1. Korinther 2, 12-16 | Pfingstfest
Th. Warnke
Liebe Gemeinde,
mir hat es dieses Ereignis, das Lukas in seiner Apostelgeschichte bildreich beschreibt, immer schon in besonderer Weise angetan. Die Geschichte, die soviel Unruhe stiftet, die Ordnung in Unordnung verwandelt und doch, und das ist das Erstaunliche, durch diesen Sprung aus der Gewohnheit und dem Alltag heraus, es schafft, einen neuen Blick und ein neues Verstehen zu schenken - trotz aller Verwirrung Verständigung zu ermöglichen.
Die Geschichte vom Heiligen Geist, der schon in alter Zeit durch den Propheten Joel verheißen ist:
...nach diesem..., spricht Gott Jahrhunderte vor dem Pfingstfest in Jerusalem durch Joel, ...will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen. (Joel 3, 1ff.)
Es sind Worte wie „Begeisterung“, wie „Inspiration“, die mir immer schon den „Geist“ als eine Art Öffnung, eine Art Weisung hin zu einer Quelle von Kreativität, von Einfällen und Ideen, genauso aber auch von Spiritualität erscheinen ließen und lassen.
Peter Sloterdijk, Philosoph, beschreibt jene Quelle von Inspiration als „Durchzügen des Fremden“, als „Besucher von anderswo“ – oder als „Matrize von nicht eigenem“.
Ja, wir tauchen ein in Fremdes, oder besser: werden in Neues hineingetaucht, wenn Gottes Geist uns anweht - von innen, wie von außen; dabei ist er, der Geist, so etwas wie die Erfahrungsfläche Gottes, und wir stehen plötzlich mitten drin, in diesem Beziehungsgefüge, die wir künstlich nur Trinität nennen, Dreieinigkeit Gottes: mitten drin in der Beziehung von Vater – Sohn und Heiligem Geist, weil Gott eben Beziehung ist, pulsierende, lebendige Beziehung. Und der Geist uns die Fährte weist dorthinein.
Wie dieselbe Luft verschiedene Orgelpfeifen, Hörner und andere Luft-Instrumente verschieden klingen lässt, so bringt auch der Geist Gottes uns und jeden Menschen auf unterschiedliche Art und Weise zum klingen, wenn wir mitschwingen, wenn wir uns anrühren lassen von dieser Gotteskraft, von der Bewegung Gottes.
Manchmal sind das heftigste Turbulenzen, manchmal schwingen wir mit in absoluter Harmonie.
Es ist die Wirklichkeit des Lebens, in die hinein Gottes Geist spricht.
Der Geist ist nie losgelöst von Wirklichkeit, immer in Beziehung zu ihr. Gott ist nie losgelöst von Wirklichkeit.
So war es damals in Jerusalem, zu Pfingsten, als die Worte Joels in Erfüllung gingen, der Geist Gottes in die Herzen der Menschen hineingegossen wurde , feuerflammengleich – und dieser Heilige Geist die Trennung der unterschiedlichen jüdischen Volksgruppen vorführte und für einen Augenblick überwandt, für einen Augenblick ein Verstehen jenseits von Wörtern und Gewohnheiten, von Verstand und Verständigung ermöglichte.
„Was will das werden?“ fragten die Einen, ahnend, dass sie Großes, Verbindendes gerade erlebt hatten; „sie sind voll von süßem Wein“, sagten die, die offensichtlich immer unerreichbar bleiben für die kleinen (und manchmal großen) Wunder des Lebens.
Gottes Geist spricht hinein in die Wirklichkeit...
So auch damals in Korinth, wohin uns der Predigttext mitnimmt, mitnimmt in die Wirklichkeit einer umtriebigen Hafenmetropole. Paulus hatte eine Gemeinde gegründet, in der Menschen aller Couleur, jeglichen Milieus regelmäßig zu den Versammlungen zusammenkamen. Einfache Hafenarbeiter traf man dort, Frauen, die bislang anderen Kulten, Mysterien-Kulten dienten und eine fremde Kultpraxis mitbrachten, sich dann bekehren und taufen ließen; ebenso Kaufleute, Bankangestellte, Handwerker...
