreckend. Die Auseinandersetzung vor dem Entscheid über die Schulreform hat das, teils für mich auch bedrückend deutlich gemacht.

Gehen wir mit dieser Idee eines neuen Weges an unseren Predigttext von der Bekehrung des Saulus, der mit seinem römischen Namen Paulus hieß
Da atmet einer Drohung und Gewalt, schnaubt sie aus. Sein Lebensatem ist Vernichtung, was ihn vorantreibt, ihn leben lässt, ihm lebens-notwendig scheint, ist tödliche Gewalt gegen Andersgläubige.
Was macht ihn so? Woher der Zorn, woher der Eifer? Was hat ihn fanatisiert? Was ist so stark, dass es andere, dass es uns heute manchmal mitschnauben und den Fanatismus gegen Andersgläubige zumindest verstehen lässt?

Saulus verfolgt die „Anhänger des neuen Weges“ – eine seltsam schöne aber auch seltsam sektiererisch anmutende Beschreibung der ersten Christen. Es klingt nach Aufbruch, nach Begeisterung, klingt verheißungsvoll und verlockend_ der neue Weg. Aber auch eine Spur von Arroganz alten Wegen gegenüber mag mitzuhören sein, etwas Elitäres, Exklusives.
Dabei haben die Anhänger des neuen Weges erst einmal nicht mehr zu „bieten“ als das, was ihr Name sagt: sie haben einen neuen Weg für sich gefunden, den Weg der Nachfolge Jesu.
Saul weiß von diesem Weg nicht mehr, als dass er abgebogen ist vom alten Weg, dass er selbst nun plötzlich auf einem anderen Weg ist, der für viele nicht mehr gelten soll. Dabei wäre doch nichts zu sagen gegen alte, vertraute und bewährte Wege.
Aber:
Wer immer meint, auf dem rechten Weg zu sein, wer immer denkt, es sei das Leben im vollen Sinn nur auf dem einen, seinem Wege erreichbar, wer immer exklusiv denkt, der kann auf andere, neue Wege nicht ohne Verachtung blicken, und der kann nicht gutheißen, dass andere diese Wege gehen.
„Gott wird zum Gefangenen der Erwählungsvorstellungen derer, die sich für erwählt halten. Er darf nicht sein, was er nach dem Evangelium Jesu Christi ist: unbedingte und unbegrenzte Liebe.“, so hat es Klaus-Peter Jörns einmal gesagt. (K.-P. Jörns, Notwendige Abschiede, 202)

Und wer immer so denkt, der wird es auch nicht für nötig halten, den anderen Weg verstehen zu wollen, der wird nicht das Neue würdigen und schätzen. Im Verhältnis zu anderen Religionen habe ich mittlerweile gelernt, was ich irgendwo gelesen habe: man darf einen anderen Glauben, eine andere Religion, einen anderen Weg erst dann kritisieren, wenn man ihn zugleich verteidigen könnte. Nur wenn wir füreinander eintreten wollen, können und dürfen wir einander in Frage stellen – so denke ich momentan über das Mit-, Neben- und Gegeneinander von verschiedenen Wegen, verschiedenen Religionen auch.

Saulus scheint anders zu denken, und ich kann ihn ansatzweise verstehen, wenn ich an den Schmerz denke, den ich manchmal spüre, wenn über den eigenen Glauben so schlecht geredet wird und so nichtsahnend, nichts würdigend. Dann kann Frust aufkommen, und manchmal auch Zorn, dann klopft fanatisches Denken an die Glaubenstür; dann kann man irgendwann denken: Wer immer den „rechten Weg“ verlässt, der ist ja falsch, verloren, ja mehr noch: der lästert Gott. Die Anhänger des neuen Weges gehören geächtet.

Aber was Lukas in seiner Apostelgeschichte macht, ist für mich bedenkenswert: er lässt Gott eingreifen, jenen Gott, der natürlich Menschen auf dem alten Weg geleitet hat, der Menschen im jüdischen Glauben stark werden ließ und lässt. Der bewahrt nun die Anhänger eines neuen Weges vor Verfolgung.

Der schnaubende, vorangetriebene Saul wird abrupt gestoppt, er kommt zum Stillstand. Mehr noch: er fällt, kann nichts mehr tun, sieht nichts mehr, isst nichts mehr, trinkt nichts mehr, ist drei Tage wie tot.
Lukas beschreibt eine Auferstehungsgeschichte mitten im Leben. Es ist die ganz persönliche Auferstehungsgeschichte des Saul, der nun nicht zum Paulus wird, so hieß er als römischer Bürger schon immer mit seinem zweiten Namen, der vielmehr vom Himmel her in Frage gestellt wird, umhüllt von einem göttlichen Licht in voller Klarheit. „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“

Saul wird gezwungen, über sein selbstgestricktes enges jüdisches Selbstverständnis hinauszublicken und zu erkennen, dass es da einen weiteren göttlichen Weg gibt. Er erfährt himmlische Entgrenzung. Er hört die Anklage der Christusstimme, dass die Anhänger des neuen Weges kriminalisiert werden und mit ihnen Christus selbst. Aus einem Verfolger soll ein Nachfolger werden, ein Nachfolger, der für seine – in großen Anführungszeichen! – „alte“ Religion zu würdigen weiß, für sie eintreten wird, um sie ringt. Und das Ringen scheint mir entscheidend.

