11. Sonntag nach Trinitatis - Samuel 12, 1-10. 13-15a

31.08.2014 | 12:00

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

ich bin in der Lage, mich zum Zerrbild meiner selbst zu machen. Wie besoffen, wie unter Drogen, wie besessen kann ich verkommen zu etwas, was ich noch bin und doch nicht mehr bin. Eine Leidenschaft oder eine Sucht kann das aus mir machen, ein Hochmut oder eine Arroganz, die sich langsam einschleichen, mein Denken ändern, meine Sprache, die mich anders mit anderen umgehen lassen, die verletzten, demütigen, verraten, verleumden, die vernichten – Beziehungen, Vertrauensverhältnisse, das Ansehen oder gar das Leben anderer vernichten.

Ich kann das. Auch das steht in meinen Fähigkeiten, auch das ist in mir drin. Manchmal erschrecke ich davor, wenn ich es in mir spüre, wenn sich da etwas regt in mir, von dem ich weiß, es  ist falsch und von dem ich weiß, ich könnte ihm unterliegen – oder - genauer und um nicht gleich Verantwortung wegzuschieben - ich könnte mir unterliegen.

Ich kann mir selbst voraus sein, mich wundern über mich selbst, kann lachen über mich, kann in mir ruhen und kann mir ausgeliefert sein – und immer mit meinen Kräften, meiner Vernunft, meiner Intelligenz. Sicher:  ich habe Kontrolle, aber ich weiß auch, dass ich sie verlieren kann, und dass ins Torkeln und ins Fallen gerät, was ich bin.  

Und dann brauche ich jemanden, der mir den Spiegel vorhält. Ich brauche ein Gegenüber, ein Du, dass mich mich selbst spüren und mich selbst wieder zu mir finden lässt.

 

David ist König und sich seiner selbst gewiss. Seine Macht ist unangefochten; er hat Erfolg. Ohne dass er es selbst noch nötig hat, schickt er seinen Feldherrn Joab und seine Söldner in den Krieg, um die Ammoniter, ein Nachbarvolk im Osten, zu schlagen. Er selbst bleibt in der Hauptstadt.

Und eines Tages, als langsam der Abend die Luft abkühlt, geht er auf das Dach des Königshauses. Von dort oben nun sieht er, wie sich in einem Nachbarhaus eine Frau wäscht und sie ist  eine schöne Frau. Er erkundigt sich über sie: sie ist Batseba, die Frau des Hauptmanns Uria, der für David gegen die Ammoniter kämpft. David lässt die Frau in sein Haus holen und schläft mit ihr – ob gegen ihren Willen oder nicht, bleibt offen. Das hat Folgen; Batseba wird schwanger. Als david das erfährt, entwickelt er einen Plan: Um den Ehebruch zu vertuschen, lässt er Uria aus dem Kriegslager holen, heuchelt Interesse und lässt sich von Uria von der Entwicklung des Krieges berichten. Und danach, ganz fürsorglich,  empfiehlt er dem Ahnungslosen, nach Hause zugehen. Ein Geschenk schickt er ihm noch hinterher und hofft nun, Uria würde nun auch den Reizen seiner schönen Frau erliegen und später nicht einmal ahnen, dass das Kind nicht von ihm wäre.

Doch David täuscht sich in Uria. Der bleibt bei seinen Männern und legt sich vor dem Königshaus, wie alle anderen, die ihn begleiteten, schlafen. Die nächste Nacht geht es genauso und selbst, als David den Uria betrunken macht, bleibt der doch seinen Prinzipen treu und kehrt zu seinen Männern zurück. David nun schreibt einen Brief an seinen Hauptmann Joab. Wörtlich heißt es im 2. Samuelbuch: Er schrieb aber in dem Brief: Stellt Uria vornehin, wo der Kampf am härtesten ist, und zieht euch hinter ihm zurück, dass er erschlagen werde und sterbe. (2. Sam 11, 15)

 

Der Plan gelingt. Joab gehorcht den Befehlen Davids, kennt keine Skrupel und stellt seinen Hauptmann im Kampf dahin, wo der Tod ihm sicher ist. Uria fällt im Kampf. Noch einmal sendet David einen Boten an seine Feldherrn und lässt ihm ausrichten: Lass dir das nicht leid sein, denn das Schwert frisst bald diesen, bald jenen. (Ebd., 11, 25). Sowenig und nicht mehr zum Verlust eines Menschenlebens.

