9. Sonntag nach Trinitatis: Mt 7, 24-27

13.08.2017 | 12:00

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

worauf es ankommt im Leben, das begreift man meist erst dann, wenn es hart auf hart kommt.
Was wirklich zählt, das wird oft erst sichtbar, wenn all das, was für zu leicht befunden wurde, seine Schuldigkeit getan hat und gehen kann.
Was zu den Fundamenten gehört, die tragen im Leben, wird meistens dann erst wirklich klar, wenn alles andere eingestürzt ist. 

Wie oft haben Menschen das zu mir in Trauergesprächen gesagt oder bei Besuchen in Familien, in die eine wie auch immer geartete Katastrophe eingebrochen ist. Wie kenne ich das auch aus meinem eigenen Leben. Was wirklich zählt, spürt man oft erst dann, wenn es sich bewähren muss. Und auch, wer wirklich zählt, auf wen man sich verlassen kann, wer bleibt, wenn alle gehen.

Genau darum geht es in unserem heutigen Predigttext, um die Fundamente des Lebens. Darum, den Grund richtig zu wählen, auf dem man baut. Damit es keine bösen Überraschungen gibt.

Die Worte aus dem 7. Kapitel des Matthäusevangeliums beenden die Bergpredigt Jesu, diese monumentalen drei Kapitel 5-7, die mit den Seligpreisungen anheben (die wir auf unseren Antependien stehen haben zur Trinitatiszeit), die die Grundlegung unserer Seele bei Gott beschreiben, das Verhältnis von Gesetz und Evangelium bestimmen, uns die Feindesliebe auf die Agenda schreiben, uns beten lehren und Vertrauen zumuten, bevor sie mit den Versen unseres Predigttextes enden:

Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß.

"Das Leben ist der Himmel
Das Leben ist die Hölle
Du baust dein Glück auf Sand
dann kommt die Welle
An jedem deiner Tage
kann der Wind sich drehen"

singt Christina Stürmer in ihrem neuen Lied "Was wirklich bleibt".

Das stimmt. Wer kommt denn schon durch's Leben ohne dass er oder sie in schwere Wetter kommt. Es ist doch nicht so, dass wir unversehrt durch unsere Tage gehen, fast keiner, der unberührt bleibt von solchen Herausforderungen. Früher oder später wird es belastet werden, das Fundament unseres Lebens, der Ort, wo wir uns gründen: weil eine Diagnose uns in die Knie zwingt, der Tod eines Menschen uns den dunklen Pfad durch die Trauer zumutet mit allen Abgründen, die diesen Weg säumen können. Weil eine Scheidung die sicher geglaubten Pläne durchkreuzt, die wir hatten für unser Leben und wir bleiben orientierungslos und verletzt zurück. Weil eine Entlassung aus heiterem Himmel uns an einen Ort zwingt, den wir uns nie hätten vorstellen können für uns, eine falsche Entscheidung uns mit einer großen Schuld konfrontiert und wir nicht weiter wissen.

Dass der Boden unter den Füßen dünn ist, auf dem wir meistens so selbstsicher und gelassen schlendern, das merken wir alle früher oder später. Dass wir nicht unverletzlich sind und nicht unversehrt bleiben, unser Lebensentwurf nicht so durchträgt, wie wir uns das einmal dachten, das ist nicht wirklich schlimm, finde ich. Wir werden nicht nur älter, sondern im besten Falle auch weiser. Und im besten Falle erlauben wir uns, uns zu verändern und mitzuwachsen an den Herausforderungen, gerade den schwierigen des Weges. Aber wenn das Fundament unseres Lebens weggespült wird, dann sieht das anders aus.

