Ewigkeitssonntag 2015 - Offenbarung 21, 1ff

25.11.2015 | 20:02

Liebe Gemeinde,

„wie eine verlassene Hülle, so kam er mir vor, der Körper meines Vaters“, hat mir ein Sohn in einem Trauergespräch einmal erzählt von dem Moment, als sein Vater starb.

„Als wäre er einfach aus diesem Kokon herausgegangen, weg, anderswohin und hätte seine Hülle hier bei uns zurückgelassen.“

Dieser Sohn hatte seinen Vater über längere Zeit begleitet auf dem letzten Stück seines Weges. Er konnte, er musste zusehen, wie der Vater immer weniger wurde, wie der, zu dem er immer aufgesehen hatte als kleiner Junge, der ihm so groß, so allmächtig, so stark erschienen war, nun auf einmal so zerbrechlich, so schwach, so klein wurde, so angewiesen auf Hilfe und seinem Körper so ausgeliefert.

In seiner Sterbestunde hat er so etwas miterlebt wie eine Metamorphose, eine Art Verwandlung. Er hatte die Hinfälligkeit, die Schmerzen erlebt, das Langsamer-werden des Atems und auf einmal diese unglaubliche Stille und dann –wie er es sagte- eine Art Einwilligung, tiefen Frieden, der im Raum war.

Er hat eben nicht erlebt, dass alles zu Ende war, sondern das eins zu Ende war und ganz offensichtlich etwas Neues begonnen hat.

Er hat so deutlich gespürt, dass mit dem Tod das Schwere, das Lastende vorbei war. „Als wäre er von hier weggegangen, anderswohin, und hätte uns nur seine Hülle zurückgelassen. Und ich wusste: das ist er nicht mehr.“

Diesen Mann hat die Todesstunde seines Vaters lange beschäftigt und tief getröstet. Nicht nur, weil er dabei sein durfte als sein Vater starb, nicht nur, weil er noch Abschied nehmen konnte von ihm, für ihn da sein, sondern weil er Erlösung erlebt hat, Frieden, Leichtigkeit nach all der Schwere der letzten Monate. Er war zutiefst gewiss: er ist weitergegangen. Dies hier war nur der erste Teil.

"Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“.

So heißt es im Predigttext für den heutigen Sonntag aus der Offenbarung der Johannes im 21.Kapitel,1ff.

Was für eine Vision des kommenden Reiches Gottes. Was für ein Bild angesichts von Tod, von Leid, von verzweifelten Fragen, von Trauer und Tränen: Es gibt einen Ort, wo er nicht hinreicht, der Tod,  wo er keine Macht mehr hat. Es gibt einen Raum, wo kein Leid mehr sein wird, keine Tränen mehr, kein Schmerz. Wo Gott selbst auf uns zukommt und uns die Tränen trocknet, weil es keinen Grund mehr gibt zu weinen. Was für eine Vision für alle, die der Tod eines geliebten Menschen versehrt hat. „Siehe, ich mache alles neu!“

 

Oskar, von dem ich Ihnen erzählen möchte, war erst zehn als er sich auf diese letzte Reise machen musste. Als ihm klar wird, dass er sterben muss. Weil er austherapiert ist, nichts mehr anschlägt, der Krebs gewonnen hat.

„Eierkopf“ nennen sie ihn in der Klinik, die anderen kleinen Patienten, die -wie er-viel tragen. Ohne es böse zu meinen, Humor aus der Not gewachsen. Humor, der ihm hilft. Was ihm dagegen zusetzt, ist die Angst seiner Eltern und ihre Sprachlosigkeit. Weil sie ihn einsam macht und mutterseelenallein zurücklässt. Sie trauen sich nicht, ihm die Wahrheit zu sagen, die er doch längst weiß. ( aus : Eric-Emmanuel Schmitt:  Oskar und die Dame in Rosa , Fischer TaschenBibliothek, 2014).

Beim Lesen des wunderbaren Buches „Oskar und die Dame in Rosa“ wird einem klar, wie klug er ist und wie mutig und wie allein mit diesem Wissen.

Da bringt ihn Madame Rosa, eine Ehrenamtliche, die die Kinder in der Krebsklinik besuchen kommt, auf eine gute Idee.

Sie überredet ihn, doch alles, was ihn umtreibt, aufzuschreiben und dem lieben Gott zu schicken. Und so macht sich Oskar, der eigentlich gar nicht an Gott glaubt, aus tiefer Verzweiflung und Ohnmacht heraus auf, es trotzdem mit Gott zu versuchen und schreibt ihm jeden Tag einen Brief. Und fügt immer in Variation etwas hinzu wie :

„Also, mit einem kurzen Besuch wär ich einverstanden. Einem Besuch im Geiste. Das wäre schon ziemlich stark. Ich würde mich freuen, wenn Du mir einen machen würdest. Von acht Uhr früh bis abends um neun bin ich für Dich da. Die übrige Zeit schlaf ich. Manchmal mach ich auch tagsüber ein Nickerchen, wegen der Behandlungen. Wenn Du mich so antriffst, dann einfach wecken. Es wär

doch doof, sich wegen ein paar dußligen Minuten zu verpassen, oder ?“ (a.a.O. S.39 f.). So erzählt er von seinen Tagen im Krankenhaus und von dem, was sein Herz bewegt.

