Christmette - Römer 1, 1-7

24.12.2015 | 01:00

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

vor kurzem bin ich beim Fernsehen an einer Sendung hängengeblieben, die junge Familien begleitet, die ein Kind erwarten. Die sie zur Geburt begleitet ins Krankenhaus, mit Kamera und allem drum und dran.

Auch wenn ich den Reiz nicht nachvollziehen kann, diese intime Situation mit Kameras und Fernsehzuschauern teilen zu wollen, bin ich drangeblieben.

Weil Geburten ein Wunder sind und weil es einfach wunderschön ist, zu sehen, wie ein kleiner Mensch ins Leben kommt. Wie viel Staunen in der Welt ist mit seinem Kommen, wie glücklich, wie dankbar die Eltern sind. Wie ergriffen von der Wucht dieses Geschehens, das ja nicht von ungefähr ein Abenteuer bleibt, trotz hoch entwickelter Medizin, trotz all unserer Fortschritte und Möglichkeiten. Alle, die damit in Berührung kommen, spüren etwas vom Zauber dieses Moments und auch die, die sich nicht für religiös halten, sind davon ergriffen. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass es in Wahrheit Himmelsboten sind, die da zu uns kommen. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass diese Kleinsten noch etwas wissen und mitbringen von ihrer Herkunft und Heimat, die bei Gott ist. Dass sie etwas mitbringen davon in diese Welt, wenn sie geboren werden.

Der Predigttext für die heutige Christmette (Römer1,1-7), den wir vorhin gehört haben, er erzählt nicht von der Christgeburt. Nicht vom Stall und auch nicht von den Engeln. Und doch ist er voll von dem, was an Weihnachten seinen Anfang nahm in einem kleinen Stall in Bethlehem. Ein hoch theologischer Text, Paulus eben, in Reinkultur, und darum nicht so ohne weiteres verständlich. Ich will aus der komplexen Botschaft am Anfang des Römerbriefes nur ein paar Gedankensplitter aufnehmen und sie uns heute Nacht vor Augen malen. Das ist genug. Das reicht.

Paulus, heißt es, berufen zum Apostel, ausgesondert zu predigen das Evangelium Gottes von seinem Sohn Jesus Christus, der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch, und nach dem Geist, eingesetzt als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten. Durch ihn haben wir empfangen Gnade, den Gehorsam des Glaubens aufzurichten unter allen Heiden, zu denen auch ihr gehört, die ihr berufen seid von Jesus Christus.

Paulus spricht von dem, dessen Geburt wir gerade feiern, von Jesus von Nazareth, dem Christus der Welt, nur von der anderen Seite her, von der Auferstehung her. Von Ostern her spricht er von dem, der wie kein anderer den Himmel mit der Erde verbunden hat in seiner Person, wahrer Mensch und wahrer Gott. Ganz von hier und ganz von dort. Geboren aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch und zugleich nach dem Geist Gottes. Von dem, der Gott in diese Welt gebracht hat, den fernen Gott über den Wolken nah herangeholt hat, von Anfang an und Zeit seines Lebens und sogar noch darüber hinaus. In ihm und an ihm haben wir Gott am Werk sehen können. Durch ihn haben wir ein Bild von Gott, das wir begreifen, das wir lesen können, wenn wir Augen haben, es zu sehen. So wie dieser Jesus von Nazareth gelebt, geredet und gehandelt hat, wurde Gott für uns Menschen sichtbar; sein Blick auf diese Welt, seine Sicht der Dinge, seine Liebe in Wort und Tat. Davon spricht Paulus. Heute, am Tag seiner Geburt.

Ich habe den Hebammen im Fernsehen so gern bei ihrer Arbeit zugesehen. Weil diese Frauen wissen, dass sie einem Wunder assistieren. Begreifen, dass ihr Dienst Mitarbeit an etwas Größerem ist, wie der eines jeden Menschen, den Gott berufen hat.

Weil sie wissen, dass niemand hier in der Hand hat, was passiert, dass sich das Eigentliche der Geburt unserem Zugriff letztlich entzieht.  

Trotz allem, was Menschen wissen können und müssen von dem, was unter der Geburt geschieht und geschehen kann.

Wie wir, wenn wir Gott am Werk sehen und staunen, ohne ihn dingfest machen zu können.

Hebammen sind Frauen, die zupacken können, wo es nötig ist und zurücktreten und im Hintergrund bleiben, wo es alleine voran geht. Sie unterstützen wo es Not tut, sie machen Mut, wo Kraft nicht mehr auszureichen scheint und  Frauen an ihre Grenzen kommen. Sie mindern Angst durch Nähe und Erfahrung, sie lindern Schmerz durch Wissen und Mitgefühl. Sie helfen durchstehen, weitermachen, wenn alles „ich kann nicht mehr“ ruft. Sie kennen den Weg und wissen doch genau, dass eine jede ihn selbst gehen muss und gehen wird. Sie bringen das Kind nicht selbst zur Welt, sie wissen, sie assistieren nur einem Wunder!

