Die Speisung der 5000

03.03.2013 | 01:00

Ulrike Drechsler

Liebe Gemeinde,

Die eben gelesene Wundergeschichte der Speisung der 5000 ist vielen von Ihnen sicherlich vertraut. Ich zumindest kenne diese Geschichte schon aus dem Kindergottesdienst. Als wissenschaftlich interessiertes Kind habe ich mich damals gefragt, wie Jesus es wohl angestellt hat, fünf Brote und zwei Fische in so kleine Teile zu brechen, dass 5000 Menschen davon satt wurden und am Ende sogar noch einiges übrig blieb. Eine sachliche Erklärung gab es für dieses Tun natürlich nicht. Dass es so geschehen konnte, war eben ein Wunder Jesu.

Johannes spricht in seinem Text nicht davon, dass Jesus ein Wunder gewirkt habe, er sagt, Jesus habe ein Zeichen getan. Ein Zeichen wird beschrieben als etwas, das auf etwas anderes hinweist, ein Symbol, das mit einer festgelegten Bedeutung verknüpft ist.

Ich möchte Sie einladen, mit mir in diesem Johannestext nach solchen Zeichen Ausschau zu halten. Die Erzählung beginnt damit, dass Jesus und seine Jünger sich auf einen Berg zurückziehen wollten. Sie waren in den Tagen davor durch Galiläa gezogen und Jesus hatte gepredigt, sich um notleidende Menschen gekümmert und Kranke geheilt.

So etwas sprach sich schnell herum und die Leute begannen, mit ihnen zu ziehen. Dabei war es sicherlich nicht nur die Neugier, die sie Jesus folgen ließ. Es waren Menschen, die selber in Nöten waren, die sich in bedrängenden Lebenssituationen befanden. Die meisten von ihnen hatten wohl die Hoffnung, dass der Meister sich auch ihnen persönlich zuwenden möge, um die eigene Not zu lindern, um Antworten auf ihre brennenden Lebensfragen zu bekommen.

Johannes ist es gleich am Anfang seiner Geschichte wichtig, die Nähe des Geschehens auf dem Berg zu dem Pessachfest zu erwähnen.

Dieses jüdische Fest erinnert an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten und aus der Sklaverei. Auf ihrem Weg durch die Wüste litten die Menschen an Hunger und Durst. Als sie murrten und mit ihrem Schicksal und auch mit ihrem Gott haderten, schickte Gott ihnen an jedem Morgen Manna, das Brot des Himmels, das sie sammeln sollten, um sich satt zu essen.

Doch: es sollte nur so viel gesammelt werden, wie jeder/jede für sich brauchte, einen Krug pro Person. Einige sammelten weniger, andere sammelten sehr viel mehr, um es zu horten. Aber am Ende des Tages hatten alle das gleiche Maß an Essen: die nicht ganz vollen Krüge waren aufgefüllt und die übervollen Krüge waren auch nur bis zum Rand voll, denn alles Darüberhinausgehende war verdorben.

Gott machte damit seinem Volk deutlich: auch wenn ihr murrt und zweifelt, lasse ich euch nicht im Stich. Alles, was ihr zum Leben braucht, bekommt ihr von mir. Jeden Tag aufs Neue und vor allem so viel ihr braucht.

 

„So viel du brauchst“, ist die Losung des Kirchentages im Mai hier in Hamburg und hat in dieser Erzählung vom Himmlischen Brot ihre Wurzeln. Als ich die Losung nur flüchtig wahrnahm dachte ich: was für ein tolles Motto, da wird mir versprochen, das ich so viel haben kann, wie ich brauche. Vielleicht auch endlich einmal so viel, wie ich mir immer schon gewünscht habe.

Aber dann begann der Satz in mir zu kreisen: so viel du brauchst. Wie soll ich diese paar Worte verstehen:
in jeden Fall und immer so viel, wie ich brauche,
oder so viel wie ich brauche, ohne den anderen dabei im Blick zu haben,
oder nur so viel, wie ich wirklich brauche?
Weiß ich denn immer so genau, was und wie viel ich brauche?

Mir fiel eine Freundin ein, die ich bislang immer etwas beneidet hatte. Sie lebt in einem riesigen Haus mit einem noch größeren Garten. So einen großen Garten, hatte ich mir immer vorgestellt, hätte ich auch ganz gern. Dann könnte ich mich als Gärtnerin endlich einmal so richtig entfalten. Was könnte ich dann für herrliche Blumen pflanzen, Beete anlegen, einen Teich gestalten und vieles andere mehr.