Batseba hält die Totenklage um ihren Mann. Und als die vorgeschriebene Zeit der Klage um ist, holt David sie in sein Haus, macht sie zu seiner Frau und bekommt von ihr einen Sohn. Der war zwar in Unrecht, in Untreue und im Ehebruch gezeugt, aber ist nun doch rechtmäßig.

 

Und nichts bremste dieses Geschehen, kein Wunder ereignete sich, kein Engel hatte eingegriffen und das perfide Tun unterbunden. Nur einmal lüftet der Erzähler den Vorhang und lässt hinter die Weltlichkeit des Geschehens blicken: Aber dem HERRN missfiel die Tat, die David getan hatte. (Ebd., 11, 27). Das Missfallen Gottes aber bleibt folgenlos, wenn Menschen sich nicht aufgerufen fühlen, zu benennen, was falsch und gegen Gottes Willen ist.

 

Einer ist da, der von Davids Tat erfährt und ihn stellt. Es ist Nathan, angesehener religiöser Führer seiner Zeit. Er konfrontier seinen König mit folgender Geschichte: Es waren zwei Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm. Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder; aber der Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein, das er gekauft hatte. Und er nährte es, dass es groß wurde bei ihm zugleich mit seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß und er hielt’s wie eine Tochter. Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte er’s nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast etwas zuzurichten, der zu ihm gekommen war, sondern er nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es dem Mann zu, der zu ihm gekommen war. Da geriet David in großen Zorn über den Mann und sprach zu Nathan: So wahr der HERR lebt: Der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat! Dazu soll er das Schaf vierfach bezahlen, weil er das getan und sein eigenes geschont hat. Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann! So spricht der HERR, der Gott Israels: Ich habe dich zum König gesalbt über Israel und habe dich errettet aus der Hand Sauls und habe dir deines Herrn Haus gegeben, dazu seine Frauen, und habe dir das Haus Israel und Juda gegeben; und ist das zu wenig, will ich noch dies und das dazutun. Warum hast du denn das Wort des HERRN verachtet, dass du getan hast, was ihm missfiel? Uria, den Hetiter, hast du erschlagen mit dem Schwert, seine Frau hast du dir zur Frau genommen, ihn aber hast du umgebracht durchs Schwert der Ammoniter. Nun, so soll von deinem Hause das Schwert nimmermehr lassen, weil du mich verachtet und die Frau Urias, des Hetiters, genommen hast, dass sie deine Frau sei. … Da sprach David zu Nathan: Ich habe gesündigt gegen den HERRN. Nathan sprach zu David: So hat auch der HERR deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben. Aber weil du die Feinde des HERRN durch diese Sache zum Lästern gebracht hast, wird der Sohn, der dir geboren ist, des Todes sterben. Und Nathan ging heim. (2. Samuel 12, 1-10.13-15a)

 

David, Zerrbild seiner selbst, muss Nathan empfunden haben wie sein Spiegelbild. In ihm erkennt er sich und von ihm hört er: Du bist der Mann!

Aber die Selbsterkenntnis des David war durch Nathan genial vorbereitet. Seine Situation war ihm verfremdet vor Augen gestellt. Die Erzählung vom armen Mann, der nur sein kleines Schaf hat und es groß zieht wie sein eigenes Kind, geht unter die Haut. Die Brutalität, mit der dem Mann dann sein Schaf von dem Reichen genommen wird, wird umso krasser, unerträglicher.

