Exaudi: Jeremia 31,31-34

13.05.2018 | 12:00

Der Gruß der Juden, von Harvey Cox

Es gibt ein Wort, das gewissermaßen alles zusammenfasst, was Gott uns mit Jesus von Nazareth sagt, und das ist der alte hebräische Ausdruck Schalom. Sowohl zur Zeit des Alten Testaments wie im modernen Israel ist das einer der gebräuchlichsten Grüße zwischen Juden. Schalom ist ein außerordentlich reiches und tiefes Wort. In all den Jahrhunderten der Folter und Bedrängnis, all die Jahre hindurch, in denen wir als Christen die Juden mitverfolgt und gequält haben, sagten sie einander zum Gruß und Abschied das Wort Schalom. Mütter, die man von ihren Kindern trennte und zu medizinischen Experimenten in die Konzentrationslager schickte, flüsterten als letztes Wort ihren Kleinen "Schalom" zu. Familien, die in Haifa oder Tel Aviv nach dem Krieg wieder zueinander fanden, schauten einander an und brachen dann das Schweigen mit "Schalom" … Gewöhnlich übersetzen wir dieses Wort mit "Frieden", aber das sagt bei weitem nicht genug … Schalom ist ein positiver Zustand des Friedens, der Freude, menschlicher Gemeinschaft, gesellschaftlicher Harmonie, lebendiger Gerechtigkeit. Er bedeutet Fülle, Gesundheit, Mitmenschlichkeit.

(Aus: Der Christ als Rebell, zitiert in: W. Erk (Hg.), Alles reift, um Gaben zu werden, Stuttgart 1994, 36)

Mich berührt dieser Text und ich denke:

Wer davon nicht zehrt und nicht darauf hofft, ist ein friedloser Mensch; wer es aber tut, den nennt Jesus selig.

 

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

er hat nicht mehr als die eigene Gewissheit, dass Gott mit ihm ist. So mit ihm, so nahe, dass sich Worte in ihm formen, die ihm Worte Gottes sind. Er muss sie sagen, zitternd eher denn selbstgewiß, leise und klagend eher denn laut posaunend, anklagend, scharf und richtend, und doch mitfühlend und mitleidend und dann auch tröstend und Hoffnung weckend.

Und viel würde er geben, wenn er nicht reden müsste, wenn er von Gott schweigen dürfte. Zu groß scheint ihm sein Auftrag und zu mächtig die Realität gegen die er anreden soll. Er soll das Wort "Gott" in den Mund nehmen, soll sogar Mund des Wortes Gottes sein.

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR;
sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR:
Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein.
Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

Am Anfang seines Wirkens, etwa in den Jahren um 625 vor Christus, erkennt Jeremia sich zum Propheten berufen. Er ist ein junger Mann, etwa 20 Jahre alt. Die politische Großwetterlage ist brisant, alle erwarten den Untergang des assyrischen Großreiches und gleichsam eine neue Heilszeit. Und dieser junge Mann sieht Untergang, zuerst von Norden her. Er stellt sich vor, all das Böse, das sein Volk vor allem mit der Anbetung der assyrischen Götter auf sich geladen hat, habe sich für eine Zeit in den Norden zurückgezogen und käme nun wieder auf sein Volk zurück. In der Tat wird es Babylon sein, das später das Königreich Juda vernichten und große Teile seines Volkes in die Verbannung führen wird. Über 40 Jahre wird Jeremia das Schicksal seines Volkes begleiten – leidend an dem, was er zu sagen hat, Trost suchend und in manchen Teilen seiner Botschaft auch voll von Trost.

"Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein."

Wieso redet Jeremia so und wieso darf der so reden? Er ist ein normaler Mensch; er kann Gott nicht hören, weil der ja gar nicht spricht.

Da ist keine Spezialantenne und da ist auch kein Wort Gottes, das in irgendeiner Weise von außen her vernehmbar wäre.

Es sei denn, wir machen Jeremia eine gehörige Portion göttlicher und Gott eine noch größere Portion menschlicher. Ein Gott, der überlegt und redet und seinen Empfindungen folgt und dann auch noch Selbstgespräche führt, wie in unserem Predigttext. 

Was passiert, wenn sich "Gottes Wort" ereignet – mir oder Ihnen oder Euch? Ich lerne heute von Jeremia: es passiert nichts anderes, als dass ich auf mein Herz höre und meinem Gewissen folge. Denn was Gottes Wille ist, das ist mir ins Herz gegeben und in den Sinn geschrieben. Hier ist die Stimme, auf die es zu hören gilt. Nicht ich bitte Gott, mich zu erhören, nein, Gott "bittet" mich, ihn zu erhören.