Dann ist da nichts mehr, wenn zum Fundament, zum tragenden Grund etwas gehört, was vergänglich ist, was keinen Bestand hat, was vergänglich ist. Wer Zeit seines Lebens nicht gelernt hat – und meist lernen wir es erst in den Krisen eines Lebens - dass wir mehr sind als das, was wir leisten, mehr als unser Beruf, mehr als unsere Stärken und Möglichkeiten, für den bricht mit seinem sicher geblaubten Arbeitsplatz oder wenn der Ruhestand droht, alles weg, was ihm Sicherheit gegeben hat und einen Status.

Wer seinen tragenden Halt festmacht in seiner Gesundheit, in seiner Schönheit, seinem Prestige, dem wird die verheerende Diagnose nicht nur seine Lebensräume und Kammern fluten, sondern dabei gleich alles mitnehmen, was es lebenswert gemacht hat, dieses Leben.

Wer Sinn nur denken kann mit diesem einen Menschen an seiner Seite, der wird nicht loslassen können, weil da dann nichts mehr ist. Der wird nicht damit fertigwerden, wenn dieser geht, egal wodurch, durch Trennung, Verrat, Tod.

Wenn dann der Platzregen fällt und die Wasser kommen und die Winde wehen und an den Fundamenten rütteln, dann fällt es in sich zusammen und der Fall ist tief, heißt es.

Wer sein Fundament aber auf Fels baut, der baut auf etwas, das nicht vergänglich ist, das nicht kommt und geht mit den Höhen und Tiefen, den Erfolgen oder Niederlagen eines Lebens. Der weiß seinen Grund nicht in sich selbst und seinem Vermögen gelegt, sondern bei dem, von dem wir stammen und zu dem wir gehören, im Zweifel mehr als zu den Menschen, die unser Leben bestimmen. Der hat immer noch eine Adresse, wenn er obdachlos wird unter den Menschen. Wenn die Flut kommt und alles wegzureißen droht, weiß er noch immer eine Kammer, in die er sich bergen kann. Er bleibt nicht unberührt von der Katastrophe, aber er bleibt im Blick dieser Güte, die ihn nicht aufgibt und sich nicht verabschiedet.

"Und irgendwas gibt dir die Kraft
wieder aufzustehen",

singt Christina Stürmer weiter und fragt:

"Woran wirst du dich erinnern?
Woran willst du dich erinnern?
Und dann schaust du zurück,
zurück auf das, was wirklich bleibt
auf die Schatten und das Glück,
Wir haben nicht ewig Zeit,
sag mir, was wirklich bleibt."

Die Kraft, wieder aufzustehen, darum geht es. Die Kraft, neu zu beginnen, wenn die Kammern geflutet sind und die Katastrophe groß. Wenn nicht mehr viel aufeinander geblieben ist von dem, was vorher heil war und sich richtig angefühlt hat. Um die Kraft, dann nicht liegen zu bleiben, wenn das Leben dich angezählt hat. Weil es einen gibt, der sie dir schenkt und dir wieder aufhilft. Das Vertrauen, sich dann, gerade dann Gott anzuvertrauen und seinem Blick, der tiefer geht und mehr sieht als nur das Offensichtliche, nur die Katastrophe, zu belehnen, darum geht es.

Sich einem anderen hinzuhalten, der mich wirklich sieht und es gut mit mir meint, Zuflucht zu suchen und Ohnmacht einzugestehen und auszuhalten. Den Karfreitagserfahrungen des Lebens nicht das letzte Wort zu lassen, sie nicht aufeinander gestapelt abzulegen und bitter zu werden an ihnen, sondern den Weg weiter zu gehen im Vertrauen auf den, der den ganzen Weg kennt. Und so auf mein Ostermorgenrot vertrauen und Gott daraus nicht aus seinen Verheißungen entlassen.

Nicht immer fragen: "Warum gerade ich? Womit habe ich das verdient?" Was für sinnlose Fragen!

Eher: "Was lehrt es mich? Wozu fordert es mich auf? Was will es mir zeigen?"

Sich von Gott manchen Blickwinkel aufziehen lassen in seinem Warteraum, der einem fremd ist und mich verunsichern kann, aber ihn trotzdem anprobieren und erst dann entscheiden.