Andererseits: ich bin oft unterwegs, abends auf Sitzungen, an den Wochenenden zu Seminaren, bei Freunden und Verwandten. Wer kümmert sich dann um den Garten, würde nicht alles verderben, wenn ich keine Zeit hätte zum gießen und jäten? Vielleicht sollte ich doch lieber bei meinem Mini-Garten bleiben, ein kleiner, strapazierfähiger Rasen, der nur selten gemäht werden muß, ein paar Beete mit trockenheitsleibenden Blumen. Das reicht mir doch, das ist doch ganz genau so viel wie ich brauche.

„so viel du brauchst“ hat sich wie ein Ohrwurm in meinem Kopf festgesetzt, begleitet mich durch den Tag und beginnt immer weiter zu wirken. Beim Einkaufen z.B. kommt es jetzt öfter vor, dass ich nicht mehr so unbedarft meinen Einkaufswagen vollpacke. Bei dem einen oder anderen Artikel entscheide ich mich auch schon einmal ganz bewußt, ihn nicht zu nehmen, weil ich ihn gerade jetzt doch nicht so dringend brauche. Und dann wandert er auch wieder zurück ins Regal.

Das ist ein noch etwas fremdes, aber stellenweise auch befreiendes Gefühl. Wir alle kennen das: wenn an der Ladentheke etwas auszuwiegen ist, wird man manchmal gefragt: darf es auch etwas mehr sein? Wie würde es wohl klingen, wenn gefragt würde: darf es auch etwas weniger sein? Einkaufsfasten, das ist in diesem Jahr mein Weg durch „7 Wochen anders leben“.

So viel du brauchst, darum geht es ja auch in der Geschichte bei Johannes. Dabei sieht es am Anfang so aus, als würden nicht alle das bekommen können, was sie brauchten, vor allem nicht in der ausreichenden Menge. Die vielen Menschen, die Jesus schon seit Tagen gefolgt waren, hatten sich ebenfalls auf dem Berg versammelt und warteten sicherlich gespannt daruf, was nun wohl passieren würde. Viele von ihnen hatten vielleicht spontan alles stehen und liegen lassen, um dem Mann, der so aufsehenerregende Dinge tat, zu folgen. Die meisten hatten wohl auch lange nichts mehr gegessen und waren hungrig. Hunger war in der damaligen Zeit ein alles  bestimmendes Problem.

Jesus war sich dieser Not der ihm nachfolgenden Menge bewußt und somit war es für ihn wichtig, die Menschen mit Essen zu versorgen, damit sie satt wurden. Geld, um Lebensmittel zu kaufen, hatten die Jünger nicht. All ihre Barschaft belief sich gerade einmal auf 200 Denare. Mit 200 Denaren konnte man zur damaligen Zeit zwar das Existenzminimum einer Familie sichern, aber für die Versorgung von 5000 Leuten mit Essen reichte das nicht.

Es wird berichtet, dass Jesus seinen Jünger Philippus auf die Probe stellte, als er ihn um Rat für die Versorgung so vieler Menschen bat. Die Jünger hatten ja in der jüngsten Vergangenheit miterlebt, wie Jesus auf wundersame Weise immer wieder Wege fand, die Not der Menschen zu lindern. Sie hätten natürlich auch in diesem Fall darauf vertrauen können, das Jesus schon eine Lösung finden würde. Aber Philippus jammerte nur, dass das Geld nicht reichte.

Die Lösung brachte schließlich ein Kind, das 5 Gerstenbrote und 2 Fische zu verkaufen hatte. Kinder wurden damals nicht hoch geachtet. Sie mussten entweder durch harte Arbeit das Überleben der Familie mit sichern oder sie wurden als Sklaven verkauft, damit ein Esser weniger die Familie entlastete. Johannes macht mit der Erwähnung des Kindes etwas ganz Wesentliches deutlich: Jesus wendet sich den Kleinen, den Geringsten zu. Gerade die, die ganz unten auf der sozialen Leiter stehen, die sich am Rande der Gesellschaft befinden, gerade diese Menschen hat er im Blick, nimmt sie ernst und bringt ihnen Wertschätzung entgegen.

