1. Sonntag nach Epiphanias

10.01.2016 | 17:01

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen

Liebe Gemeinde,

im Gegensatz zur katholischen Kirche gibt es bei uns ja keine Sonntagspflicht -  mit Ausnahme der Konfirmandinnen und Konfirmanden selbstredend. Bei Euch gehört die Zusage, dass Ihr regelmäßig zur Kirche kommt, zur Verabredung und wird auch kontrolliert.

Darüber hinaus aber gibt es nichts Vergleichbares bei uns. Und oftmals ist es ja nach der Konfirmation auch so, dass die Konfirmierten erstmal für längere Zeit nicht mehr so häufig, um es mal vorsichtig zu formulieren, am Sonntag morgen hier gesehen werden.

Eine eingeforderte  und sanktionierte Pflicht ist es in der evangelischen Kirche nicht, zum Gottesdienst zu gehen.

Der gespürte Anspruch ist trotzdem vorfanden, stelle ich immer wieder fest. Wenn ich Menschen besuche, egal ob im Zusammenhang mit einer Taufe, einer Trauung, eines Trauerfalles oder eines Besuches, dann begegnet mir oft gleich am Anfang ein entschuldigender Satz wie : „Na ja, wir haben uns in der Kirche noch nicht so oft gesehen....“, „Na ja, meine Frau/ mein Mann war jetzt kein so großer Kirchgänger. Eigentlich sogar eher gar keiner .Aber geglaubt hat er trotzdem.“ Als brächte ich den Anspruch mit meinem Amt mit. Als sei es klar, dass das eigentlich anders sein müsste.

Ich war im Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf u.a. zuständig für den Bereich Mission-Ökumene- Partnerschaftsarbeit. Wir hatten ein Projekt in einer unserer Kirchengemeinden, in denen ein Pastor aus unserer damaligen Partnerkirche in Kenia für 3 Jahre in eine kleine Landgemeinde „ausgeliehen wurde“ und mit dem dortigen Pastor zusammengearbeitet hat.

Balozi, so heißt der junge afrikanische Pastor, der inzwischen schon wieder zurück in Nairobi ist, war entsetzt darüber, wie schlecht der Gottesdienstbesuch in Münsterdorf war. Bei Licht betrachtet war er das für schleswig-holsteinische Landgemeinden im Vergleich gar nicht, aber das ist –wie wir alle wissen- relativ. Als er schon ein paar Monate vor Ort war und der Besucherstatus aufgebraucht, als die beiden Kollegen begannen, sich langsam auch anzuvertrauen, was nicht nur schön und wunderbar war in den Augen des jeweiligen Betrachters, da rückte er irgendwann raus mit der Sprache und sagte : „Das geht doch so nicht. Ihr habt hier eine so schöne Kirche. Ihr gebt euch solche Mühe und keiner kommt. Ihr habt so viel Geld im Vergleich zu uns in Kenia, so viele Mitglieder, die zu dieser Gemeinde gehören, viel mehr als bei uns. Warum sehe ich sie nicht am Sonntag Morgen in der Kirche? Warum ist ihnen der Gottesdienst nicht wichtig, die Gemeinschaft im Glauben, das Wort Gottes. In Kenia würde ich jetzt zu jedem einzelnen nach Hause gehen und ihn fragen, was los ist, warum er nicht kommt. Das macht ein Pastor bei uns so. Weil das doch so nicht geht.“

Und dann erzählte er vom Gottesdienst in Kenia, von dem Stellenwert, den er hat. Dass er die Woche strukturiert und den Sonntag zu etwas ganz Besonderem macht. Dass er ein Treffpunkt ist und eine Tankstelle für die Menschen, ein Ort, an dem die Gemeinde zusammen kommt und zusammen feiert. Ihren Alltag miteinander teilt am Sonntag. Dass er stundenlang dauert. Dass gesungen wird und getanzt, in der Bibel gelesen und gepredigt, Abendmahl gefeiert und gesegnet, füreinander gebetet und miteinander gegessen, das ganze Programm, ein Fest. Dass Kollekten gesammelt werden für die notwendigsten Aufgaben und die sozialen Zwecke, von denen jeder weiß, warum sie wichtig sind. Und dass so lange gesammelt wird bis das Geld zusammen ist, das sie brauchen. Dass in Kenia niemand, der wirklich gläubig ist, auf den Gottesdienst so einfach verzichten kann. Dass es immer einen triftigen Grund gibt und geben muss, um nicht hinzugehen. Und dass ein Pastor dem nachzugehen hat.

