1. Sonntag nach dem Christfest 2014 - Lukas 2, 29f
Predigt über Lukas 2, 29f
Lukas 2, 29f
29 Nun, Herr, entlässt du deinen Knecht nach deinem Wort in Frieden; 30 denn meine Augen haben dein Heil gesehen
Ein Kind kommt nach dem Weihnachtskindergottesdienst zu mir nach vorne
alle Schauspieler haben schon die Kirche verlassen
die Krippe steht noch vor dem Altar
das kleine Mädchen kommt – blickt in die Krippe
Kein Kind darin
Die Krippe ist leer
in dem Gesicht des Kindes eine große Enttäuschung
Klar – Maria und Josef haben es mitgenommen – sie konnten es doch nicht hier liegen lassen… - erkläre ich
Aber die Enttäuschung bleibt
Das Mädchen wollte das Jesuskind sehen
Sie guckt in die Krippe – und da ist nichts
Wir gehen nach dem Fest in unser Leben zurück …
in die Firma, die Familie, in das Alltägliche -
und?
Ist da was?
Wenn wir groß feiern – was wir getan haben – dann sind die Augen auch groß
Hält der Alltag das Festlose aus –
oder
können Kräfte aus dem Fest in den Alltag gezogen werden?
Die Bewährungsprobe beginnt immer nach dem Fest
Was ist mit der Feier
und all den Sorgen
der Bilanz dieses Jahres
den Prognosen, den Befürchtungen,
den Hoffnungen für das Neue?
Ich frage mich
wie kann das Schöne bestehen bleiben,
Wenn ich noch an den Totensonntag denke –
dann wünsche ich mir eine Hoffnung, die nicht nur vertröstet
sondern sich dem Leben öffnet
eine Erfüllung, die trägt und auch die Frage nach dem Lebensende aushält
Das Mädchen guckt in die Krippe – und sie sieht nichts…
Ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon; und dieser Mann war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war mit ihm. 26 Und ihm war ein Wort zuteil geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. 27 Und er kam auf Anregen des Geistes in den Tempel.
und er wollte sehen…
Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz, 28 da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach: 29 Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; 30 denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen
Wir haben das Bild von Weihnachten vor uns
Im Kirchenjahr geht es schnell…: Eine Zeit später – ein neues Bild
Die Motive dieses neuen Bildes sind im Judentum bekannt, auch in anderen Religionen – im Buddhismus z.B. –
Ein Bild vom Warten – oft lange Jahre - und vom Sehen dürfen
Das Neue zeigt Jerusalem
den Tempel –
Im Tempel
Ein Mann - Simeon
Das Besondere an dem alten Mann: Er glaubt Gott
Man kennt ihn, … dass er vor Gott nicht locker lässt
Simeon hat die Situation seiner Mitmenschen vor sich
und alles, was er sieht – von den Römern angefangen bis hin zu dem Miteinander unter den Leuten
Das alles lässt ihm keine Ruhe –
Es ist nicht gut, so wie es ist
Da muss Neues werden
Aber nicht Resignation bestimmt ihn
Eine tiefe Sehnsucht
Ein Heiliger Geist, der ihn hoffen lässt
Da müsste doch das, was die Propheten angekündigt haben,
was der Glaube erhofft
wirklich werden
Da ist Gott, der seine Welt in der Hand hält
Simeon wartet lange schon
Er kann warten
Gott ist für ihn – wie für Jeremia, der Gott des Trostes (Jer. 14,8)
und den will er nahe erfahren
Er will den Trost für andere – für das Volk
und er möchte - selbst getröstet - loslassen können.
auch sterben können
Simeon wartet auf den Christus
den Gesalbten
den, der diesen Trost überbringt
verlässlich
Simeon im Tempel
Maria und Josef sind mit Jesus auch dort
wegen der religiösen Vorschrift:
Der erstgeborene Sohn gehört Gott –
und darum wird ein Opfer gebracht
Und plötzlich sieht man Simeon mit dem Kind im Arm
Der Tempel und der Glaube
und Simeon
und das Kind ihm in die Hände geben
in die Hände eines Beters
eines Hoffenden
das Kind in das Gebet des Simeon gegeben
in seinen Glauben
Vielleicht
dass der Segen dieses Menschen auch zum Kind hin ausstrahlt
Die alten Finger – legen sich zart um das Köpfchen des Kindes
Sie bergen das ganze Kind
Ich habe das Gefühl, der Alte guckt über das Kind hinweg – irgendwie ein Lächeln in diesem faltigen Gesicht
Er sieht weiter – als nur bis zum Kind:
Die Maler dieses Bildes mit Simeon und dem Kind – Walter Habdank (s.u.) auch
die sehen hinter dem Bild die ganze Geschichte des Kindes
genauso wie auch das Weihnachtsbild gemalt wurde
Simeon –
in Person die Hoffnung der Menschen um ihn –
und in seine Hände wird das Kind gegeben.
