1. Petrus 2, 21b-25

18.04.2010 | 15:46

Klaus-Georg Poehls

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.

Biographisch fangen wir irgendwann an, von Liebe zu träumen, zu schwärmen, zu singen - oder besser: andere davon singen zu lassen - und dann auch von Liebe zu reden. Sparsam soll sie sein, diese Rede von der Liebe, so habe ich mir irgendwann vorgenommen. Zu kostbar die Worte von der Liebe und viel zu oft verkitscht, ausgehöhlt und verbraucht – so sehr, dass sie manchmal schon faul schmecken, bevor sie den Mund verlassen.
Worte von der Liebe sind bestimmt dazu, das Innerste zu berühren, wesentlich zu sein. Worte haben etwas mit Werten zu tun. Schon mal gemerkt? Nur ein Buchstabe unterscheidet das Wort „Wort“ vom Wort „Wert“. Worte sind kostbar, wertvoll, vor allem im existentiellen, uns unmittelbar berührenden Sinn.

So traf mich einst die Kritik eines Konfirmanden sehr, der sagte, in der Kirche sei immer nur von Liebe die Rede. Und dieses „immer nur“ war ihm eindeutig zu viel. Was bin ich in diesem Zusammenhang froh, dass Thea und Smilla heute dafür verantwortlich sind, dass ich von Liebe rede.
Dieser große Satz, der Euer Taufspruch ist, - was will der eigentlich sein? „Die Liebe hört niemals auf.“
Ist das ein Heile-Welt-Satz, der immer nur dann stimmt, wenn wir heile Welt haben, das bedeutet: wenn wir bewusst Milliarden von Menschen und einen Großteil unserer Schöpfung ausklammern? Oder können oder müssen wir gar diesen Satz zu den Menschen hintragen, die unter dem Erdbeben in Tibet und ich China leiden, die in Afghanistan Angst vor dem Terror, vor dem Krieg haben, hin zu den Menschen, die um die deutschen Soldaten trauern, die wieder getötet wurden?
Vor Eurem Taufspruch, Thea und Smilla, wird die Zumutung noch deutlicher, und der Mut, den es braucht, solch einen Satz nicht nur zu sagen, sondern an ihm festzuhalten:
„Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand.“ Pause, und dann: „Die Liebe hört niemals auf.“ Was soll das für eine Liebe sein, der keine Ausrede zu dumm ist, weil sie alles glaubt, der kein Wort, keine Tat zu unerträglich ist, weil sie alles erträgt, die Realität nicht wahrnimmt, weil sie alles hofft, die keinem ausweicht, weil sie allem standhält?
Ist die vielleicht ein bisschen naiv, ein bisschen weltfremd?

Ich glaube, sie ist einfach nur größer als meine Skepsis, meine Zweifel, sie ist ernster als mein Spott und mächtiger als meine Ohnmacht all dem gegenüber, was mich an Gott und Welt verzweifeln lässt.
Sie ist überzeugt, dass nichts von all dem Üblen, das uns allen passieren kann, sie zerstört. Sie ist weder apathisch noch fanatisch, sondern gibt dem Gegenüber in ihrer Langmut und Freundlichkeit viel Raum. Sie nimmt ihr Gegenüber ernst; sie hofft und glaubt nicht in kleinen Portionen, sondern ihre Hoffnung und ihr Glaube sprengen die Grenzen der Alltagserfahrungen und des Zweifels, des Scheiterns und der Resignation: sie hofft alles, sie glaubt alles – alles an Gutem und Schönen, alles was Gott für die Menschen, für unsere Welt will.

Liebe von Gott her ist kein Geschäft, nicht einklagbar, nicht summierbar, nicht zu bilanzieren, sie ist kein romantisches Gefühl, nicht lieblich und rosarot. Sie ist kein Privatbesitz, sondern wendet sich auch dem Nächsten und der Schöpfung zu, wird zur Nächstenliebe, wendet sich liebevoll der Kreatur zu, nimmt sich der Umwelt an. Sie teilt sich mit, mischt sich ein. Sie kann nicht stehen bleiben, das wäre ihr Tod; sie hört nicht auf, auch wenn alles andere aufhört. Sie ist wie Gott, ist Gottes großes Geschenk an uns. Da stecken Mut und Trotz und Kraft und Aufbruch und Zuversicht  in Eurem Taufspruch: „Die Liebe hört niemals auf.“

Als die ersten jungen christlichen Gemeinden sich ihren Platz erobert hatten in den Gesellschaften ihrer Städte und Dörfer, als sie nicht mehr übersehen werden konnten, und christlicher Glaube ernstgenommen werden musste – nicht mehr als eine vorübergehende Spinnerei oder Modeerscheinung, sondern als eine wirkliche Alternative und damit als eine Gefahr des Bestehenden, da zogen die Christen als Andersgläubige oder Sündenböcke, meist lässt sich das eine vom anderen wohl nicht trennen, den Unmut, je den Hass vieler Menschen auf sich. Ein Unmut und ein Hass, der Freundschaften und Familien trennte, der zu Verleumdungen und Misstrauen führte, und in offene Feindschaft ausartete.