Hat das Leben mich wirklich nur an die Wand gespielt, wie ich manchmal denke? Ging es nicht vielleicht eher um ein Aufbrechen als ein Brechen, eher um ein Aufrütteln als um ein Zerstören, eher um die Chance, die harte Verkarstung aufzubrechen, die sich über das Herz gelegt hatte?

Leonard Cohen singt in einem seiner Lieder: "There is a crack in everything. That's where the light gets in."

Jeder dieser cracks, dieser Risse im Leben ist eine Möglichkeit, tiefer zu gehen, eine Einladung, sich aus der Spur bringen zu lassen und das gut geölte Rad des Alltags zum Stehen zu bringen. Einmal nicht weiter zu wissen und es auch nicht wissen zu müssen, einmal um Hilfe zu bitten. Darauf zu vertrauen, dass das noch nicht alles ist, dass durch die Risse auch Licht eindringt in die Kammer meines Kummers und Gott uns vielleicht gerade in ein anderes Licht stellt.

Innehalten und sich Gott hinhalten in diesen Zeiten, nicht einfach weiterlaufen im Hamsterrad des eigenen Getriebenseins. Sich aus dem Konzept bringen lassen. Heilige Momente sind das, glaube ich. Weil sich am Ende der eigenen Kraft Gott einfindet. Das erzählt die Bibel immer wieder und auch Menschen, die solche Wüstenwege gegangen sind, wissen darum und geben Zeugnis davon.

Das ist die Belastungsprobe für das Fundament eines Lebens. Und sie ist immer ein Prozess, keine schnelle Antwort. Richard Rohr beschreibt das so schön: "Wer loslässt, wird gehalten", heißt eins seiner Bücher, oder er sagt: "Dann fällst du dem lebendigen Gott in die Arme." Und genau so wie es klingt, kann es sich auch anfühlen, wenn in den Stürmen des Lebens das Fundament belastet wird und halten muss. Das ist kein Kinderspiel, da wird es ernst. Das geht es um alles. Das lässt sich nur selber erfahren, an diesem Punkt versagen alle hehren Worte. Diese Erfahrung gehört zu den Geheimnissen unseres Glaubens, von denen man nur dem erzählen kann, der es schon selber erlebt hat, wie eine solche Erfahrung sich ins Licht drehen kann. Dieses Fundament muss man belasten und belehnen durch Beten und Hoffen, durch Klagen und Wagen, dadurch, dass ich mich diesem Gott hinhalte, der zugesagt hat, das Fundament meines Lebens zu legen.

Das ist ja das Spannende an diesem Predigttext: wir bauen zwar manchmal auf Sand und es rächt sich bitter in den Stürmen unseres Lebens. Die Zerstörung ist groß und die Angst auch und manchmal bezahlt man es mit dem Leben. Gott aber hat unser Lebenshaus auf Fels gegründet. Die Frage ist nicht, ob es den Stürmen unseres Lebens stand hält, sondern ob wir uns seinem Fundament anvertrauen und es belasten. Und das ist keine theoretische Frage, das lässt sich nur praktisch erfahren. Vorher werden wir's nicht wissen.

Wer sich ihm anvertraut, der wird das Zeitliche segnen können von ganzem Herzen früher oder später. Der wird seinen eigenen Weg, wie immer er aussah und durch welche Wetter auch immer er geführt hat, wertschätzen, mit allem auf und ab, Irrwege und Umwege inklusive. Weil sie ihn zu dem Menschen gemacht haben, der er am Ende ist. Zu einem Menschen, der dankbar geworden ist für das große Geheimnis Leben, das ihm anvertraut ist zu treuen Händen. Dass er nicht selber gründen kann und auch nicht selber gründen muss, weil Gott es längst gegründet hat. Das ist vielleicht die größte Entdeckung auf diesem Weg, die man machen kann. Und die größte Freude.

Amen.

 

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