Und immer gilt es zu bedenken: wir reden über Gott immer nur symbolisch und können gar nicht anders. Und jedes Symbol hat seine Grenze, darf nicht absolut gesetzt werden, ist auf andere Symbole angewiesen, die ergänzen und vertiefen.

Und immer ist er noch größer und tiefer und schöner als die Gesamtheit aller religiösen Symbole es aussagen könnte.

Ich habe hier vom protestantischen Theologen Paul Tillich (1886-1965) gelernt. Er nahm die traditionelle Gottessymbolik, die sich mit "Höhe" und "Himmel" verband, aus ihrer räumlichen Dimension heraus, tauschte sie gegen eine nicht mehr räumlich verstandene "Tiefe" aus und gab zugleich eine Projektion Gottes ins außerirdische Jenseits auf:

"Der Name dieser unendlichen Tiefe und dieses unerschöpflichen Grundes allen Seins ist Gott. Jene Tiefe ist es, die mit dem Wort Gott gemeint ist. Und wenn das Wort für Euch nicht viel Bedeutung besitzt, so übersetzt es und sprecht von der Tiefe in eurem Leben, vom Ursprung Eures Seins, von dem, was Euch unbedingt angeht, von dem, was Ihr ohne irgend einen Vorbehalt ernst nehmt. Wenn Ihr das tut, werdet Ihr vielleicht einiges, was Ihr über Gott gelernt habt, vergessen müssen, vielleicht sogar das Wort selbst. Denn wenn Ihr erkannt habt, dass Gott Tiefe bedeutet, so wisst Ihr viel von ihm… Wer um die Tiefe weiß, weiß auch um Gott".

So Tillichs Ansatz (vgl. Der Glaube. Erschlossen und kommentiert von Hubertus Halbfas. Patmos, Ostfildern 2010, 216 f.)– und ich frage mich, wohin das Wort "Gott" mich führt. Hin zu einer letztgültigen Wirklichkeit oder hin zu einem Mann mit Bart im Himmel? Und wie will ich dann beten?

Aber auch, wer von Tiefe redet und um Tiefe weiß, muss immer auch erkennen, dass sein eigener Abgrund es sein könnte, der da Tiefe genannt wird.

Wie könnten wir uns Gottes sicher sein und seines Wortes? Wir können doch nur glauben, vertrauen, hoffen, verantwortet vor Wissen und Verstand und zugleich Herzens- und Willenssache.

Ich habe mich entschieden, Jesus seinen Gott zu glauben und mit und durch Jesus den Reichtum der Religionen zu entdecken und diesen Reichtum als etwas zu betrachten, was mich unbedingt angeht, was mich an den Grund des Seins rühren lässt.

Deshalb kann das Gegenüber von Altem und Neuen Bund ja nicht auf eine Zeitschiene gelegt sein, auf der es ein "Vor" und ein "Nach Christus" gibt. Die Juden bleiben Gottes Bundesvolk – wieder symbolische Rede! – und wir Christen können nicht beanspruchen, dass das in unserem Predigttext Angekündigte nun und nur in der Kirche verwirklicht sei.

Der Neue Bund bei Jeremia ist keine andere Tora als jene, die dem Volk Israel am Sinai verheißen wurde. Aber nun gibt Gott die Gabe dazu, den Willen und die Neigung, die Tora als Ermöglichung von Leben, als Voraussetzung von Shalom, von Frieden in einer Welt des Friedens, einzuhalten. Denn das ist das Ziel göttlichen Willens: Shalom. Womit wir wieder beim Anfang wären

Ich glaube: Gott teilt sich uns mit, hat sich uns ins Herz gegeben, in den Sinn geschrieben. Geist teilt sich dem Geist mit, Liebe wird als Liebe empfangen, Vertrauen gebiert Vertrauen, Hoffnung verliebt sich ins Gelingen, Zutrauen lässt mutig werden, Menschsein wird groß, erhebt sich aus dem Staub, gewinnt ein Antlitz der Freundlichkeit und des Lächelns. Jede neue Hoffnung gibt einen Menschen weniger auf; und jeder Tag mehr hilft Zukunft bauen.

Dazu "ruft" uns Gott. Und "bittet", dass wir ihn erhören.

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