 

Wie wir, wenn wir uns -wie Paulus- das Evangelium, die gute Nachricht Gottes , weitersagen sollen, ganz, mit Leib und Seele und all unseren Möglichkeiten, damit sie in dieser Welt ankommt. Dem nach, der sie uns vorgelebt und ins Herz geschrieben hat. Dem nach, der uns angesteckt hat mit der unbeirrbaren, trotzigen Hoffnung, dass Gott die nicht aufgibt, die er liebt. Dem nach, der uns gezeigt hat, wie die Liebe seines Vaters in diese Welt einzieht, wie Friede wird, wie Gerechtigkeit geht. Dem nach, der auch uns zu Geschwistern untereinander und zu Kindern dieses Gottes gemacht hat, von dieser Welt und gleichzeitig vom Himmel hoch.

 Wie wäre es, wir würden uns wie diese Frauen, verstehen als Geburtshelfer, Geburtshelfer Gottes. Als solche, die dem Wunder assistieren, wenn seine Liebe, seine Kraft, seine Möglichkeiten zur Welt kommen. Als solche, die zupacken, wo es nötig ist und zurücktreten und im Hintergrund bleiben, wo die Geburt wie von selbst vorangeht . Als solche, die Mut machen, wo Menschen nicht mehr daran glauben, dass Gott noch jemals in ihrer kleinen Welt zur Welt kommen wird. Die durchhalten helfen, wo anderen die Kraft ausgeht und die Hoffnung auch. Als solche, die mit Schmerzen umzugehen wissen und sie lindern können; nicht wegnehmen, aber lindern. Als solche, die die Krisen der Geburt Gottes in dieses Leben hinein durchstehen helfen. Als solche, die wissen, wie s geht und gleichzeitig wissen, das jede Geburt anders ist, einzig. Die wissen; wir assistieren nur dem Wunder, das hier mitten unter uns Wirklichkeit wird. Nicht mehr, nicht weniger.

Zwei solcher Geburtshelfer Gottes möchte ich ihnen vorstellen. Zwei Lebensgeschichten, in denen Gott zur Welt kommt, hier in diese Welt hinein. So wie sie ist. So wie sie Gott nötig hat und seine Möglichkeiten, damit Leben gelingt.

Die eine spielt in Pälestina und der Film : Das Herz von Jenin erzählt sie. Er erzählt von einer palästinensischen Familie, deren Sohn während des Bürgerkrieges mit dem Israelis schwer verletzt wird.

Als er ins Koma fällt und die Ärzte nichts mehr tun können als seinen Hirntod fest zu stellen, bitten sie die Eltern um die Organe ihres Sohnes. Er wird sterben, aber andere Menschen, die dringend auf lebensnotwendige Organe warten, könnten leben durch ihn.

Was für eine furchtbare Situation.

Und diese Eltern entscheiden sich noch dort im Krankenhaus dafür. Dafür, nicht noch mehr Hass in diese Welt zu bringen, den Kreislauf der Gewalt, der auch in ihren Herzen Nahrung gefunden hatte, nicht weiter anzuheizen, sondern ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen, das heißt : es ist genug. Nicht noch mehr sinnloses Leid, keine weiteren Opfer mehr. Nicht durch uns. Es ist genug. Noch am Sterbebett ihres Sohnes haben sie sich entschieden, seine Organe freizugeben.

Noch während sie Abschied nehmen mussten, wollten sie, dass andere noch ein Leben vor sich haben sollen.

Sie wussten, es könnten auch israelische Kinder sein, die durch diese Spende wieder sehen konnten, ohne Dialyse ein fast normales Leben führen. Ein israelischer Junge, der im Sterben lag, bekam schließlich das Herz von Jenin und hat dadurch überlebt.

Als Jenin starb, wurde Gott geboren. Mitten im Krieg. Mitten im Hass. Mitten hinein in diese Spirale von Gewalt. Da ist Gott auf die Welt gekommen und diese Eltern waren inmitten ihrer Trauer ein Zeichen der Auferstehung, ein lebendiges Symbol der Versöhnung, eines neuen Anfangs. Sie haben sich der Bitterkeit und der Verzweiflung in ihrem Herzen gestellt und einen anderen Weg gewählt als den, der nahe liegt.

Sie waren Geburtshelfer Gottes. Als zutiefst Trauernde haben sie ihm auf die Welt geholfen. Das geht nur, weil er längst in ihnen gelebt hat.

