2. Advent - Lukas 21, 25-33
Predigttext am 2. Advent: Lukas 21, 25 – 33
Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.
Liebe Gemeinde,
wir haben den Predigttext aus dem Lukasevangelium mit dem Sonntagskreis (eine Gruppe der Gemeinde) gelesen
Zwei Stellen haben uns näher beschäftigt
Erstens: das Wanken der Erde
und das Aufheben der Häupter
Zum Wanken der Erde hat Hellmuth Frey einiges notiert:
„Das Wanken der Erde
Wir hören in dem Text welche Zeichen geschehen werden, wenn das Reich Gottes nahe ist.
Der Text ist fast 2.000 Jahre alt.
Welche Zeichen sehen wir heute?
Den Klimawandel durch den CO2 Anstieg und die Erwärmung?
Naturkatastrophen, Überschwemmungen, Stürme, Erdbeben, Trockenheit?
Die allgemeine Unzufriedenheit bei all dem Überfluss den viele haben?
Persönliche Betroffenheit durch Krankheit und den Verlust von Angehörigen und Freunden?
Gemeinsame Betroffenheit durch Kriege und Konflikte in der Welt?
Bei uns ging der 2. Weltkrieg vor 70 Jahren zu Ende – Der Bosnienkrieg dauerte bis 1995 – In Syrien ist der Krieg im vollen Gange.
Flüchtlinge, Asylanten, Vertriebene kommen zu uns und brauchen Hilfe.
In vielen Ländern kann man nicht in Frieden leben.
Machtinteressen, Religionskonflikte, Expansionen sind Ursachen für vieles was heute passiert.
Aber sind das heute die Zeichen, die so deutlich sind, wie das Ausschlagen der Bäume im Frühsommer?
Sind das die Zeichen, das Gottes Reich nahe ist?
Oder dauert es noch 2000 Jahre?
Können wir heute etwas tun gegen das Wanken der Erde?
Durch Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft?
Durch Mut und Freundlichkeit?
Durch Vertrauen und Akzeptanz?
Ich denke ja, jeder alleine oder mehrere zusammen können etwas tun, um das Wanken der Erde zu beeinflussen und um Gottes Reich näher zu Kommen.“
Das Wanken der Erde - Lukas schreibt dann:
Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.
Zum zweiten Punkt hat Barbara Böttger-Gable Gedanken notiert.
„Wir haben gemeinsam im Sonntagskreis überlegt, was uns veranlassen könnte, den Kopf wieder zu heben und Vertrauen zu fassen:
Es kann helfen, wenn jemand anders uns in den Arm nimmt und uns seine Nähe zeigt.
Das können Menschen aus unserer Familie sein,
nahe Verwandte oder gute Freunde.
Das können Arbeitskollegen sein oder auch jemand, der uns eigentlich gar nicht so nahe steht, aber zur richtigen Zeit trotzdem die richtigen Worte für uns findet.
Solche Begegnungen können sehr ermutigend sein.
Es kann auch ein Bibelwort helfen.
Jesus sagt am Kreuz “Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Das ist eine groß Ermutigung, weil wir mit der Angst und Verzweiflung nicht mehr allein sind.
Es erlaubt uns, uns verlassen zu fühlen, ohne grundsätzlich alles in Frage u stellen.
Im Gespräch kam aber auch heraus, dass wir eben unterschiedliche Wünsche in einer solchen Situation haben.“
Das Wanken der Erde und das Aufheben der Häupter – gesprochen haben wir darüber
was die Verheißung der Nähe Gottes dabei bedeutet.
Lukas hat seinen Text nach dem Jahr 70 aufgeschrieben
Jerusalem war zerstört
Lukas wusste, wie es ist, wenn die Erde wankt
das Heiligste aus der Sicht der Juden war zerstört.
wie ein Taifun, der ein Land und einen Glauben zerstören will
In solchen Krisenzeiten gibt es immer Menschen
die die Zeichen der Zeit kennen
und dann Schlüsse ziehen,
wie
und vor allem wann
man sich auf das Ende einstellen soll.
Die einen versetzt dieses Rechnen in Panik
für die anderen - ein Hirngespinst
Auf wie viele Irrtümer kann man schon verweisen…
Und jetzt gibt es ähnliche Texte in der Bibel:
der Hinweis auf die Zeichen der Zeit
und die Verheißung auf das Kommen des Erlösers.