Eines Tages schreibt er: „Lieber Gott, vielen Dank, dass Du gekommen bist. Du hast den richtigen Augenblick erwischt, denn es ging mir gar nicht gut... Heute beim Aufwachen ... habe ich den Kopf zum Fenster gedreht, um den Schnee zu sehen. Und da habe ich geahnt, dass Du kommen würdest.

Es war früh am Morgen. Ich war ganz allein auf der Welt. Es war so früh, dass die Vögel noch geschlafen haben, dass sogar die Nachtschwester, Madame Ducru, eingenickt war-,und Du hast versucht, die Morgendämmerung zu fabrizieren. Es ist Dir schwergefallen, aber Du hast Dich ins Zeug gelegt. Der Himmel wurde fahl. Du hast die Luft weiß gepustet, dann grau, dann blau. Du hast die Nacht vertrieben und die Welt zum Leben erweckt. Du hast nicht aufgegeben. Da habe ich den Unterschied zwischen Dir und uns verstanden: Du bist ein fleißiger Junge, der nie müde wird! Immer bei der Arbeit. Und da ist der Tag! Und da ist die Nacht! Und da ist der Frühling! Und da ist der Winter ! ... Und da ist Oskar! Und da ist Oma Rosa! Was für eine Kraft! Ich habe gespürt, dass Du da warst. Dass Du mir Dein Geheimnis verraten hast : Schau jeden Tag auf diese Welt, als wäre es das erste Mal.

Also habe ich deinen Rat befolgt und mich mächtig angestrengt. Zum ersten Mal. Ich habe auf das Licht geschaut, die Farben, die Bäume, die Vögel, die Tiere. Ich hab gespürt, wie die Luft durch meine Nase strömt und wie sie mich atmen lässt. Ich habe Stimmen auf dem Korridor gehört, die wie im Gewölbe einer Kathedrale hoch nach Oben steigen. Ich habe gespürt, wie ich lebe.

Ich bebte vor reiner Freude. Vor Glück, da zu sein. Ich war überwältigt. Ich danke dir, Gott, dass Du das für mich getan hast. Ich hatte das Gefühl, dass Du mich an die Hand genommen und mich mitten in das Herz des Geheimnisses geführt hast, um das Geheimnis anzuschauen.

Danke.   Bis morgen. Küsschen, Oskar.“ (a.a.O.,S.99f.)

Kurz darauf stirbt Oskar. Und Oma Rosa schreibt an Gott, weil Oskar es nicht mehr tun kann. Und man begreift, auch sie selbst schreibt ihm schon lange täglich Briefe, in denen auch sie ihm anvertraut, was sie bewegt.

„P.S.: “,schreibt sie  „die letzten drei Tage hatte Oskar ein Schild auf seinen Nachttisch gestellt. Ich glaube, es ist für Dich. Es stand darauf: „Nur der liebe Gott darf mich wecken.““(a.a.O.,S. 105)

 

„Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss! Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird alles ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Kind sein.“

Darum geht es heute, wenn wir die, die  wir lieben, Gott anvertrauen.

Es in diesem Vertrauen zu tun, dass er die Herkunft und die Heimat ihrer Seele ist und bleibt. Dass sie aufgehoben sind bei ihm, zu Hause.

Es in der verwegenen trotzigen Zuversicht zu tun, dass er die Herkunft und auch die Heimat unserer Seele ist und bleibt, komme, was wolle.  Inmitten aller Trauer, durch alle Fragen, die uns umtreiben, hindurch und unter aller Verzweiflung, die uns überfallen will, bleibt seine Hand die, die uns hält.

Gott, der sich mächtig ins Zeug gelegt hat, um die, die wir lieben, zu fabrizieren, wie Oskar es ausdrückt, der hat sie jetzt mitten in das Geheimnis seiner Liebe zurückgeholt hat, aus der sie kamen. Und so wie er Oskar im Krankenhaus besucht hat und der es sofort wusste, wer da vor seinem Fenster seine ganze Farbpalette ausgebreitet hat und ihn bei der Hand nahm, so wie der Sohn sofort ahnte, woher dieser Friede kam, der in das Sterbezimmer seines Vaters eingezogen ist, so besucht er auch uns und hilft uns, sie auspacken, zu leben und zu feiern, diese große Leihgabe Leben. Mit allem, was dazu gehört.

Oskar hat das verstanden, als er an Gott schrieb: „Ich habe versucht, meinen Eltern zu erklären, was das Leben für ein komisches Geschenk ist. Am Anfang überschätzt man dieses Geschenk, man glaubt, man lebt ewig. Später unterschätzt man es, man findet es kümmerlich, zu kurz, am liebsten würde man es wegschmeißen. Am Ende wird einem klar,dass es gar kein Geschenk ist, sondern nur geliehen.“ (a.a.O., S. 101).

Er hat sie ausgekostet, seine zehn Jahre. Und hat dann, als es Zeit wurde zu gehen, getrost den erwartet, der ihn weckt und zu ihm sagt : „Komm Oskar, lass uns nach Hause gehen.“ Amen.

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