Verständlich, dass David impulsiv ruft: „Bei Gott, der Mann ist des Todes!“ Sachlich überhaupt nicht angemessen, aber psychologisch verständlich. David hat sich noch nicht erkannt in dieser Geschichte, sieht keine Eigenanteile darin und kann sich ganz auf die Seite des Unglücklichen stellen - ohne Angst, damit über sich selbst zu urteilen. Und oft es ist so, dass gerade die, die tief in eigener Verfehlung stecken, besonders hart sind in dem Urteil über andere, die Gleiches tun.

Das, was ich selbst an mir verachte und verurteile, das leite ich um auf einen zu Verurteilenden – und dies in aller Schärfe und Härte.

Du bist der Mann! Und jetzt hilft kein Leugnen mehr. Die Anrede Nathans wechselt über in eine Gottesanrede und das Bekenntnis Davids zu seinem Fehlverhalten wird zu einem Schuldbekenntnis Gott gegenüber: „Ich habe gesündigt gegen den Herrn.“

Nein, die Opfer Davids werden nicht übersehen: der Machtmissbrauch gegenüber Joab, der Todesbefehl gegenüber Uria, der Ehebruch mit Batseba und vielleicht sogar die Vergewaltigung dieser Frau, sie werden nicht übersehen. Im Gegenteil: sie werden so groß gemacht, dass sie Gott selbst antasten und David von Gott trennen: „Ich habe gesündigt gegen den Herrn.“

Und die Antwort Gottes, die Nathan glaubt geben zu können, ist wieder eine Lebensantwort: „So hat auch der HERR deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben.“

Und jetzt erst, nach dieser tiefsten Infragestellung Davids, nach der schmerzhaften Erkenntnis seiner selbst und seiner Gottverlassenheit, nach dem Erschrecken darüber, was er anderen angetan und wozu er fähig ist, jetzt kann David sich selbst und sein Leben neu in den Blick nehmen.

Dass Gott bei mir ist und mit mir, dass muss ich wohl manchmal erst merken, wenn er gegen mich ist, mich radikal in Frage stellt.

 

Wie sehr wünschte ich, liebe Gemeinde, das Todesurteil über das Kind stände nicht in unserem Predigttext. Es ist aber da und im Verlauf der weiteren Geschichte wird das Kind sterben. Als eine theologische Aussage hat die Geschichte hier eine Grenze überschritten. Ich glaube gegen dieses Gottesbild, demzufolge Gott Kinder sterben lässt, an – mit eben dem Gott, der David leben lässt. Wieder und wieder sind wir herausgefordert, mit der Bibel gegen die Bibel anzugehen, biblische Aussagen von der von uns geglaubten Mitte der Schrift her, der Botschaft von der Liebe Gottes, zu verwerfen.

Ich bleibe bei meinem Glauben an Gott, der mich bis hinab an die Grenze von Leben und Tod in Frage stellt, mir nachgeht, bedrängend nah, mich stellt, mich ernst nimmt in meiner Verantwortung, die mir bitter schmeckt, mir ins Gesicht sagt: Du bist der Mann!“ – und mir doch zugewandt bleibt, mich wieder zurechtrückt.

Am Du Gottes treffe ich auf die Grenze meiner Macht und Fähigkeiten, meines Hochmutes, meiner Selbstgenügsamkeit. Das Du Gottes gibt dem Ich seinen Ort. Die Bibel würde sagen: an Gott selbst findet ein Mensch zu seiner Demut.

 

Gott als mein Gegenüber ist mein schönstes und größtes und erstes und letztes Gegenüber. Die Demut ist eine, ist meine Form, die Liebe und Schönheit Gottes anzuerkennen und gelten zu lassen.

Und so wird Demut eine besondere Sichtweise des Lebens und dieser Welt: „Demut“, schreibt Albert Schweitzer, „ist die Fähigkeit, auch zu den kleinsten Dingen im Leben emporzusehen.“

So verstehe ich denn auch diesen Wochenspruch und stelle mich gern unter seine Aufforderung: „Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den demütigen gibt er Gnade“ ( 1 Petr 5, 5b). Amen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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