Denn Gott legt in einem Menschen nicht einfach einen Schalter um und dann ist er ein für allemal gewandelt, geläutert, gerettet und in unserem Falle ein Tiptop-Christ.
Für Saul gilt: Nachfolge ist allein nicht zu machen und die Erkenntnis göttlicher Wahrheit ist für einen Menschen allein nicht zu bewältigen.
Denn was geschieht? Saul wird nach Damaskus geschickt, hinein in die Gemeinde der ersten Christen. Und in der Gemeinde erfährt er, was für ihn ansteht, was er zu tun hat.
Und es ist ein schlichtes Gemeindeglied, Hananias, der ihn von der Blindheit befreit und ihm sagt, wie es weitergeht. Herrschaftsstrukturen gibt es hier nicht; in seiner Gemeinde, so scheint es Lukas sich vorzustellen, bewegt Jesus sich unter seinesgleichen.
Und hier in der Gemeinde findet Saul neu zu sich selbst. Er betet, sieht wieder klar, er steht auf, isst trinkt, kommt wieder zu Kräften und wird mit seiner Kraft, die ihn vordem noch zu einem Mordwerkzeug hatte werden lassen, nun zu einem Rüstzeug Gottes, zu Gottes Handlanger.
Er hat sein Leben empfangen, muss es nicht mehr – und sei es durch Vernichtung - selbst herstellen.

Er hat Gemeinde gefunden und wird Gemeinde aufbauen; er hat gebetet und wird weiter beten. Denn, so hat es Albert Schweizer einmal gesagt, „Gebete ändern nicht die Welt. Aber Gebete ändern Menschen und Menschen ändern die Welt.“ Saul hat seinen Teil dazu getan. Wir bleiben als Anhänger des neuen Weges aufgefordert, diesen Weg Jesu immer noch als neu zu begreifen und nicht zu denken, wir hätten alles schon erfasst, seien mit unserem Denken und Glauben, unserem Handeln als Gemeinde schon am Ziel. Wir sind auf dem Weg, er bleibt verheißungsvoll und verlockend, auch wenn er steil und steinig sein mag, und so lange wir Menschen mitnehmen, die aufatmen, die erleichtert sind, die sich neu verstehen und neu angesehen fühlen, kann auch dieser neue Weg nicht falsch, ja, es kann nur ein richtiger sein. Amen.

Zurück

Theologin Petra Bahr neu im Deutschen Ethikrat

21.05.2020

Hannover (epd). Die evangelische Theologin und Ethik-Expertin Petra Bahr hat acht Wochen nach dem Beginn der Corona-Krise an die Eigenverantwortung der Menschen appelliert. In der aktuellen Phase der Krise mit vorsichtigeren Lockerungen werde es viel schwieriger, angemessen mit der Bedrohung durch das Coronavirus umzugehen als vorher, sagte die hannoversche Regionalbischöfin am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).

weiter...

Kleine Abendmusik vom Turm

13.05.2020

Unsichtbar, aber voller Kraft: Jeden Mittwoch und Sonntag schallen – seit zwei Wochen schon - nach dem abendlichen Glockengeläut um kurz nach 18 Uhr Trompeten-Choräle aus dem Kirchturm in den Ort hinunter. Der Turmbläser, dessen Musik viele Menschen aus dem Umfeld der Kirche erfreut, möchte ungenannt bleiben. Wir fühlen uns reich beschenkt – und danken ihm herzlich!

Der zentrale ökumenische Gottesdienst zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges

08.05.2020
EKD-Newsletter: Die Aufzeichnung des Ökumenischen Gottesdienstes aus dem  Berliner Dom ist noch in der Mediathek der ARD verfügbar: Am Gottesdienst wirkten der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, sowie der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron, mit.
 
Die Predigt hielten Heinrich Bedford-Strohm und Georg Bätzing gemeinsam. Der Gottesdienst stand unter dem Leitwort „Frieden!“ und fragte nach der Verantwortung, die aus der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vor 75 Jahren heute für ein friedvolles Miteinander erwächst.

Willkommen zurück: Gottesdienst in der Blankeneser Kirche!

07.05.2020

 

So 10. Mai, 10 + 11 Uhr | Kirche | Predigt: Pastor Thomas Warnke
Musik: Kantor Stefan Scharff, Karin Klose, Gesang
Die Kirchengemeinde schreibt: "Wir dürfen wieder Gottesdienst in der Kirche feiern. Und so wagen wir am kommenden Sonntag „Kantate“, dem 10. Mai, einen Neuanfang. Strenge Auflagen sind zu bedenken: Sicherheitsabstände von zwei Metern, Hygiene-Regeln, Masken-Pflicht. Singen ist noch nicht erlaubt, dafür aber Summen – und natürlich musikalische Begleitung durch Orgel und Solisten. Trotzdem wird es ein schöner, ganz besonderer Gottesdienst werden!

weiter...