1. Korinther 15, 50-58 | Osterpredigt

08.04.2012 | 02:00

Propst Dr. Horst Gorski

„...wir werden aber alle verwandelt werden...“,

liebe Gemeinde, Verwandlungen gibt es manche in unserem Leben. So hat der frisch gewählte Bundespräsident gesagt, sie – in der damaligen DDR – hätten gehofft, nach der Wende im Paradies aufzuwachen, statt dessen erwachten sie in Nordrhein-Westfalen... also bitte, nichts gegen... wahrscheinlich hätte er auch Hamburg nennen können. Da hat mit der Verwandlung also offenbar irgendwas nicht ganz funktioniert...

Und manch einer ist schon als Tiger losgesprungen, aber als Bettvorleger gelandet. Eine Verwandlung wider Willen.

Und einst machten auch die Zitronen eine Verwandlung durch, wie Heinz Erhardt uns gelehrt hat:

Ich muss es wirklich mal betonen,
am Anfang waren die Zitronen -
ich weiß nur nicht mehr, wann dies
der Fall war – so süß wie Kandis.

Bis sie dann sprachen: „Wir Zitronen,
wir wollen groß sein wie Melonen!
Auch finden wir das Gelb abscheulich,
wir wollen rot sein oder bläulich.“

Der Herr im Himmel hörte die Beschwerden
und sprach: „Daraus kann nichts werden.
Ihr müsst so bleiben. Ich bedauer.“ -
Da wurden die Zitronen sauer.
„...wir werden aber alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. ... und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden.“

Die Auferstehung – so schreibt Paulus – wird eine einzige große Verwandlung sein für die Lebenden und die Toten. Was verweslich war wird unverweslich, was sterblich war wird unsterblich werden. Eine Verwandlung, die ihr Licht weit vorauswirft in dieses Leben. Im Glauben geschieht schon jetzt Verwandlung, eine Ahnung davon zumindest.

Folgen Sie mir in eine Verwandlungsgeschichte, die alles andere als schön ist, komisch vielleicht, aber bizarr und schrecklich zugleich: Franz Kafka erzählt in seiner Novelle (1912) „Die Verwandlung“ von dem Handelsreisenden Gregor Samsa, der eines morgens, ganz unvermutet, nicht als Mensch, sondern als Insekt, als Ungeziefer in seinem Bett erwacht. Während er erwacht und noch gar nicht richtig registrieren kann, was geschehen ist, wandern seine Gedanken durch seinen Alltag:

Ihm stehen seine Eltern und seine Schwester vor Augen, die er mit seiner ungeliebten Arbeit ernähren muss. Der Vater hatte vor Jahren bankrott gemacht, schleppt sich seitdem niedergeschlagen durch den Tag, die Schwester füllt ihr Leben mit Violinespielen aus, und die Mutter kränkelt. Er selber fährt als Handlungsreisender für eine Firma durch die Lande, leidet unter den Plagen des Reisens, den Sorgen um die Zuganschlüsse, unter dem unregelmäßigen und schlechten Essen. Am meisten aber darunter, dass er den Kontakt zu den Kunden – wie er mit einer anrührenden Formulierung denkt – als einen „immer wechselnden, nie andauernden, nie herzlich werdenden menschlichen Verkehr“ empfindet.

Während Gregor sich seiner Verwandlung langsam bewusst wird und hilflos mit seinem neuen Körper aufzustehen versucht, nimmt das Leben seinen unaufhaltsamen Lauf: Ein Angestellter seiner Firma kommt, um nachzusehen, wo er bleibt. Der Chef argwöhnt bereits, Gregor sei mit der ihm gerade erst anvertrauten Kasse durchgebrannt. Als es Gregor schließlich gelingt, den Schlüssel umzudrehen und die Tür zu öffnen, ist der Schock gewaltig. Man wirft die Tür schnell wieder zu und bricht in Tränen aus. Die Schwester versorgt ihn fortan mit Nahrung, die sie ihm in einem Napf durch die Tür schiebt, er selber verkriecht sich zu dieser Zeit unter dem Kanapee, um ihr seinen Anblick zu ersparen. Durch die Tür belauscht er die Gespräche seiner Familie. Dabei hört er, dass der Vater durchaus ein kleines Vermögen durch den Bankrott gerettet hatte, das nun hervorgeholt wird. Außerdem verdingt sich der Vater als Dienstmann, die Mutter näht für die Nachbarschaft.