Wir haben uns angesehen und waren –gelinde gesagt- irritiert. Haben uns vorgestellt, wie er sich aufmacht zu den Menschen in Münsterdorf nach Hause und sie fragt, ganz konkret fragt, was los ist. Warum sie eigentlich nicht kommen? Warum ihnen der Gottesdienst nicht wichtig ist.

Allein die Vorstellung dieser Offensive ließ uns zusammenzucken. Das geht nun auch nicht, dachten wir. Kenianisches Temperament trifft auf norddeutsche Zurückhaltung und Nüchternheit.

Er hat viel ins Rollen gebracht allein durch seine Präsenz in der Gemeinde und im Kirchenkreis. Durch seine widerständigen Fragen und durch seine Beharrlichkeit. Und durch seine überbordende Freundlichkeit, gepaart mit dem Anspruch, verstehen zu wollen und sich verständlich zu machen.

Er hat uns herausgefordert, unseren Standpunkt zu klären. Zu überdenken, was wir manchmal einfach als gesetzt hinnehmen und unser Tun neu zu verantworten. Ich würde vieles, was für ihn notwendig war und unaufgebbar, anders einschätzen, aber an ganz vielem ist mir neu klar geworden, wie wichtig es ist, eine Haltung dazu zu gewinnen und für sie einzustehen, erkennbar zu werden im eigenen Profil.

Das Thema Kirchenmitgliedschaft z.B. war für ihn nie nur eine Frage des Geldes, auch wenn das in Kenia zwangläufig ein ganz anderes Thema ist als bei uns.

Es war immer eine Frage des Glaubens und damit einer Haltung zum Leben. Und genau darum geht es in unserem Predigttext für heute. Er steht im Römerbrief, im 12. Kapitel, in den Versen 1—3:

„Ich ermahne euch durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.
Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich's gebührt zu halten, sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.“

Gottesdienst, das ist für uns in der Regel die Veranstaltung am Sonntagmorgen oder zu ausgewählten anderen Zeiten, eine Feier in der Kirche zu bestimmten Anlässen. Orgelmusik, Gesang, Gebet, Lesungen, eine Predigt oder Ansprache, das alles gehört in der Regel dazu. Manchmal, bei uns fast immer, das Abendmahl.

Für Paulus würde sicherlich auch diese Feier ein Gottesdienst sein, aber Gottesdienst würde längst nicht darin aufgehen. „Gebt eure Leiber hin als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist“, sagt er. Und meint damit, dass Glaube, dass Gottesdienst sichtbar werden soll. Gottesdienst in der Kirche, das ist so etwas wie ein Auftanken, ein sich erinnern lassen, an das, was den Glauben ausmacht und es ins Leben bringen. Genau so eigentlich, wie Balozi es auch versteht und in Kenia findet. Es ist der Ort, an dem Gott redet, uns ermutigt, stärkt, wo er uns neu auf den Weg bringt, ermahnt, aufrichtet ,zurechtbringt, Schuld aufweist, aber auch Vergebung zuspricht.

Der Gottesdienst am Sonntagmorgen ist vor allem Gottesbegegnung, Gottes Dienst an uns Menschen. Der natürlich nicht nur am Sonntag Morgen passiert, sondern genau so auch am Montag morgen und auch mitten in de Nacht.

Weil Gott nicht nur von 10-11 Uhr am Sonntag Morgen ansprechbar ist, sondern immer. Wir sind nur nicht immer auf Sendung und auf Empfang sind wir in der Regel noch ungleich weniger. Das aber ist was anderes.

Diesem Dienst Gottes, so sagt es Paulus, soll unser Gottes-dienst antworten.  Dass wir uns in Dienst nehmen lassen von Gott. Und dass dieser Dienst an/für Gott sich im Leben zeigen soll. Dass Hören und Tun zusammengehören, sagen und dafür einstehen, reden und handeln eine Einheit sein. In unserer Hingabe an Gott, ganz, mit Leib und Seele feiern wir diesen anderen Gottesdienst. Und auch den nicht nur reduziert auf die knappe Stunde am Sonntag morgen, sondern als Zuspruch und Anspruch an uns alle Tage.  

