Gründonnerstag - Johannes 10, 7-9 Ich bin die Tür

17.04.2014 | 21:00

Ich bin die Tür, wer durch mich ein- und ausgeht, der wird gerettet werden.
Den Kontext dieses "Ich-bin-Wortes" bildet das 10. Kapitel des Johannesevangeliums.
Dieses Kapitel, liebe Gemeinde, stellt sich dar wie ein umgekipptes Textpuzzle.
Da stehen Sätze hintereinander, die keinen Sinnzusammenhang ergeben.
Es gibt komische Wiederholungen. Sprachlich hakt und kantet es. Man
hat den Eindruck, als seien mehrere Erzählungen ineinander gerutscht; als
hätte der Evangelist alles, was er zum Thema gefunden hat, in eine Schüssel
gegeben und dann umgerührt. Lesen Sie mal das Kapitel in einem durch,
dann verstehen Sie, was ich meine.
Ich habe einmal versucht, Ordnung in das Durcheinander zu bringen. Habe
die Verse so hintereinander gefügt, dass sich eine chronologische Schlüssigkeit
ergibt. Und dann habe ich das Textstakato zu einem flüssigen Bericht
umgearbeitet. Wissenschaftlich korrekt ist es wahrscheinlich nicht. Aber ich
halte ja auch eine Laienpredigt. Der Textausschnitt aus Johannes 10 hört sich
dann so an:
Es war Winter. Jesus hielt sich zur Tempelweihe in Jerusalem auf. Er wandelte
in der Halle Salomos.
Da provozierten ihn die Juden und fragten ihn, ob er der Christus sei. Er solle
es frei heraus sagen.
Jesus tat das aber nicht. Er entgegnete, dass er ihnen das bereits gesagt hätte
und dass sie ihm sowieso nicht glauben würden.
Dann wich er wieder in einen bildlichen Vergleich aus. Er sei wie zu seinen
Schafen gekommen. Seine Schafe würden ihm, anders als sie, die ihn umringten,
glauben. Er sei die Tür zu den Schafen. Ich bin die Tür, sagte Jesus,
wer durch mich ein- und ausgeht, der wird gerettet werden. Der wird das Leben
und volles Genüge haben - halt wie eine saftige Weide. Vor ihm seien
schon viele falsche Hirten aufgetreten. Das seien alles Diebe und Räuber. Die
seien gekommen, zu stehlen, zu würgen und umzubringen. Aber glücklicherweise
haben die Schafe ihnen nicht gehorcht. Ihm aber, Jesus, würden
die Schafe folgen, wenn sie seine Stimme hörten. Er kenne sie gut. Niemand
würde sie aus seiner Hand reißen.
Dann bezieht Jesus Gott in diesen bildlichen Vergleich ein. Gott, den er als
Vater bezeichnet, habe ihm die Schafe anvertraut. Niemand könne sie aus
der Hand seines Vaters reißen. Er und der Vater seien eins.
Das ging den Juden dann doch zu weit. Sie hoben Steine auf und wollten ihn
steinigen.
Das Anschauungsbild "Ich bin die Tür" ist ein Teilstück der Hirtenrede. "Ich
bin der gute Hirte" und "Ich bin die Tür zu den Schafen" sind also synonyme
Selbstindetifikationen.
Johannes benutzt diese "Ich bin"-Bilder auch, um den Konflikt zwischen Jesus
und den Juden zu zeigen. Das ist sein Thema. Er präsentiert Jesus in einer
Exklusivität und Absolutheit als den Einzigen. Alle anderen sind Diebe
und Räuber. Kritisch-exegetisch kommentiert Bultmann das als die Intoleranz
der Offenbarung.
So intolerant der Rahmen zu sein scheint, so einfühlsam sind die Bilder, um
die der Text entfaltet wird. Das Bild vom guten Hirten ist ja der Inbegriff der
Fürsorge und liebevollen Zuwendung. Der Hirte, der 99 Schafe warten lässt,
um sich um das 100. zu kümmern, rührt uns an. Und ich vertraue darauf,
dass es die Absicht des guten Hirten ist, dass auch mir nichts mangelt. In dieses
Vertrauen (ich nenne es Gottvertrauen) ist das Wissen eingeschlossen,
dass ich meines Glückes Schmied nicht alleine bin, sondern -sozusagen- von
guten Mächten wunderbar geborgen bin.