Dann meint „Simeon“ noch mehr
nicht nur eine alte Geschichte – da im Tempel vor vielen Jahren.
Simeon und die Gemeinde des Lukas – Jahrzehnte später
in ihre Hände
wird das Kind gegeben
Da sind wir – mit unseren Hoffnungen wie der Simeon –
unsere Gemeinde, wie die Gemeinden damals –
und in unsere Hände
ist das Kind gegeben.
…
Die Frage ist:
Was sieht Simeon denn….?
Was müßten wir – mit ihm – sehen?
Ein Kind nur
Wenn ich mir jetzt das Bild vorstelle
und das besondere daran verstehen will
dann muss es dem Simeon in dem Moment durchfahren haben…
Ein Kind nur?!
Bis jetzt
so höre ich den Simeon
habe ich immer nur an das Große gedacht
Je größer die Probleme, desto größer muss auch der Retter sein
Mit solchem Blick habe ich nichts gesehen
Gott kommt anders
Ich weiß es doch von der Geschichte Jesu
Er kommt in den normalen, natürlichen, den kleinen Dingen des Lebens
in der Geste, der Handreichung
in dem Wort
in dem Lächeln
Gott im Alltäglichen, im Alltagsgewand
Er kommt – menschlich nahe
Niedrig – ist der Boden des Göttlichen
Es gilt den Alltag genau anzuschauen
ihn zu durch-schauen
Ein Jude sagt zu einem Rabbi: Früher hat Gott zu den Menschen gesprochen, er hat in der Geschichte und in der Welt gehandelt; heute hört und sieht man nichts mehr von ihm.
Der Rabbi schweigt eine Weile. Dann sagt er:
Das ist nur deshalb so, weil sich niemand mehr genug bücken will.
Gottes Hilfe erfahren wir auf allergewöhnlichste Weise.
Nicht in den großen Veränderungen, dem Wunderbarem, Imposantem
ähnlich wie bei dem Elia
Er erfährt Gott in dem Stillen – in dem Sanften.
Simeon hat das Kind in seinen Händen…. – und er sieht
Meine Augen haben deinen Heiland gesehen
- mir ist deutlich – vor Augen
- mir ist bewusst
- ich verstehe
- es leuchtet mir ein
Und dann ist es wie bei dem Abendmahl
nur ein Stückchen Brot
und nur ein Tropfen Traubensaft
und es ist dennoch das große Spiel der Zuneigung unseres Gottes
Meine Augen haben Deinen Heiland gesehen
nehmen wahr – was er zusagt – lassen es gelten
für das ganze Leben
Ich kann mir vorstellen, dass daraus auch in den ganz kargen Zeiten so ein Urvertrauen bleibt
wenn dann wieder alles leer erscheint
Sie kennen das Gebet aus dem Warschauer Ghetto:
"Ich glaube an die Sonne
auch wenn sie nicht scheint.
an die Liebe
auch wenn ich sie nicht fühle.
Ich glaube an Gott,
auch wenn ich ihn nicht sehe.
oder in einer anderen Überlieferung
Ich glaube an Gott
auch wenn er schweigt."
Simeon – hat erkannt - gesehen
so tief – dass er loslassen kann
ja, auch vom Leben Abschied nehmen kann.
Größeres kann ihm nicht widerfahren
Tröstlicheres nicht
Mit dem Blick auf das Kind
den Übersetzer in Person – den Christus - ist alles gut.
