Christvesper: Jer 29, 11

24.12.2016 | 11:00

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater!

"Hin zu Dir", so sangen wir – denn mit Jesus und der Krippe fängt alles an. Und wer dahin kommt, sich hineinbegibt in das Bild vom Kind in der Krippe, der kommt in die Stille. Das Kind sagt nichts, kann nichts sagen. Es ist unseren Blicken, ist uns ausgeliefert. Wir sind es, die über sein Ergehen entscheiden. Wir können es übersehen, verkitschen, sogar später ans Kreuz liefern. Aber noch ist alles still und noch ist dieses Kind ein Gedanke Gottes, der hörbar und sichtbar werden will.

Tief verborgen sind sie oft, fast scheint es manchmal unmöglich, sie freizulegen. Zu viel liegt auf ihnen, zuviel gilt es aufzureißen, weg zu schaffen. Und so sehr ich von außen überfahren, übertönt, überwältigt werde von schlimmen Nachrichten, vom Terror, von dem Getöse derer, die sofort wissen, wer schuldig und was nun zu tun ist; so sehr bin ich doch auf mich gewiesen, auf meine Angst, meine Resignation.

So lange schon feiern wir ein Friedensgebet der Religionen, über 20 Jahre, und es kommen nicht mehr Menschen, es sind immer die gleichen, vielleicht werden es sogar weniger. Und immer schwerer wird es, die Menschen zu gewinnen für ein Miteinander der Religionen, für ein Kennenlernen, gar für ein gemeinsames Feiern. So scheint es mir.

Und wenn es keinen Frieden auf der Welt gibt ohne Friede unter den Religionen, und wenn es keinen Frieden unter den Religionen gibt ohne einen Dialog der Menschen unterschiedlichen Glaubens, dann ist die Sache des Friedens hier schon auf dem Spiel und gefährdet, hier schon, in einem Land, in einer Stadt, wo Friede doch herrscht – wenn wir denn dieses im Großen und Ganzen "Gewaltfreie", dieses im Großen und Ganzen "Rechtmäßige", dieses im Großen und Ganzen "Nebeneinanderliche" Frieden nennen wollen. Ist es das aber? Soll das schon reichen? Haben wir keinen größeren und schöneren Traum für uns, für unsere Welt? I’m dreaming of a white Christmas?

Groß sind die eigenen Fragen danach, ob denn die Theologie hergibt, was mein Glaube mir zur Pflicht macht, ob die Fragen nach der Wahrheit der eigenen und der anderen Religionen sich nicht aufheben in ein unverbindliches "Irgendwie glauben wir doch alle, weil da irgendwie eine Kraft ist!" – was ich kaum hören kann, dieses Irgendwie – zu dem ich aber vielleicht doch irgendwie beitrage? Und weitere Fragen häufen sich, weitere Zweifel melden sich, weitere Nachrichten vom Vorrücken der Strammen, der Fundamentalen, der Rechtgläubigen, der wahren Vertreter der Wahrheit, der Guten, der Gotteskämpfer, der Anständigen kleben sich zusammen.

Mein Gott, wie schwer wird es wohl erst denen gemacht, die Frieden wollen, wo wirklich Krieg ist, wo Hass sich austobt? Hass hat sich losgerissen wie ein Kettenhund. Unser Hass muss streng angeleint bleiben.

Ganz tief verborgen unter alldem liegen Gottes Gedanken des Friedens. Gedanken nur, die manchmal so schnell weg geweht, die so leicht sind unter all dem Schweren, dass sie fast schon zerbrochen scheinen. Und manchmal weiß wohl nur noch Gott selbst von ihnen, kein Mensch scheint sie mehr zu kennen, zu beachten. Niemand mehr da, der seine Hoffnung setzt auf sie?

"Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung."

Ohne es begründen zu können, ohne irgendeinen Beweis, teilt sich mir hier Gott selbst mit, "spricht" zu mir. Und es vertraut sich der unendliche große Gott, der Gott Abrahams, der Gott des jüdischen Volkes und auch der Muslime und auch der Christen, den Menschen an – mit seinen Gedanken des Friedens, die Hoffnung wirken und Zukunft eröffnen wollen. Sie sind da, sie sind in dieser Welt, sind für uns zur Welt gekommen im Kind von Bethlehem – genau so still, genau so schön, genau so zart und zerbrechlich.

Das Weihnachtsevangelium, das wir hörten, ist zuallererst nicht Religion noch Konfession, sondern es ist Gottes Liebe in dieser Welt. Das Leben und Feiern dieser Liebe wird seine Formen finden, wird religiöses Leben bedeuten, so wie jetzt,  – aber Religion darf sich nicht über diese Liebe erheben, darf sie nicht für sich beanspruchen und somit gefangen nehmen wollen.

"Weihnachten. Das Fest der Liebe seit Jahrhunderten" las ich kürzlich am Geschenke-Einwicklel-Tisch eines Kaufhauses. Wie doof in jenem Kontext. Wie wahr und wie schwer, wenn wir Liebe ernst nehmen und hinunterdeklinieren wollen in unsere Gedanken, unsere Worte, unsere Taten.

