7. Gebot

21.03.2004 | 09:26

7. „Du sollst nicht stehlen.“


Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war und der da ist und der da kommt. Amen.


Liebe Gemeinde!


„Du sollst nicht stehlen.“ Das 7. Gebot ist eines, über das schnell Konsens erzielt werden kann. Denn Diebstahl ist und gehört verboten und muss auch, im Falle des Falles, wieder gut gemacht und sanktioniert werden.
Der Konsens darüber gilt religionsübergreifend und im Großen und Ganzen weltweit. Er muss es auch, denn im Großen und Ganzen wie auch im Kleinen und Einzelnen wird weltweit gestohlen. 

Kriminologen und Juristen müssten jetzt das Wort übernehmen. Denn als Pastor kann ich mich nur dem Konsens anschließen und höchstens noch überlegen, inwieweit ich mich zu den Dieben zu zählen habe, die das Strafgesetzbuch nicht erfasst, die also legal anderen Menschen oder anderen Institutionen nehmen, was ihnen gehört. Und dann müssten wohl Wirtschaftsexperten her, um über fairen Handel, gerechte Weltwirtschaft oder Steuergesetzgebung zu reden.

Worüber aber kann man als Christ reden, wenn es um das 7. Gebot geht?
Einen ersten Hinweis gibt der Prolog der zehn Gebote. Gott stellt sich dem Volk Israel vor als einer, der dieses Volk und seine Menschen befreit hat. Befreit dazu, etwas zu tun und nicht nur zu lassen, befreit dazu, Gott und den Menschen in Freiheit zu begegnen – auch und gerade in Freiheit von den eigenen Zwängen und Begierden.
Der Mensch ist begabt, in jedem Handlungsfeld den anderen Freiraum und Lebensraum zu ermöglichen.
Eine bloße Abstinenz von verwerflichen Taten reicht nicht aus – so sehr die Wortwahl der einzelnen Gebote dies nahe legt. Das ist ihr Dilemma, gerade das Dilemma der negativ formulierten Gebote: Du sollst nicht – töten, ehebrechen, stehlen, falsch Zeugnis reden, begehren.
Anscheinend ermöglichen sie es einem Menschen durch bloßes Unterlassen von den angesprochenen Taten sich als Mensch zu fühlen, der Gottes Willen befolgt. Aber das reicht nicht. Nur wenn ich die Gebote für mich positiv formuliere, und ihnen ein „du bist befreit“ voran setze, verstehe ich Gottes Willen. So geht Martin Luther in seinen Erklärungen der Gebote immer einen Schritt weiter, den Schritt vom Unterlassen zum Tun. Zum 7. Gebot schreibt er: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsers Nächsten Geld oder Gut nicht nehmen, noch mit falscher Wahre oder Handel an uns bringen, sondern ihm sein Gut und Nahrung helfen bessern und behüten.“

Für das 7. Gebot heißt all das: Du bist befreit davon, immer nehmen zu müssen; du bist befreit zu gönnen und zu geben, zu bewahren und gerecht zu verteilen.  Wenn ich mir die Gebote als Christ wie einen Beichtspiegel vornehme und mich frage „Hast du gestohlen?“ dann ist die zweitschlechteste Antwort auf diese Frage „Ich habe nichts getan“.

Einen zweiten Hinweis darauf, wie christliche Rede vom 7. Gebot aussehen kann,  gibt der Kontext, in dem es steht.
Auf dem Gottesdienstzettel stehen die Gebote in der Übersetzung Martin Bubers, die dem hebräischen Sprachempfinden gerecht wird. Das 6. Gebot noch nimmt den Menschen in den Blick, der mir am nächsten ist, und schützt ihn vor meiner Unzuverlässigkeit und Untreue.
Das 8. Gebot nimmt den Volksgenossen oder Nächsten in den Blick, um ihn vor meiner Unredlichkeit oder Gehässigkeit zu schützen.
So geht es im 7. Gebot nicht um den Besitz oder das Eigentum eines anderen Menschen – das übernehmen die letzten beiden Gebote -, sondern um einen Menschen selbst, mir näher oder auch ferner.
Ursprünglich, in der Lebenswirklichkeit des alten Israel, wurde hier verboten, freie Israeliten gewaltsam zu versklaven, ob nun zum eigenen „Gebrauch“ oder zum Verkauf an andere.
 
Das scheint nun weit hergeholt und genauso veraltet, wie die Übersetzung Martin Bubers klingt. Aber ich gebe zu bedenken, dass viele Frauen als Opfer von Menschenraub hier in Hamburg in schäbigen Zimmern sitzen und auf Kunden oder Freier warten. Das ist ein Skandal, der noch lange nicht so groß ist, wie er eigentlich gehört.

So geht es um den Nächsten als einem Menschen, dem ich nicht stehlen soll, was zu ihm als Menschen gehört, was seinen menschlichen Reichtum ausmacht. Ich habe sie oder ihn nicht zu betrachten als Gegenstand, als Objekt meiner Anliegen, Wünsche und Begierden, sondern als ein freies Gegenüber, als einzigartigen Menschen sogar, Geschöpf Gottes, angewiesen auf andere, aber nicht anderen ausgeliefert.  

Stiehl nicht. Stiehl einen Menschen nicht. Entreiß ihn nicht dem Leben, nicht den Menschen, zu denen er gehört, nimm ihm nicht seine Vergangenheit und seine Zukunft. Stiehl nicht sein Selbstvertrauen, seine Hoffnung, seinen Mut, seine Zeit.

Es ist ein Verstoß gegen das 7. Gebot, den Menschen ihre Zeit zu stehlen, sich reinzudrängen in Debatten und Gespräche mit unnötigen Redereien, die nur dazu verhelfen, dass man selbst sich reden hört, obwohl alles schon gesagt ist oder hier nicht gesagt werden sollte.
Es ist ein Verstoß gegen das 7. Gebot, anderen mit geballter Resignation entgegenzutreten und ihnen den Mut und die Energie zu nehmen.
Es verstößt gegen Gottes Willen, anderen mit Worten und Taten das Selbstvertrauen zu stehlen oder die Zukunft, weil Bildung und Arbeit ihnen genommen werden. 
Es ist Hybris, Selbstüberschätzung und Hochmut, und es ist lieblos, Menschen und Welt zum eigenen Lustgewinn zu benutzen, ohne sie jemals selbst in den Blick zu nehmen. Ich stehle ihnen ihre Würde, ihr Subjektsein. Wer nicht liebt, der stiehlt.
Wir aber sind begabt zu lieben. „Denn Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1 Joh 4, 16). 

Der unmittelbare Bezug des 7. Gebotes auf den Menschen selbst, auf die Liebe zu ihm und sein Versuch, der Lieblosigkeit einen Riegel vorzuschieben, der hilft mir dann auch mittelbar, Besitz und Eigentum meines Nächsten zu achten, ihm all das zu gönnen oder ihm dazu zu verhelfen. Nicht Angst vor Sanktion hilft mir, das 7. Gebot im herkömmlichen Sinne zu achten, sondern Nächstenliebe.

So das 7. Gebot zu verstehen, bedeutet, mich in meiner Lieblosigkeit zu sehen, der ich oft genug ausgeliefert bin. Will ich die Gebote befolgen, dann muss ich immer wieder zurück zu dem, der mir dazu verhilft, weil er mir zur Liebe verhilft. Ohne Gott geht es nicht, weil es ohne Liebe nicht geht.
Die Zusage ist not-wendig: Ich bin der Herr dein Gott, der ich dich befreit habe.
Befreit zu geben und zu gönnen.

Amen.

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