Ich habe mir dieses Bild immer wieder angesehen
und zwei Dinge haben mich berührt:
einmal die Gabe
diese Blickveränderung
also dieses Bücken in den Alltag
und da den Himmel wahrnehmen
heute schon
und das andere ist eine Aufgabe
- auch in diesem Bild
Der Simeon ist Diener Gottes
Der Diener und das Kind
Die Botschaft Jesu, die Zusage Gottes, des Trostes Israels, die Erfüllung von Leben durch die Nähe von Gott – diese Gabe - in seine Hände gelegt
Nun nicht nur eine Gabe – sondern eine Aufgabe
nicht aufgedrängt
Er sieht sie in seinen Händen
Simeon hält das Kind – er birgt es – er segnet es – er schützt es…
Der Simeon und die Gemeinde
Wir neigen uns dem Kind zu, wie man sich einem Kind liebevoll zuneigt
Uns ist das Kind in die Hand gegeben
uns ist die Botschaft, für die das Kind steht, anvertraut
Das ist der Auftrag aus diesem Bild
Wir sind es, die das Kind halten dürfen,
denen es zugetraut wird, es zu halten,
Wir bergen es – das Göttliche
Mir – und Ihnen ist es in die Hand gelegt
in ihre Finger gegeben
Weihnachten – der Trost der Welt – die Botschaft Jesu – geschieht nicht automatisch
nicht von oben herab
Klar, sie hängt nicht an uns
aber sie liegt in unseren Händen
Wir sind Träger des Göttlichen
und auch wenn Simeon das Kind aus seiner Hand gibt
wird er dieses Gewicht des Kindes spüren – weiter spüren
wie bestimmte Begegnungen einfach lebendig bleiben –
auch wenn sie Jahre zurückliegen.
Wir sind Träger des Göttlichen
Wir haben uns nicht selbst dazu gemacht
Es ist uns in die Hand gelegt
Ihnen und mir
Heißt
die Frucht der Liebe Gottes ist uns in die Hand gegeben
und wir dürfen – müssen – können gar nicht anders – als zu versuchen, diese Liebe in unseren Alltag zu bringen
in Christi Namen
Unsere Nächsten sollen es erfahren – wie auch die Flüchtlinge, die zu uns kommen
Wir sind dankbar für den Frieden. den Gott uns in die Hand legt,
Wie sollten wir anders als diesen Frieden, die Versöhnung als Angebot in die Welt zu tragen
in die Nachbarschaft, in die Konflikte im Persönlichen – in unsere Gesellschaft.
wir – jeder einzelne – wir als Gemeinde – miteinander
Fulbert Steffensky hat einmal geschrieben
Wir als Kirche sollen nicht nur im öffentlichen Stadtbild erkennbar sein,
wir sollen die Öffentlichkeit der Stadt in uns selber aufnehmen
und sie verwandeln.
Die Leiden einer Stadt,
die großen Fragen einer Stadt,
den Diskurs einer Stadt, das Gewissen einer Stadt.
Kirche in der Stadt heißt Kirche für die Stadt
für den Stadtteil
So Steffensky
Und warum?!
Weil uns das Göttliche anvertraut ist – nicht nur für den persönlichen geistlichen Konsum
sondern
das weiß Simeon
anvertraut ist uns ein Licht
das strahlen soll
in die Welt hinein
zum Lob Gottes
Am Ende singt Simeon sein Danklied
Die Kirche hat es aufgenommen
Es wird täglich für das Abendgebet vorgeschlagen
Ich glaube – der Grund ist:
dass wir uns eben jeden Tag erinnern sollen!
Der Gesang – wie ein Knoten im Taschentuch:
damit das Fest in den Alltag hineinfindet
Die Erinnerung an die Gabe und Aufgabe
weihnachtlich gesprochen
Die Botschaft der Güte mit diesem Kind als tägliche Gabe
… und ich will nicht vergessen mit dazu zu bücken
und
das Kind in unseren Händen
wir als Träger des Göttlichen
Simeon singt: (Nunc dimittis)
Herr, nun lässest du deinen Diener im Frieden fahren,
wie du gesagt hast;
Denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen,
welchen du bereitet hast vor allen Völkern,
ein Licht, zu erleuchten die Heiden,
und zum Preis deines Volks Israel.
Ich will nicht vergessen – mich zu bücken
Unser Leben ist doch voll – mitten im Alltag – voll von Seiner Nähe.
Das hat er versprochen!
AMEN