1. Korinther 12, 13 | Tupo pamoja

05.02.2012 | 01:00

K.-G. Poehls

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt! Amen.

Es war am Abend des 1. Oktober, einem Sonnabend, als mir der Evangelist von Lupombwe, Ezekiel Sanga, offenbarte, dass ich am nächsten Tag die Predigt zu halten habe. Ezekiel ist ein kleiner Mann mit großen Augen, in die ich ein wenig ungläubig blickte: meinte er es ernst - meinte er wirklich, ich könne eine Predigt mal eben aus dem Hut zaubern und dann noch auf Englisch?

Ezekiel guckte, als sei es das normalste Ansinnen der weltweiten Christenheit, das er da gerade geäußert hatte, während ich ihn angeguckt haben muss, als wäre diese weltweiter Christenheit gerade im Untergang begriffen.  

Und der Untergang setzte sich fort, als er mir ernsthaft sagte, ich könne ja auch auf Deutsch predigen. Da sollte sich also am nächsten Morgen eine Gemeinde versammeln, für die Kiswahili die erste Fremdsprache ist, die eigentlich auf Kikinga singt und betet, die kaum Englisch versteht und ich solle ihr auf Deutsch predigen – also alle Verständnisbrücken abreißen und nur meinen Marafiki und meinem Begleiter Johann Seeberg- Elverfeldt die zweifelhafte Freude einer Predigt auf Deutsch  hoch oben in den Livingstone-Mountains Tansanias machen.

War das nur Höflichkeit nach dem Motto „Er hat doch als Gast das Recht zu sprechen – egal, was und wie er es sagt“? Und traute man mir denn gar nicht erst zu, etwas Sinnvolles von mir geben zu können, das alle bewegen könnte?

Die tiefe Verunsicherung des Predigers, ob er denn überhaupt irgendjemand mit seinen Gedanken und Worten jemals würde erreichen können, hatte an dem Abend in Lupombwe ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Profitieren von dieser Situation konnte vorerst nur Hannes Seeberg-Elverfeldt, mit dem ich das Zimmer teilte: stundenlang lag ich wach – und konnte so nicht schnarchen.

Nun gibt es in unserer Partnergemeinde Lupombwe ein Wort, das ständig fällt: Tupo pamoja – ein Wort, das ich noch nie ohne ein Lächeln dessen gehört habe, der es aussprach. „Tupo pamoja – wir gehören zusammen, wir sind eins.“

Wenn ich es richtig sehe, dann hat dieses Wort einen doppelten Hintergrund. Es gibt einen Politischen: die Politik der ujamaa durch den Präsidenten Julius Nyerere hat Ende der sechziger Jahre das Lebensgefühl der Bevölkerung Tansanias verändert.  „Ujamaa“ bedeutet so etwas wie Familiensinn; die Leute fingen an sich gegenseitig „ndugu“, also „Schwester“ oder „Bruder“ zu nennen. Und unabhängig davon, zu welchem der ca. 120 Stämme Tansanias sie gehörten, sahen sie sich als gleich an. Sie lernten, sich als „ein Volk“ zu verstehen, konnten Stammesdenken und Rassismus hinter sich lassen – das sei in aller Vorsicht gesagt, die einem politischen Erfolg gegenüber geboten ist. Von Stammeskriegen oder Völkermorden wie in Kenia oder Ruanda ist Tansania jedenfalls verschont geblieben.  Tupo pamoja – dieses Wort, als Überzeugung geäußert, wird seine Rolle dabei gespielt haben (Vgl. dazu, J. Ndembwike, Tanzania. The Land and Its People, 2008, S. 101 ff.).

Der andere Hintergrund für die Beliebtheit dieses Wortes wird ein religiöser sein, so denke ich. Jedenfalls liegt es nahe, an den Text der heutigen Epistel zu denken. „Ein Leib und viele Glieder“ scheint mir das christliche Pendant zur Politik der ujamaa zu sein – auch wenn wir uns nicht mehr als „Schwestern“ oder „Brüder“ in unseren Gemeinden anreden.

Gerade ein Vers, der dreizehnte, sticht hier heraus: „Denn wir sind durch "einen" Geist alle zu "einem" Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit "einem" Geist getränkt.“

In Lupombwe habe ich versucht, über diesen Text zu predigen. Verstehen konnten nur weinige, was ich sagte: Englisch eben, und dann auch noch Poehls, der auch auf Deutsch, so sagten es mir einige Konfis noch letzte Woche, nur schwer zu verstehen ist. Und das tut mir ernsthaft leid.