Gott hat uns seine Gedanken anvertraut, ja, er hat einen jeden von uns zu einem seiner guten Gedanken geschaffen. Was bewirken aber Gedanken gegen Realitäten? Sie verändern sie. So wie ein Gedanke nur an die Menschen, die ich liebe, mich lächeln machen, meine Haltung ändern kann, so kann ein jeder Gedanke Gottes eine Hoffnung mehr in diese Welt setzen und einen Tag mehr Zukunft eröffnen. Denn jede neue Hoffnung gibt einen Menschen weniger auf; und jeder Tag mehr hilft Zukunft bauen.

"Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung."

Im September 1993 tagte in Chicago das Parlament der Weltreligionen. Vertreter aller Religionen unterschrieben eine von Hans Küng verfasste Erklärung zum Weltethos. Der Dalai Lama war der erste, der unterschrieb.
Darin heißt es – und eine jede und ein jeder mag das eigene Ja oder Nein hinter die folgenden Sätze setzen:

"Wir sind Frauen und Männer, welche sich zu den Geboten und Praktiken der Religionen der Welt bekennen:
Wir bekräftigen, dass sich in den Lehren der Religionen ein gemeinsamer Bestand von Kernwerten findet und dass diese die Grundlage für ein Weltethos bilden.
Wir bekräftigen, dass diese Wahrheit bereits bekannt ist, aber noch mit Herz und Tat gelebt werden muss …

Wir erklären:

Wir sind alle voneinander abhängig. … Deshalb haben wir Achtung vor der Gemeinschaft der Lebewesen, der Menschen, Tiere und Pflanzen, und haben Sorge für die Erhaltung der Erde, der Luft, des Wassers und des Bodens. …

Wir müssen andere behandeln, wie wir von anderen behandelt werden wollen. Wir verpflichten uns, Leben und Würde, Individualität und Verschiedenheit zu achten, so dass jede Person menschlich behandelt wird …. Wir müssen fähig sein zu vergeben, indem wir von der Vergangenheit lernen, aber es niemals zulassen, dass wir selber Gefangene der Erinnerungen des Hasses bleiben. Indem wir unsere Herzen einander öffnen, müssen wir … eine Kultur der Solidarität und gegenseitigen Verbundenheit praktizieren.

Wir betrachten die Menschheit als unsere Familie. Wir müssen danach streben, freundlich und großzügig zu sein. Wir dürfen nicht allein für uns selber leben, müssen vielmehr auch anderen dienen und niemals die Kinder, die Alten, die Armen, die Leidenden, die Behinderten, die Flüchtlinge und die Einsamen vergessen. …

Wir verpflichten uns auf eine Kultur der Gewaltlosigkeit, des Respekts, der Gerechtigkeit und des Friedens. …

Ohne Risiko und ohne Opferbereitschaft kann es keine grundlegende Veränderung in unserer Situation geben. Deshalb verpflichten wir uns auf dieses Weltethos, auf Verständnis füreinander und auf sozialverträgliche, friedensfördernde und naturfreundliche Lebensformen.

Wir laden alle Menschen, ob religiös oder nicht, dazu ein, dasselbe zu tun."

Diese, Ihre und Eure Gemeinde ist eine Weltethosgemeinde, versucht, der Einladung nachzukommen. Wir versuchen gastfreundlich zu sein, laden selbst ein: zu interreligiösen Friedensgebeten, beten in unseren Gottesdiensten für die Juden, Muslime und Menschen anderer Religionen in unserer Stadt, laden sie ein zu gemeinsamen Feiern, gemeinsamen Essen, haben eine Flüchtlingsberatung, bieten Menschen Schutz vor Abschiebung im sog. Kirchenasyl, geben Obdachlosen ein Obdach in unseren beiden Kirchenkaten, haben eine AG Weltethos, einen Verein "Initiative Weltethos", in dem auch – nur – ein Bahai, ein Jude, ein Muslim, bald eine Hindu und ein Buddhist sind. Kurz: wir versuchen, dem Juden Jesus in seiner Gottesliebe und Menschenliebe Raum zu geben und deshalb über Grenzen hinauszugehen, die uns eigentlich durch unsere kirchlichen Lehren und Traditionen gesteckt sind – aber mit Gott können wir doch über Mauern springen, wie der Psalmist sagt. Das reicht aber nicht, geschieht im kleinen Rahmen. Wir brauchen einen Ruck: intra-religös, aber vor allem inter-religös. Hat da schon jemand gezuckt? Wir müssen unseren Einsatz erhöhen um 100%! Also zweimal im Jahr in die Kirche, so wie jetzt, sehr schön und dann noch einmal zum Friedensgebet der Religionen im November! Das Wissen von anderen Religionen so vertiefen, dass ich in der Lage bin, sie vor Verunglimpfungen in Schutz zu nehmen! Dem eigenen Glauben nachspüren! Tätig werden, mitmachen! Das Trotzdem groß machen und aus ihm heraus leben!

Das geht nicht ohne Hoffnung. Und die ist weihnachtlich. Sie ist zur Welt gekommen; das Kind in der Krippe ist das menschgewordene Wort Gottes. Ein stilles Wort. Es liegt an uns, es groß werden zu lassen. Wir lassen sie gelten, die guten Gedanken Gottes. Sie machen mutig. "Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung." Amen.

 

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