Ich kürze die Geschichte ab: Gregor verliert immer mehr den Appetit und stirbt schließlich, geschrumpft und verhungert. Sein Kadaver wird beseitigt. Die Familie begibt sich auf einen Ausflug in die Natur. „Während sie sich ... unterhielten, fiel es Herrn und Frau Samsa im Anblick ihrer immer lebhafter werdenden Tochter fast gleichzeitig ein, wie sie in der letzten Zeit trotz aller Plage, die ihre Wangen bleich gemacht hatte, zu einem schönen und üppigen Mädchen aufgeblüht war. Stiller werdend und fast unbewußt durch Blicke sich verständigend, dachten sie daran, daß es nun Zeit sein werde, auch einen braven Mann für sie zu suchen. Und es war ihnen wie eine Bestätigung ihrer neuen Träume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen Körper dehnte.“ Damit endet die bizarre Geschichte.

Der Sinn der Verwandlung ist klar: Gregor erwacht als der, als der er sich lange schon fühlt, oder zumindest: als der er sich lange schon behandelt fühlt: als Ungeziefer. Ausgenutzt, missachtet, mit Füßen getreten, ohne echten menschlichen Kontakt. Während er in seiner Verwandlung in seinem Zimmer ausharrt, verwandelt sich auch die Familie: Von Schlappheit und Kränklichkeit ist plötzlich nichts mehr zu spüren, sie packen endlich wieder das Leben an. Die Schwester hat mit der Ernährung des Bruders zum ersten Mal eine sinnvolle Beschäftigung. Sie können durchaus, wenn sie wollen. Der Druck, der auf den Sohn ausgeübt wurde, die Familie durch einen ungeliebten Beruf zu ernähren, wäre nicht nötig gewesen. Äußerlich zumindest. Eine innere Notwendigkeit scheint es in dieser Familie ja gegeben zu haben. Und wie wenig die sich in Wirklichkeit verwandelt, das wird mit  süsslich-schwarzem Humor am Schluss angedeutet: Den „braven Mann“, den man nun für die Schwester zu finden gedenkt, dürfte dasselbe Schicksal erwarten wie den Sohn. Wirkliche Verwandlungen im Leben sind selten.

Ich versuch’ mir gerade mal vorzustellen, wie es hier in der Kirche aussähe, wenn wir alle als das Tier hier säßen, als das wir uns behandelt fühlen... Gäbe es hier auch einiges Ungeziefer? Oder Hunde, Schafe, Esel...? Vielleicht aber auch den einen oder anderen Pfau oder schönen Schwan...? Sicherlich manche fleißige Biene oder pflichtbewusste Ameise. Wer weiß...

Wie wäre es, wir drehten das Bild um, und jede und jeder säße hier in der Gestalt, die sie oder er sich in seinen Träumen wünscht...? Das will ich mir nun gar nicht ausmalen... Oder noch anders gewendet: Wir säßen hier in der Gestalt, als die Gott uns gewollt hat und ansieht... Denn anders kann ich die Auferstehung als die große Verwandlung nicht verstehen: Gott wird uns – endlich – sichtbar und gänzlich in das verwandeln, was wir nach seinem Willen immer schon waren, sind und sein sollen. Ob dafür Bilder von Tieren geeignet sind, das weiß ich nicht. Vielleicht übersteigt das letztlich unsere Vorstellungskraft. Irgendwie stelle ich mir uns alle dann leuchtend vor, hübsch, liebenswert, voller Humor, und ohne dass wir uns noch etwas beweisen müssten. Also einfach nett. Aber vielleicht auch ganz anders; menschliche Vorstellungskraft endet hier wohl. Paulus schreibt einige Zeilen vorher auf die Frage, mit was für einem Leib wir auferstehen werden: Du Narr... also müssen wir uns wohl mit dem Glauben bescheiden, dass es gut wird, wie auch immer.