Wird da mit der Angst gespielt?
Oder ist das ein weiterer Text, der die Zweifler den Kopf schütteln läßt:
Was ist, wenn ein Kommen angekündigt wird – und es kommt niemand?!
Sollen wir noch einmal 2000 Jahre warten?!
Hat Jesus so gesprochen?
Nach Lukas schon
Und auch seine Ankündigungen sollen wahr werden
Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht.
bis die Erlösung kommt… - und? Sie ist nicht gekommen!
Jesus hätte den Text wahrscheinlich genauso sprechen können
Ein Wort, das über seinem Leben steht, ist das Wort „Naherwartung“
heißt: das Reich Gottes – Gott selber - kommt.
Das waren die Erwartungen auch um ihn herum
Er ist Kind seiner Zeit
Hoffnungen auf eine neue Erde und einen neuen Himmel
Wir haben das gerade am Ewigkeitssonntag – im Blick auf unsere Verstorbenen ja auch betont
Die gleiche Rede bei Jesus – wie bei vielen Zeitgenossen
Und trotzdem ist sie bei ihm ganz anders.
Jesus hat diese Naherwartung radikal anders gesehen
Das hat mir einen neuen Blick auf diese apokalyptischen Texte gegeben.
deswegen versuche ich, das zu erklären
Das Besondere nämlich:
Jesus hat nicht gerechnet:
Er sagt nicht:
Wenn das und das geschieht – wenn wir dann die Zeichen erkennen – dann ist es nicht mehr weit bis zum Kommen Gottes
Jesus hat dieses Rechnen mit seinem ganzen Leben abgelehnt.
Wir müssen – durch diese Worte – auf das, was ihm wichtig war – kommen
Jesus hat diese Begriffe vom Kommen des Reiches Gottes genutzt
die Redeform
aber er wollte keinen Rechenkurs starten
Er konnte gar nicht die Zeit ausrechnen bis zum Kommen Gottes
denn er wusste:
Das Reich Gottes kommt – und es fordert uns jetzt heraus.
Nicht erst morgen – oder wann auch immer. Jetzt
Und in dem er das sagt,
spürt man nichts von Angst, von Weltende, Gericht, Strafe –
Das ist nicht sein Thema
Gott kommt
der liebende Gott
Jetzt
und Jesus – der Mensch wie wir – hat ihn als den Vater im Himmel erkannt
Im Vertrauen wusste er sich als ein himmlisches Familienmitglied
wie es jeder Glaube wissen darf
Du bist mein geliebtes Kind
wie es jeder Glaube hören darf
Wohlgefallen vom Himmel
Gott, der allen Menschen das Heil
und nichts anderes - anbietet
Jesus hat in diesem Geschenk und mit diesem Geschenk gelebt.
Und er hat es radikal – einmalig getan.
Er hat
weil ihm das ganz klar war
es ihn erfüllt hat
er hat nicht die Sünden der Leute gesucht, sondern ihnen die Hand gereicht
ins Leben geholfen
Er hat den Himmel über ihnen weit gemacht
Den Gesetzen, die Menschen geknechtet haben, hat er widersprochen
Seine Liebe war Widerspruch – nicht eine blumige, sanfte Rede
Weil nur das der Weg Gottes sein konnte, hat er nichts gescheut, um den Weg zum Menschen zu finden
zu denen am Rande,
und er musste nicht lange überlegen, wer da am Rande lebt
Er hat sich von der herrschenden Meinung, von Vorurteilen anderer, nicht leiten lassen
Der GottesWeg zu den Menschen – zu allen Menschen – hat ihn geleitet.
Und er ist den Weg gegangen in einer unglaublichen Freiheit -
auch wenn die herrschende Meinung sich nun auch genau ihn richtete
ihn am Ende ans Kreuz brachte.
Diese Freiheit hatte er aus dieser Erfahrung
ganz zu Gott gehören zu dürfen
wie es jedem Glauben auch zugesprochen wird.
Diese Liebe Gottes und die Entschiedenheit, in dieser Liebe zu leben, haben Menschen an Jesus erkannt,
Darum hat das Worte „Liebe“ im Zusammenhang mit ihm, mit Glauben – nichts dekoratives
Es hat Göttliches
Und wenn einer fragt, was denn Gottes Liebe sei – dann verweist der Glaube auf Jesus.