Und ich denke an einen anderen kleinen großen Geburtshelfer und berufenen Apostel, der das Evangelium von Jesus Christus weitergesagt hat. Der genug Glauben, Mumm und Zuversicht hatte, um seiner Mutter auf den Weg der Versöhnung zu helfen, als die ihn nicht finden konnte.

Sie hatte sich mit ihren Eltern hoffnungslos überworfen. Seit Jahren Funkstille. Kein Wort, keine Geste, nichts konnte die Mauer durchdringen, hinter der beide Seiten sich verschanzt hatten. Schuld waren natürlich immer die anderen . Schon bald nicht mehr wahr, worum es ging. Aber verletzlich verletzend aufgehoben für alle Ewigkeit. Kein Pardon, für beide Seiten. Bitter geworden darüber, beide Seiten, angefressen im Herzen von dem, was sie nicht verstehen und nicht ändern zu können glaubten. Beide immer wieder auch angefasst von Sehnsucht nach den Zeiten, in denen es anders war. Da erfährt die Tochter, dass die Mutter operiert werden muss. Es ist ein großer Eingriff und die Tante nimmt Kontakt mit der Tochter auf. „Geh hin“, sagt sie. „Ihr seid beide solche Dickköpfe. Beide so verbohrt. Vielleicht wirst du es bereuen, wenn du nicht gehst. Und dein Vater. Er braucht dich. Er schafft das nicht allein. Er braucht jemanden. Geh hin!“

Sie will nicht. Sie kann nicht. Zuviel, das geschehen ist. Zuviel, dass sie sich gegenseitig vorgeworden haben und noch immer vorwerfen. Sie kann nicht.

Bis ihr Sohn sich vor ihr aufbaut und ihr sagt : „Würdest du auch bei mir nicht über deinen Schatten springen? Würdest du auch mich nicht mehr sehen wollen, wenn wir uns einmal so zerstreiten sollten ? Ich glaub das nicht, Mama. Das bist du nicht. Geh hin, regel das, was immer vorgefallen ist. Mach den ersten Schritt. Hast du mir immer gesagt . Tu es selbst.“

Und sie geht ins Krankenhaus, ohne recht zu wissen, was sie sagen, was sie tun soll. Als sie auf die Station kommt, ist ihre Mutter gerade im OP und er Vater sitzt verloren an ihrem Bett und wartet.

Er hat Angst. Sie kann es fühlen. Wie sie ihn so am Bett sitzen sieht, muss sie an all die Male denken, als er sich zu ihr gesetzt hat, wenn es ihr nicht gut ging. Sich einfach ohne große Worte zu ihr gesetzt hat, einfach ihre Hand nahm, sie drückte und sagte : „Das wird. Glaub mir!“

Und auch wenn nicht alles wurde, auch wenn manches ganz anders wurde als erhofft und erwartet, ihr hatte es geholfen und sie fühlte sich geborgen in seiner Nähe.

Und deshalb ging sie leise zu ihm hin, setzte sich neben ihn und legte eine Hand auf seine Schulter. „Das wird, Papa, glaub mit“, sagte sie.

Mehr nicht. Und er : „Ich hab solche Angst um sie!“ Mehr nicht.

Es war ein Anfang. Mehr nicht. Der aber war gemacht.

Ihre Mutter hat den Eingriff gut überstanden und sich wider Erwarten gut erholt. Sie haben noch Zeit gehabt miteinander. Sie konnten noch manches klären, bevor es wirklich um Abschied nehmen ging. Vor allem aber haben sie das Herz wieder aufmachen können für einander. Sie konnten die Liebe wieder sehen, die trotz all den Verletzungen, trotz der Wut und auch der Enttäuschung lebendig geblieben war und auf Antwort wartete. In dieser kleinen Geste und in diesem großen Schritt über den eigenen Schatten ist Gottes Sohn zur Welt gekommen. Und Ben ,ihr kleiner großer Sohn, hat seiner Geburt assistiert. Manchmal braucht es nicht mehr. Das aber braucht es manchmal sehr.

Heute feiern wir, dass in dem kleinen Kind von Bethlehem Gott selbst die Kleider dieser Welt angezogen und seine Gnade unter uns zur Welt gebracht hat. Die Liebe, die wir brauchen, die Kraft zur Versöhnung, die wir allein nicht hinkriegen und der Mut zum Frieden, den unsere Welt so bitter nötig hat, mit der Geburt seines Sohnes  zieht Gnade bei uns ein. Gott lässt es Weihnachten werden für uns und alle Welt. Und wenn wir uns rufen lassen, dann assistieren auch wir diesem Wunder. Amen.

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