1. Advent - Jeremia 23, 5-8

30.11.2014 | 11:00

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

 

Liebe Gemeinde!

 

Dem neuen Kirchenjahr ergeht es wie schon bald dem neuen kalendarischen Jahr: es ist überladen, belegt und besetzt von Riten und Sitten, von Kitsch und Geplärre. Der erste Advent, mit dem unser neues Kirchenjahr beginnt, will mir genauso überzogen scheinen, wie Silvester und Neujahr: da muss ja jetzt ordentlich was losgehen, da müssen die Lampen und die Kerzen an, da muss Musik her und zwar zwangs-fröhliche und fremdbestimmt-selige Weihnachtszeit-Musik, da muss dekoriert und geschmückt sein, muss Stimmung her – echt unecht so vieles, echt daneben.

Es ist Advent, der erste schon, die erste Kerze brennt und es ist, als ob sie eine Lunte entzündet hätte: jetzt aber schnell weg und los, höchste Zeit! Ein quäkendes Saxophon spielte für mich gestern das erste Mal „O du fröhliche“ – und ich wollte es nicht hören, will es nicht viel zu früh hineingezwungen hören in künstliche Kulisse. Und dann gab es wohl gestern schon die erste mediale Explosion mit dem „Adventsfest der 100 000 Lichter“ – so etwas könnte wohl selbst ein Bahn- oder Pilotenstreik nicht verhindern…

 

Gegenentwurf: eine stille Frage steht im Raum - wie soll ich dich empfangen? Eine Beziehung will entstehen, eine ganz persönliche. Ein Kommen geschieht, ich erwarte etwas. Eine Sehnsucht ist geweckt worden; ich sehne mich nach einer ganz anderen Wirklichkeit. Weihnachtlicher Kitsch und weihnachtliches Geblödel haben diese Sehnsucht verkleidet, haben ihr rote Mützen oder Rentier-Geweihe aus Plüsch aufs Haupt gesetzt. Aber sie behält ihre Würde, bleibt erkennbar.

„Wie soll ich dich empfangen, und wie begegn ich dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier?“ Was verlangt diese Welt, deren Zerrbilder ich hinlänglich kenne und vor denen gerade in den kommenden Wochen viele auf der Flucht sind? Wo finden sich „aller Welt Verlangen“ und „meiner Seelen Zier“ zusammen, finden ineins und lassen sich nicht mehr trennen? Wo ist der Ort, da ich ihnen begegne und die Zeit, die ich ihnen schenke?

Es ist Advent, der erste schon – die erste Kerze brennt und es ist, als schenke sie Geborgenheit und Zeit, geborgene Zeit.

 

„Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will.“

 

„Siehe“ heißt: Halt ein, lass dich nicht umtreiben von deinen antreibenden Gedanken! Verharre, lausche, lege die Hände in den Schoß, falte sie, wenn sie unruhig, öffne sie, wenn sie verschlossen sind.

„Siehe“ heißt: Warte, bleib stehen, zünde ein Licht an. Was da kommt, ist nicht mit Perfektionismus und Aktionismus aufzurechnen, lässt sich nicht kalkulieren, auch nicht planen. Göttlicher Wille geht ein in die Zeit, göttliches Geschehen ist im Gange.

„Siehe“ heißt: Öffne deine Augen, aber lass dich nicht blenden von  dem Glanz und Glimmer, der dir weismachen will, dass du dir alles selbst erfüllen kannst. Und lass deinen Blick nicht eintrüben und verdunkeln angesichts der lichtarmen Zeit. Hebe den Blick und öffne die Augen! Erkenne, was wirklich hilft und erkenne es an: Gottes Wille für dich, Gottes Wille für diese Welt.

„Siehe“ heißt: Sieh nach, ob Gott einen Platz hat in deinem Leben, schaffe ihm Platz und er eröffnet dir einen neuen Lebensraum.

„Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird. Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: »Der HERR unsere Gerechtigkeit«. Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der HERR, dass man nicht mehr sagen wird: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!«, sondern: »So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel herausgeführt und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Landen, wohin er sie verstoßen hatte.« Und sie sollen in ihrem Lande wohnen.“

 

Der Prophet Jeremia nimmt die Sehnsucht seines Volkes nach Gerechtigkeit und der aus ihr folgenden Sicherheit auf und sagt eine neue Wirklichkeit hervor. Denn das einstmals große Reich Israel, wie es unter David bestand, ist schon lange geteilt in Nord- und Südreich, in Israel und Juda. Das Nordreich wiederum ist zur Zeit Jeremias schon über 100 Jahre zerstört; und er sieht dem Ende seines eigenen Volkes entgegen, wie es mit der Zerstörung Jerusalems und der Exilierung weiter Teile der Bevölkerung nach Babylon schon bald zu geschehen scheint.

In dieser Situation setzt er seine Hoffnung ganz konkret auf den König Zedekia. In ihm sieht er den gerechten Spross Davids, er trägt den Namen »Der HERR unsere Gerechtigkeit«. Doch als Jerusalem dann fällt und sein Volk ins Exil muss, verstummt Jeremia. Seine Worte aber werden mitgenommen nach Babylon und setzen, nun losgelöst von der konkreten Hoffnungsgestalt Zedekia, im Exil neue Hoffnung frei. Das Einst der Vergangenheit, wie es mit der Herausführung Israels aus Ägypten Grundbekenntnis des jüdischen Volkes wurde, und das Einst der Zukunft, in dem das Volk Israel gleichsam aufersteht zu seiner alten Größe und wieder sicher in seinem Lande wohnt, die beiden bewähren sich am Jetzt und lassen die Gefangenen Babylons durchhalten, ihre Glauben neu durchdenken, neue Hoffnung schöpfen. Und sie geben nicht auf, an einer Gerechtigkeit festzuhalten, die eben mehr ist als Rechtsprechung, sondern zu einem sicheren Wohnen aller führt und Shalom bedeutet: Frieden in einer Welt des Friedens. Über 2600 Jahre halten gläubige Juden am Glauben an den Heilswillen Gottes und an dieser Hoffnung fest. Das „Dennoch“ und das „Trotzdem“ des Glaubens behielten ihre Kraft, während die historischen Ereignisse, denen die Juden ausgesetzt waren, diesem Glauben und dieser Hoffnung kaum jemals Recht gaben, ja boshaft darüber triumphierten.

Das möchte ich heute das eine Wunder des Advents nennen.

 

Gut 600 Jahre später hält ein Jude Einzug in Jerusalem. Er wird gefeiert als der „Prophet aus Nazareth in Galiläa“ und als Sohn Davids, so wie Jeremia den Spross Davids, Zedekia, als Hoffnungsgestalt feierte. Matthäus, der von diesem Einzug schreibt, tut es im Rückblick und weiß genau, dass dieser Prophet Jesus die konkreten Hoffnungen des feiernden Volkes in Jerusalem enttäuschen, und Jesus schon bald statt der Hosianna-Rufe der Ruf „Kreuzige ihn“ entgegendröhnen würde.

Und deshalb hätte Matthäus auch niemals von diesem Einzug in Jerusalem berichtet, wenn nicht Ostern geschehen wäre. Gott habe diesen Jesus nicht im Tod belassen, er sei in Gott hinein gestorben und nicht in ein Nichts hinein und seine Botschaft habe so ihre göttliche Besiegelung erfahren, glaubten nur kurze Zeit nach Jesu Tod die ersten Christen.

Seit knapp zweitausend Jahren halten Christen an diesem Glauben fest; und der Tod feiert seine kleinen und großen Siege und die Liebe zu Gott und Menschen, wie sie der Prophet aus Nazareth lehrte und lebte, wird kleingemacht und beschmutzt, verhöhnt, verleugnet, widerlegt – und hört doch nicht auf.

Das möchte ich heute das andere Wunder des Advents nennen.

 

Liebe Gemeinde, wir brauchen den Juden nicht ihre Hoffnungstexte zu nehmen und sie auf Christus hin geschrieben und in ihm erfüllt zu sehen. Das Alte oder Erste Testament ist mehr als ein Verheißungsbuch für Christen, es ist Quelle von Gottes Heilswillen und Grund einer wunderbaren Hoffnung.

Vielmehr stehen wir gemeinsam mit den Juden vor den Texten des Ersten und Zweitens Testaments, sind beide noch nicht am Ziel angekommen, sondern warten in gleicher Weise auf das letzte Ankommen von Gottes Zusagen in unserer Welt. Und können uns gemeinsam freuen an den Wundern des Advents.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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