Alle waren auf ihre Art „begeistert“ von dem, was sie durch die Predigt von Paulus und durch die eigene Taufe erlebt hatten.
Weil Begeisterung Kräfte weckt, Energien und Fantasien freisetzt, Hoffnungen, Träume und Visionen anfeuert...
Und doch waren ihre Vorstellungen davon, wie man diese Erfahrungen in eine Praxis, in ein alltägliches und auch religiöses Tun und Handeln hinunterbrechen könnte, so ganz unterschiedlich.
Paulus stellt die Frage, wovon wir uns eigentlich leiten lassen – in unseren Ideen, Einfällen, Visionen und Praktiken.
Wessen Geistes Kind sind wir?
Können wir sicher sein, dass wir dem richtigen Geist auf der Spur sind?
Er schreibt:
12 Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist. 13 Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. 14 Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden. 15 Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt. 16 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen«? (Jesaja 40,13) Wir aber haben Christi Sinn.
(1.Kor 2,12-16)
Paulus warnt vor dem Geist der Welt. Zurecht!
Damals in der Wirklichkeit der Hafenstadt Korinth, in der es darum ging, das Miteinander unterschiedlichster Menschen in eine Gemeinschaft zu führen – wie er sagt: im Sinne Christi. Denn das, was Christus gelebt hat, - so schreibt er an anderer Stelle – sind die Gaben des Geistes.
Weil der Geist Gottes verbindet – und Liebe, Vergebung und Versöhnung für- und miteinander schenkt.
Weil der Geist Gottes Trennung überwindet – und nicht Unterschiede betont und auf Unterscheidung beharrt.
Weil Gottes Geist Verständnis und Verstehen ermöglicht.
1991, in der Einführungsrede zur 7. Vollversammlung des „Ökumenisches Rates der Kirchen“ in Canberra, die unter der Überschrift: „Komm Heiliger Geist, erneuere die ganze Schöpfung“ stand, beschreibt die koreanische Theologin Chung Hyung Kyung ihre Wirklichkeit mit den Worten: „Der Wind des Todes droht uns zu ersticken!“ Und sie nimmt, vor 21 Jahren, die ökologische Krise und weitere Gefährdungen und Bedrohungen der Welt durch den Menschen in den Fokus ihrer Worte.
Ja, es gibt einen Geist der Welt, von dem Paulus schreibt: einen Geist, der zerstörerisch und narzisstisch über die Welt hinweg weht.
Er ist eng und reduziert, er vernebelt und er trübt den Blick, er ist kalt und herzlos.
Und es gibt den Geist Gottes, der uns den Blick auf die Fülle des Lebens, auf Gottes Fülle schenkt. Mit dem wir erkennen und wissen, was uns von Gott geschenkt ist. Der das Herz öffnet für Gottes Gegenwart und den Blick für die Menschen an unserer Seite, den Blick in das Herz der Menschen.
Nicht als eine Flucht vor und aus der Welt, sondern als den ehrlichsten und tiefsten Blick auf die Wirklichkeit. Der den Schmerz nicht ausblendet, genauso wenig die weitere, offenere Dimension des Lebens, die größere Lebenswirklichkeit.
Pfingsten erinnert uns an diese Weite von Leben, an eine Lebensmöglichkeit, wie Paulus sagt: Im Sinne Christi.
Und Pfingsten erinnert uns mit dieser wunderbaren Geschichte daran, dass wir eben diesen Geist Gottes in uns tragen.
Das Feuer, das Lebensfeuer Gottes.
„Was will das werden?“ fragten die Einen damals in Jerusalem.
Weil ein gewisses Wagnis nicht auszuschließen ist, wenn man jener geistvollen Stimme Gehör schenkt. Es ist Wagnis von Vertrauen, ein gläubiges Wagnis jenes sich-Verlassens und sich-Einlassens auf das Leben in uns. Ein Wagnis letztlich der Anteilnahme an der göttlichen Lebendigkeit.
Gottes Geist widerspricht dem Geist der Welt an vielerlei Stelle. Aber Gottes Geist willigt ein in das Leben, weil er selbst das Leben ist.
Können wir einwilligen - voller Vertrauen - in die Richtigkeit dessen, was das Leben, was jeder einzelne Tag uns an Aufgaben und Herausforderungen beschert?
Was will das werden?