Das Bild von der Tür ist unromatischer. Es lässt sich nicht so leicht verkitschen
- wie Jesus als weich gezeichneter Heiland mit Hirtenstab. Eine Tür ist eine
Tür. Sie ist hart, schließt gut und sorgt dafür, dass keiner unbefugt raus- oder
reinkommt. Sie ist gleichzeitig die Stelle, wo der Maurer ein Loch in der
Wand gelassen hat, damit man eben raus- oder reinkommt.
"Ich bin die Tür" stellt Jesus an diese Nahtstelle. In der johannäischen Bildbeschreibung
steht Jesus an der Stalltür. Er ist die Tür zu den Schafen, die er
behütet. Gleichzeitig ist er die Tür zur Weide, zu der er den Schafen Zugang
verschafft.
Phänomenologisch ist eine Tür also etwas zweifaches. Ein Verschluss und
eine Öffnung.
Dieses Phänomen haben wir beim Bau des Hauses, in dem wir uns gerade
befinden, ausführlich diskutiert. Der Bauherr, allen voran ein Hirte dieser Gemeinde,
war der Meinung, dass ein Gemeindehaus eine offene Tür haben
sollte. Der vor der Tür Stehende sollte sich eingeladen fühlen. Das sei baulich
am besten durch eine transparente Glastür umzusetzen. Die Architekten waren
anderer Meinung. Eine Kirche und eben auch ein Gemeindehaus seien
auch ein Schutzraum. Wenn du beten willst, dann geh´in dein Kämmerlein
und schließe die Tür zu. Durch eine Glastür gehe man in eine Bank oder in
ein Kaufhaus, aber nicht in eine Kirche. Außerdem müsse man an eine Kirchentür
auch mal Thesen anschlagen können.
Es ging hin und her. Im unserem Büro steht ein Modell mit einer geschlossenen
Tür. Gebaut ist eine Glastür. Sie ist zwar nicht transparent, aber geschlossen
ist sie eben auch nicht. Und ein Thesenanschlag ist nicht zu empfehlen.
Pastor Plank nennt den Eingang liebevoll "Duschkabine" - er und die Architekten
sind halb zufrieden.
Eine Tür ist etwas zweifaches.
Geschlossene Türen sperren ein und aus, schotten ab, trennen. Sie schützen
Hab und Gut, sichern Wirtschaftsräume; in der Fastenzeit auch mal den eigenen
Weinkeller.
Geschlossene Türen berauben Freiheit, separieren Sichtweisen und politische
Systeme. Wir glaubten schon, dass sich der eiserne Vorhang historisch erledigt
hätte. Nach den Vorkommnissen in der Ukraine muss man da wieder unsicher
werden.
Geschlossene Türen sperren aus. Wie es sich anfühlt, ausgesperrt zu sein -
draußen vor der Tür zu stehn, hat für mich keiner so eindrücklich dargestellt
wie Wolfgang Borchert. In seinem Theaterstück "Draußen vor der Tür" lässt
er den jungen Soldaten Beckmann aus Sibirien nach Deutschland zurückkehren.
Er hat ein steifes Bein und trägt eine Gasmaskenbrille. Als er nach Hause
kommt, liegt da schon ein anderer im Bett. Der zuckt nur mit den Achseln
und Beckmann steht wieder auf der Straße. Bei den Landungsbrücken springt
er in die Elbe. Aber auch die Elbe will ihn nicht haben. Sie sagt, er sei noch
zu jung, sie pfeife auf seinen Selbstmord und spuckt ihn in Blankenese wieder
ans Ufer. Dort fischt ihn ein Mädchen auf, nimmt ihn mit zu sich nach
Hause und steckt ihn in trockene, viel zu große Klamotten ihres nicht zurück
gekehrten Mannes. Doch gerade an diesem Abend kehrt dieser Riese, auf einem
Bein zwar, aber zurück. Da steht Beckmann wieder vor der Tür. Er geht
zu seinem Elternhaus. Aber an der Wohnungstür hängt nicht mehr das Messingschild
mit dem Namen"Beckmann", sondern ein Pappschild, darauf
steht "Kramer". Wo denn seine Eltern seien, fragt er Frau Kramer. Soviel ich
weiß: Kapelle 5. Die haben sich selbst entnazifiziert - so was Dummes, meinte
ihr Mann, das Gas hätte für einen Monat zum kochen gereicht.
Beckmann ist einer von denen, die nach Hause kommen und die dann doch
nicht nach Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist. Ihr Zuhause
ist draußen vor der Tür, nachts im Regen, auf der Straße.
Eine Tür ist etwas zweifaches.
Geschlossene Türen sperren aus. Offene Türen laden ein, heißen willkommen,
haben nichts zu verbergen. Sie offerieren Gastfreundschaft und
Schutz, bieten Asyl. Sie dokumentieren die Bereitschaft abzugeben und zu
teilen. Offene Türen sind wie offene Arme.