Da wird sie sichtbar.
auch heute
– mit ihm –
sichtbar.
Es ist bei Jesus Kampf, Selbstverständlichkeit, Entschiedenheit, Dank – ohne das dunkle Tal bei ihm zu vergessen.
Zu dem Wort „Liebe“ gibt es bei ihm keine Alternative
Der Gott der Liebe kommt
Keine Berechnung, wann es denn nun nötig sein könnte, ernstlich vor Gott zu treten
um dann das Nötige zu tun,
Advent – Gottes Kommen - Nicht morgen! Oder an Weihnachten… oder in 2000 Jahren
Naherwartung heißt bei Jesus:
Jetzt ist die Entscheidung angesagt.
Das Kommen fordert uns heute heraus
nicht morgen
Ich bin als Gottes Geschöpf angesehen
und die Entscheidung kann doch nur sein:
Heute die Schöpfung angesehen zu machen
sie überhaupt anzusehen
das Unansehnliche - sehen, das Seufzen der Kreatur zu hören
und dann:
Liebe üben
Schöpfung bewahren
Da wo wir sehen, wie die Welt ins Wanken gerät
Hellmuth Frey hat das aufgezählt
da dürfen wir der Welt aus der Liebe des Himmels entgegentreten
heute
auch durch Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft
durch Mut und Freundlichkeit
und selbst mit meinem Einkauf heute bzw. morgen
gilt es, die Welt - und mein Tun für diese Welt - mitzudenken.
so verstehe ich Jesus – und das Dringliche beschreibt er in den Worten seiner Zeit
aber die Liebe ist HEUTE geschenkt und HEUTE von uns gefragt
Indem wir uns auf das HEUTE einlassen
wird die Verheißung der Gegenwart Gottes jetzt wirklich
Wir müssen nicht noch 2000 Jahre warten
Liebe Gemeinde!
Nichts Blumiges – von der Liebe Gottes zu reden
Von ihr zu reden – das geht nicht ohne Entschiedenheit.
Christsein ohne Entschiedenheit – nimmt Jesus nicht ernst.
Die Adventszeit mit ihren Texten
fragt nach dem Jetzt
Gleichzeitig stellt die Adventszeit aber auch die Entscheidung Gottes vor:
mein geliebtes Kind
mein Wohlgefallen gilt Dir
der Himmel
… wenn das nicht unser Haupt heben kann…?
Und die Begegnungen, die Barbara Böttger-Gable geschildert hat
sind wie kleine Wegweiser zu dieser göttlichen Liebe,
Wegweiser von Gott im Alltagsgewand
Liebe, die sich uns HEUTE schenkt und HEUTE von uns gefragt ist
Am letzten Sonntag haben wir eine Sendung im Deutschlandfunk
über Etti Hillesum gehört
1943 in Ausschwitz umgebracht – keine 30 Jahre alt
Sie lebte in Amsterdam
mit einer unbändigen Freude am Leben
Sie kannte große Leidenszeiten und Verzweiflung
aber sie konnte sich darin immer wieder erheben und dann sagen:
Wenn man einmal begonnen hat
an Gottes Hand zu wandern
dann wandert man weiter
das ganz Leben wird zu einer einzigen Wanderung
an dieser Hand
Und dann sagt sie an einer Stelle in ihrem Tagebuch geradezu zu unserem Text
Da es ja den Himmel gibt
warum darf man darin nicht leben –
… unsere Frage also: Wann erfüllen sich die Verheißungen?
und: Warum erst am ende – der neue Himmel und die neue Erde?!
Etti Hillesum sagt
und sie sagt es in dieser schrecklichen Nazizeit
Eigentlich ist es eher umgekehrt:
Der Himmel lebt in mir
Ich muss Gott und den Himmel nicht außen suchen
als Erfüllung ferner Verheißungen
Ich muss Gott und den Himmel suchen
wo ich ihn oft am wenigsten suche: in mir
So kann ich Not und Elend und Leid
und Gottes Liebe
zusammendenken
Denn Gott lebt in mir
Der Himmel ist in mir
Liebe Gemeinde!
Gott steht zu seinem Versprechen
auch wenn Himmel und Erde vergehen
auf sein Wort ist verlass
Die Liebe ist aber HEUTE geschenkt und HEUTE von uns gefragt
AMEN