Für die, die an Christus und seinen Sieg über den Tod glauben, hat diese Verwandlung schon begonnen. Sie treten schon jetzt für eine andere Welt ein, in der das Leben über den Tod triumphiert;  in der keine losgelassenen Massen im Internet zur Lynchjustiz aufrufen. In der zwischen Opfern und Tätern unterschieden wird. In der keine Kinder an Verwahrlosung zugrunde gehen. In der niemand an fehlendem Sinn innerlich austrocknet. In der keine Einsamkeit mehr zermürbt. Und in der niemand mehr nach seinem Geldbeutel beurteilt wird. Wo das sein kann? Wer weiß, vielleicht schon hier und jetzt. Die Sache mit dem Paradies und Nordrhein-Westfalen kann ja tieferen Sinn haben: Vielleicht ist das Paradies gar nicht woanders. Vielleicht wachen wir eines Tages auf, wo wir immer schon waren. Weil eigentlich dies der Platz ist, den Gott zum Paradies bestimmt hatte. Es fehlt nur noch ein kleines bisschen Verwandlung. Amen.

Zurück

Theologin Petra Bahr neu im Deutschen Ethikrat

21.05.2020

Hannover (epd). Die evangelische Theologin und Ethik-Expertin Petra Bahr hat acht Wochen nach dem Beginn der Corona-Krise an die Eigenverantwortung der Menschen appelliert. In der aktuellen Phase der Krise mit vorsichtigeren Lockerungen werde es viel schwieriger, angemessen mit der Bedrohung durch das Coronavirus umzugehen als vorher, sagte die hannoversche Regionalbischöfin am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).

weiter...

Kleine Abendmusik vom Turm

13.05.2020

Unsichtbar, aber voller Kraft: Jeden Mittwoch und Sonntag schallen – seit zwei Wochen schon - nach dem abendlichen Glockengeläut um kurz nach 18 Uhr Trompeten-Choräle aus dem Kirchturm in den Ort hinunter. Der Turmbläser, dessen Musik viele Menschen aus dem Umfeld der Kirche erfreut, möchte ungenannt bleiben. Wir fühlen uns reich beschenkt – und danken ihm herzlich!

Der zentrale ökumenische Gottesdienst zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges

08.05.2020
EKD-Newsletter: Die Aufzeichnung des Ökumenischen Gottesdienstes aus dem  Berliner Dom ist noch in der Mediathek der ARD verfügbar: Am Gottesdienst wirkten der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, sowie der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron, mit.
 
Die Predigt hielten Heinrich Bedford-Strohm und Georg Bätzing gemeinsam. Der Gottesdienst stand unter dem Leitwort „Frieden!“ und fragte nach der Verantwortung, die aus der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vor 75 Jahren heute für ein friedvolles Miteinander erwächst.

Willkommen zurück: Gottesdienst in der Blankeneser Kirche!

07.05.2020

 

So 10. Mai, 10 + 11 Uhr | Kirche | Predigt: Pastor Thomas Warnke
Musik: Kantor Stefan Scharff, Karin Klose, Gesang
Die Kirchengemeinde schreibt: "Wir dürfen wieder Gottesdienst in der Kirche feiern. Und so wagen wir am kommenden Sonntag „Kantate“, dem 10. Mai, einen Neuanfang. Strenge Auflagen sind zu bedenken: Sicherheitsabstände von zwei Metern, Hygiene-Regeln, Masken-Pflicht. Singen ist noch nicht erlaubt, dafür aber Summen – und natürlich musikalische Begleitung durch Orgel und Solisten. Trotzdem wird es ein schöner, ganz besonderer Gottesdienst werden!

weiter...