Überzeugend beschreibt das die Geschichte vom verlorenen Sohn.
Hier kommt der Heimkehrer nicht aus Sibirien, sondern von der Schweineweide.
Auch nicht viel besser. Dort war er gelandet, nachdem er all sein
Geld durchgebracht hatte. Also anders als Beckmann, selbstverschuldet.
Übermütig und rücksichtslos hatte sich der feine Herr vor Jahren allen Verantwortlichkeiten
entzogen und sich seinen Erbteil auszahlen lassen. Ich bin
- dann mal weg. Und weg war er. In die weite Welt hinein. Dort wurde gelebt
- wie ein Weltmeister. Das ging eine Zeit gut, dann war das Geld aus.
Der soziale Abstieg war nicht aufzuhalten. Am Ende stand die Schweineweide.
Dort hätte er sich gerne den Bauch mit dem Schweinefraß gefüllt. Den
bekam er aber nicht. Der Hunger ließ ihn zur Besinnung kommen. Er dachte
an Zuhause. Eine offene Tür konnte er bei seinem Vater nicht mehr erwarten.
Trotzdem wollte er sich auf den Weg machen. Draußen vor der Tür seines
Vaterhauses - bei den Tagelöhnern - müsse es allemal besser sein als
hier bei den Schweinen.
Und - allen Gesetzmäßigkeiten zum Trotz - wurde er herzlich empfangen.
Der Vater lief ihm mit geöffneten Armen entgegen. Sein Bett war nicht belegt.
Es gab frische Kleidung und ein köstliches Begrüßungsmahl.... Nur der
Bruder zuckte mit den Achseln.
Ich bin die Tür. Ich bin gekommen, dass sie gerettet werden, dass sie das Leben
und volle Genüge haben sollen. Allen menschlichen Gesetzmäßigkeiten
und Gerechtigkeitsgefühlen zum Trotz. Über Bitten und Verstehen.
Das Bildwort ordnet Jesus die Rolle als Durchgangspunkt zu. Auf dem Weg
zur Weide, zum vollen Genüge wird den Schafen die Stalltür zur Himmelspforte.
Durchgangspunkt zum Leben.
Und so verstehe ich auch unsere gottesdienstliche Begrüßungsformel, wenn
es heißt: Wir feiern den Gottesdienst im Namen des Vaters, durch den Sohn
im Heiligen Geist.
Dieses "durch" beschreibt eine Öffnungs- und Vermittlungsfunktion, die
auch der Predigttext Jesus zuweist. Es ist noch nicht das Ziel. Aber die Erwartung,
dass diese Tür dorthin führt.
Ich bin die Tür - zum Leben. Es geht auf Ostern zu. Aber noch ist es nicht so
weit. Noch ist die Ungewissheit der Karwoche auszuhalten. Heute ist Gründonnerstag.
Das Grün in Gründonnerstag hat aber nichts mit der Farbe
grün zu tun. Auch nicht mit einer fetten Weide oder vollem Genüge. Das
Grün in Gründonnerstag kommt von "greinen". Das bedeutet: grämen.
Noch einmal muss ich die Szene wechseln. Borchert arrangiert in seinem
Theaterstück eine Begegnung zwischen Beckmann und Gott. Draußen auf
den Straßen Hamburgs. Der Andere, der sich als Gott entpuppt, erscheint
dem Beckmann nicht als Herr der Lage. Im Gegenteil, als alter, weinerlicher
Mann, der ständig "meine Kinder, meine armen, armen Kinder" sagt.
Ach, Sie sind der liebe Gott. Ich bin der Gott, an den keiner mehr glaubt.
Und dann hält Beckmann Gott vor, wo er überall hätte einschreiten müssen
und wo er jämmerlich versagt hat. Wo warst du denn da lieb, lieber Gott?
Die Szene ist erbärmlich. Sie spiegelt die ganze Trostlosigkeit der gottverlassenen
nächtlichen Straße wieder ... und steht heute, am Grämdonnerstag,
am Abend vor Karfreitag parallel zur Gottverlassenheit, wie sie die Jünger
und Jesus selbst erlebt haben: Mein Gott, mein Gott, warum hast du
mich verlassen?
Wenn wir heute und morgen ohne Schlusssegen aus dem Gottesdienst gehen,
ohne den Zuspruch, dass Gott bei uns sein will, ohne den Zuspruch,
dass er Leben und volles Genüge schenken will, dann ist das eine Erinnerung
an eben diese Gottverlassenheit.

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