Wenn Paulus hier von Hingabe spricht, dann sagt er und dann meint er Opfer. Opfer im biblischen Sinne, nicht in dem, was gerade auch in der Kirche oftmals daraus gemacht worden ist. Es meint nicht die leibfeindliche Variante des sich selbst Aufopferns.

 Opfer im biblischen Sinne bei Paulus meint zunächst: ich gebe mich mit Leib und Seele in die Hände des lebendigen Gottes. Ich lasse mir von ihm hineinreden in mein Leben und meine Vorhaben. Ich lasse meinen Willen von seinem Willen begrenzen und korrigieren und versuche, diesen Willen in meinem Leben lebendig werden zu lassen. So wie wir im Vater unser beten : „Dein Wille geschehe“. Es ernst nehmen, was wir da beten. Also durchlässig zu werden für diesen Gott und seinen Anspruch auf mein Leben.

Das geht nur, wenn ich aufmerksam hinhöre auf die Stimme Gottes. Wenn ich sie heraushören lerne aus den vielen Stimmen, die Anspruch auf mein Leben erheben. Das geht nur, wenn ich mit ihm in Kontakt bleibe und mich kritisch mit ihm und seinem Wort auseinanderzusetze. Und dann das, was ich gehört habe, umsetze in meinem ganz konkreten Alltag, so wie er gestrickt ist, mit den Themen, die er mir auf den Teller legt. Gottesdienst eben, praktisch.

„Ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“

Ich muss an Micha denken : „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott bei dir sucht : Gottes Wort halten und Liebe üben und aufmerksam mitgehen mit deinem Gott.“

Genau so. So einfach. So schwer.

Es ist uns längst gesagt, was gut ist und was Gott bei uns sucht. Im Gottesdienst, den Paulus meint, in der Hingabe an Gott mit meinem Leben, geht es darum, es endlich zu tun. Es immer wieder auf´s Neue zu versuchen. Gott immer wieder auf`s Neue zu antworten auf seine Liebe mit einem Leben, das dieser Liebe entspricht.

Glaube ist keine Weltflucht, aber auch keine Anpassung und Anbiederung an das, was alle Welt tut. Stellt euch nicht der Welt gleich, heißt doch nichts anderes als : tut die Dinge nicht, weil alle sie tun und sie damit richtig erscheinen. Der lebendige Gottesdienst, von dem Paulus hier spricht, fordert eine aufmerksame kritische Distanz zur Welt und ihrem Mainstream von uns, ein eigenes Profil, ein eigenes standing. Eins, das von  Gott und seinem Wort her sein Fundament gewinnt.

Und deshalb gehört dazu auch das Wissen um das rechte Maß. „Niemand halte mehr von sich, als sich's gebührt zu halten, sondern er soll maßvoll von sich halten, ein jeder wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.“

Auch das, so simpel. Und so schwer. Wenn es wirklich in uns ankäme, wir`s glauben könnten ganz tief in uns, dass wir geliebt sind von Gott, kostbar in seinen Augen, wert geachtet und unersetzlich für ihn, wir wären frei. Wir würden nicht mehr kämpfen um Anerkennung, hätten es nicht nötig, besser sein zu müssen als andere. Wir wüssten, dass wir zu Gott gehören und seine Liebe nicht verwirken können. Mehr geht nicht.

Wir wären frei von uns selbst und unseren Ängsten um uns selbst. Wir könnten all das, was Gott in uns an Schätzen hineingelegt hat, zum Leuchten bringen für diese Welt und das, was sie braucht. Ohne Reibungsverluste, ohne Getue und Gemache. Wir würden unsere Gaben selbstbewusst und voller Freude beisteuern und sie in Demut auf den Gabentisch dieses Lebens legen. Weil wir reich wären. Wir könnten herschenken von dem, was wir haben, weil wir satt geworden wären bis unter die Mütze, könnten gönnen und geben, weil wir wissen, es ist alles da, was wir brauchen. Wir wären frei von uns selbst und deshalb so gut zu gebrauchen, um diese Welt besser zu machen und menschlicher und gerechter.

Es gibt keine Sonntagspflicht bei uns, Gott sei Dank, finde ich. Denn Hingabe kann man nicht verordnen und Pflichten werden selten geliebt. Liebe aber ist der Urgrund jedes Gottesdienstes. Wer sie erfährt und sich ihr hingibt, den wandelt sie. Er wird frei. Er lernt vertrauen. Er übernimmt Verantwortung für diese Welt. Und Gott ist an sein Ziel gekommen. Amen.

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