Aber mindestens einer konnte verstehen und ich sehe ihn vor mir: Godfrey, der Schulleiter der Grundschule von Lupombwe. Gestern noch kam eine Nachricht von ihm. Ich hatte ihm schreiben können, dass wir durch eine großzügige Spende nun in der Lage sind, den Bau eines Essens- und Schlafsaals für seine Schüler zu finanzieren, so dass sie nicht mehr draußen auf freiem Feld essen müssen, auch bei Regen oder in der Kälte, und sich von den langen Wegen ausruhen können. Godfrey schreibt: “Hello Pastor Klaus its  wonderful  to hear these news vielen dank vielen dank tell the MARAFIKI GROUP that Godfrey says God bless you - wir sind zusammen.”

Das mag so klingen, als sei es das Geld, das uns und unsere Partner zusammenhält. Und in der Tat dürfen wir nicht unterschätzen, welche Wirkung, auch in negativer, zur Korruption verlockender Art, das Geld spielt, das wir als reiche Gemeinde für unsere Partner zusammenbringen. 

Da verdient eine Kindergärtnerin in Lupombwe 5 Euro im Monat und wir können innerhalb weniger Wochen nach unserer Abreise einen dringenden Wunsch erfüllen, der 2.700 Euro kostet. Wir müssen doch den Eindruck erwecken, uns sei alles möglich und uns stände alles zur Verfügung – und so müssten wir doch auch jeden Wunsch unserer Partner erfüllen können.

Dass Godfrey und Pastor Pagallo oder die Frauen in der Küche von Lupombwe oder Propst <personname w:st="on">Adrick Mwambemba</personname> uns aber nicht reduzieren auf die reichen wazungu, auf die reichen und überheblichen Weißen, dafür können wir, die wir da sein durften, nur bürgen. Gerade in dem Wissen, dass es immer welche in unseren Partnerdörfern gibt, die uns dennoch und bisher nur so sehen können.

Das hängt auch zusammen mit der ungeheuren Zumutung, die Paulus da als ein geistliches Band beschriebt: „Denn wir sind durch "einen" Geist alle zu "einem" Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit "einem" Geist getränkt.“

Da treffen Welten in einer Gemeinde aufeinander: Juden und Griechen, die so völlig unterschiedlich denken, mit einem unterschiedlichen Weltbild und einem gänzlich verschiedenen religiösen Hintergrund – und sollen eins sein! Da sitzen Sklaven neben Freien, Menschen, die keine Rechte haben und unterdrückt sind, die ihren Herrn ausgeliefert sind, neben solchen, die alle Rechte haben, „Herren“ und frei sind, so zu leben, wie sie es wollen – und sollen eins sein!

Konfis neben ihren Pastoren – und sie gehören zusammen? Und ein Geist verbindet sie? Junge neben Alten – und sie verstehen sich als gleichberechtigt? Arme neben Reichen – und sie sind nicht getrennt durch ihre so völlig gegensätzlichen Lebensbedingungen?                                                                               Und Paulus sagt, wir könnten all diese Grenzen und Unterschiede hinter uns lassen und uns tatsächlich als eins in Gott verstehen? Wie weltfremd ist der denn – oder wer oder was bringt ihn auf diese Idee? Nun – für ihn ist es Gott.

Pastor Pagallo schreibt uns, auch gestern noch: „Unsere Partnerschaft zwischen Blankenese und Lupombwe ist aus meiner Sicht und aus der Sicht des Marafiki-Partnerschaftskommitees sehr gut und wir beten immer wieder zu Gott, dass sie nicht aufhört, sondern stärker und stärker wird, weil wir sehen, wie wunderbar sie ist. Träume von den Menschen von Lupombwe vor Gott und lass die Partnerschaft weitergehen. Wir haben manche Fehler gemacht und, liebe Freunde, es tut uns leid. Unser Ziel ist, unsere Partnerschaft stärker zu machen, auch wenn wir manchmal Fehler machen. das liegt an der Armut, die Ihr kennt, und die ein großes Problem ist in Afrika und besonders hier in Lupombwe. Was wir nur tun können, ist Gott zu danken für dieses Geschenk aus Blankenese, das wir bewahren und nicht verlieren wollen. Gott helfe uns.  Amen. Wir sehen uns wieder. Gott segne euch alle.”

Paulus träumt groß von einer Gemeinschaft in Gott. Er, Gott,  schafft sie gegen alle Realität, die dagegen spricht, ja, Gott ist diese Realität. Und so lässt dieser Traum sich leben und einüben.

Wir jedenfalls sind reich beschenkt aus Lupombwe weggefahren. Es war sehr still in unserem Bus. Und wenn da manche Träne floss beim Abschied, wie schon bei der überwältigenden Begrüßung, dann einfach nur, weil es stimmt: Tupo pamoja – wir gehören zusammen. Deshalb tragen wir unsere Freundschaftsbänder. Da steht es drauf: „Marafiki“ – Freunde“! – „Tupo pamoja“ – wir gehören zusammen!

Amen

 

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