In den Gemeinden war die Verunsicherung groß: wie sollten sie umgehen damit, wie sollten sie zu einem Glauben stehen können, der gerade nicht bringt, was er sein will: nämlich Liebe und Frieden? Wie sollte der Weg aussehen, den sie mit ihren Gegnern und Feinden gehen sollten? Wie sollten sie die Verfolgungen durchstehen, die der Kaiser Domitian befohlen hatte?
Von Rom aus geht in den 90er Jahren des ersten christlichen Jahrhunderts ein Schreiben in die Provinz Asia, größtenteils die heutige Türkei, und kursiert in den Gemeinden, wird in den Gottesdiensten verlesen. Es beruft sich auf die Autorität des Petrus und will Mut machen in so entmutigenden Verhältnissen. Der Brief ist voll von Ermahnungen an die Frauen, an die Männern, an die Freien und an die Sklaven, die unter launischen, auch unberechenbaren Herren leiden. Was sollen sie tun? Verängstigte und zweifelnde Menschen sitzen im Gottesdienst zusammen und hören folgende Worte: „Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet; … Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.“

Die Rede davon, dass Jesus Vorbild sei, wird von manchen immer als theologisches Magermodell abgetan. Demgegenüber gelte es immer wieder zu betonen, dass Jesus für unsere Sünden gestorben sei, wir unser Heil in seinen Wunden hätten – so auch im heutigen Predigttext. Ich habe diese Passage ausgelassen, um mich auf das hier nun deutlich ausgesprochene Vorbild Jesu konzentrieren zu können.

Jesus hat uns ein Vorbild hinterlassen – uns, die wir uns neu verstehen sollen. Nicht mehr irrende Schafe, nicht mehr wissend, wohin wir gehören und wo unsere Heimat ist, sondern bekehrt – dem Gott Jesu zugehörig, von ihm in unserem Denken und Tun geleitet. Und das heißt schlicht: einer Liebe folgend, die nicht aufhört, eingebunden zu sein in den Zirkel von Gottes- und Nächstenliebe. Bekehrte, Christen von damals und wir heute, haben eine Idee und es ist die Idee Gottes. Das  Wort „Idee“ hat im Griechischen zu tun mit „sehen“. Es geht darum, wie ich auf die Welt und die Menschen sehe. Die Idee Gottes hat in Jesus ihr Bild gefunden, in ihm ist Gottes Idee der Liebe zu sehen.
Erfüllt von der Idee Gottes spricht Jesus zu seinen Jüngerinnen und Jüngern durch die Zeiten hindurch: „Liebe denn ihn, deinen Gott, mit all deinem Herzen, mit all deiner Seele, mit all deiner Macht. Und halte lieb deinen Nächsten, dir gleich.“

Unsere Welt braucht diese Idee, braucht eine liebevolle Sicht-weise. Und wir haben sie, sie ist unter uns, wir können sie weitergeben, wir versündigen uns an allen, an den uns nahen und fernen Menschen, wenn wir sie nicht weitergeben. Liebe als Gabe, Liebe als Aufgabe:
Wenn wir uns herausziehen aus diesen beiden Grunddaten unseres Glaubens, dann verlieren wir Gott und Welt.

„Die Liebe hört niemals auf.“ Auf diesen Satz, auf diese Idee hin, seid nicht nur Ihr beiden, Thea und Smilla, getauft, dieser Satz ist die Grundlage jeder Gottesbeziehung, jeder Taufe. Und diesen Satz muss ich reinholen in mein Leben, muss ihn nicht Ausnahmesatz sein, sondern Grundsatz werden lassen. Wie weit kann ich gehen mit ihm? Wie weit kann ich ihn abbilden, für ihn einstehen mit meinem Leben? Wie weit kann ich Jesus seinen Fußstapfen nachfolgen?

Meine Grenzen, meine manchmal so engen, kenne ich und meine schon gleich sagen zu müssen: sehr weit ist das nicht. Ich versündige mich an Gott und anderen, ich lüge, schmähe, drohe, setze mein Vertrauen trotzdem auf meine Kraft, auf meine Rechte – und lass mir heute sagen: Die Liebe hört niemals auf.

Ich verweigere Hilfe denen, von deren Not ich weiß. Ich gehe vorbei, ich gehe nicht hin, ich bin kleinlich und geizig - und lass mir heute sagen: Die Liebe hört niemals auf.    

Ich drohe, an der Welt zu verzweifeln, drohe zu resignieren vor dem Elend, vor der Not, komme nicht meinen Zielen, meiner kleinen Liebe nach, werde müde und wehleidig – und lass mir heute sagen: Die Liebe hört niemals auf.

Ich bin ängstlich, sorge mich um mein Leben, meine Gesundheit, fürchte mich vor dem, was kommt, fürchte mich vor dem Tod - und lass mir heute sagen: Die Liebe hört niemals auf.

Ich könnte so weitermachen, stundenlang, mir immer neue Widerstände, Gegenbeweise, gute und halbgute Gründe gegen die Liebe einfallen lassen – und komme davon nicht los und will dabei bleiben, denn da ist Gott durch Jesus im Heiligen Geist: Die Liebe hört niemals auf.

Amen.

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