Und Jesus schätzt auch die Gaben dieser Geringsten. Das Kind bringt kein kostbares Weizenbrot, sondern nur ganz einfaches, alltägliches Gerstenbrot. Diese eher unscheinbare Gabe macht Jesus groß und wertvoll, indem er sie segnet und teilt. Er macht aus dem wenigen, aus dem einfachen so viel, dass alle etwas davon haben, dass alle davon satt werden können.

Die Erzählung geht damit weiter, dass die Menschenmenge sich auf dem Gras einer großen Weidefläche niederließ. Das grüne Gras wird zum Symbol für Nahrung, die wächst, für Leben, das erhalten wird. Und es verweist auf Psalm 23. Dort heißt es: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf grüner Aue und führet mich zum frischen Wasser.  Für den Beter des Psalms ist ganz klar: alles was er zum Leben braucht, bekommt er von Gott. Er benutzt hier das Bild des Hirten, dessen Aufgabe es ist, für seine Schafe immer nur die besten Weidegründe mit dem frischesten Wasser zu suchen. In diesem Zusammenhang können wir Jesus als diesen Hirten erkennen, der die Menge auf einer grünen Aue lagern ließ.

Als die Menschen sich gesetzt hatten, brach Jesu nach dem Dankgebet die Brote, zerteilte die Fische und ließ alles an die Wartenden verteilen, so viel wie jeder brauchte. Warum aus diesen fünf Broten und zwei Fischen so viel Nahrung wurde, dass alle genug bekamen, wird nicht berichtet. Johannes kommt es nicht auf die Erklärung dieses wundersamen Tuns an, ihm ist wichtiger, darin das Zeichen zu sehen, das Jesus damit setzen wollte.

 

Jesus macht mit dieser wundersamen Sättigung der großen Menschenmenge deutlich, dass alles, was wir zum satt werden von Leib und Seele brauchen, von ihm kommt. Und so ist es auch einleuchtend, dass Jesus in einem nachfolgenden Kapitel im Johannesevangelium zu seinen Jüngern sagt: Ich bin das Brot des Lebens, wer zu mir kommt, den wird nicht hungern und wer an mich glaubt, wird nimmermehr dürsten.  

Diese Zusage, so finde ich, gilt auch für uns heute noch: wenn wir an ihn glauben und unsere Herzen von ihm berühren lassen, dann sättigt er unsere Seele mit diesem Manna, mit Himmelsbrot und füllt unsere Hände mit allem, was wir zum Leben benötigen.

Diese Zusage beinhaltet für mich persönlich auch Folgendes:

Manchmal denke ich, das Leben hat mir wieder einmal nur Gerstenbrote zu bieten, weil es z.B. gerade nicht so gut läuft im Job, weil in meinen Beziehungen die Langeweile des Alltags sich breit gemacht hat, weil keine spektakulären Ereignisse meinen Kalender füllen. Dann kann Jesus mich darin bestärken, auch einmal eine Zeit dieses Wenige und Langweilige auszuhalten, es mit liebevollem Blick zu betrachten und zu schauen, wie ich auch davon satt und zufrieden werden kann.

Manchmal denke ich aber auch, ich habe dem Leben gerade nur Gerstenbrote zu bieten, weil meine Fähigkeiten mir klein und unbedeutend erscheinen, weil ich in das Miteinander mit anderen nur Weniges und Belangloses einbringen kann. Dann kann Jesus mir Mut machen, gerade dieses Wenige und Bedeutungslose unter seinen Segen zu stellen und es beherzt mit anderen zu teilen. Dadurch kann auch das Kleine und Unscheinbare in mir groß und kostbar werden und mein Leben reicher machen.

Mit sehr schönen, schlichten Worten fast dies ein alter irischer Segensspruch zusammen:
Mögest du die kleinen Wegweiser des Tages nie übersehen:
den Tau auf den Grasspitzen,
den Sonnenschein auf deiner Tür,
die Regentropfen im Blumenbeet,
das behagliche Buckel der Katze,
das Wiederkäuen der Kuh,
das Lachen aus Kinderkehlen,
die schwielige Hand des Nachbarn, der dir einen Gruß über die Hecke schickt.   
Möge dein Tag durch die vielen kleinen Dinge groß werden.

So groß, wie jeder von uns es braucht.

Amen

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