Jesaja 29, 17-24

11.09.2011 | 02:00

Klaus-Georg Poehls

Die Gnade unserer Herrn Jeses Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Was, liebe Gemeinde, die Zuverlässigkeit der Zeit ansagen betrifft, so steht  die viel gescholtene Bundesbahn noch besser als die Bibel da. Während ich bei meiner letzten Zugfahrt erfahren musste, wie aus fünf angesagten Minuten Verspätung, zehn, fünfzehn, dreißig, vierzig und letztlich und tatsächlich neunzig Minuten wurden, so sind aus den biblischen Zeitansagen des großen Weltenwandels, des Kommen des reiches Gottes, die von „nahe“, „bald“ und, wie in unserem Predigttext, von einer „kleinen Weile“ sprechen, mittlerweile über zweieinhalbtausend Jahre bei Jesaja und über zweitausend Jahre bei Jesus geworden. Selbst aus göttlicher Perspektive, in der tausend Jahre sind wie ein Tag, sind zwei Tage Verspätung immer noch ein Ärgernis und geben Anlass zu berechtigtem Zweifel an der Zuverlässigkeit. Sie geben Anlass nicht nur zum Zweifel an der Zuverlässigkeit des Eintreffens des Angekündigten, sondern Anlass zum Zweifel am Angekündigten selbst.

„Wohlan, es ist noch eine kleine Weile, so soll der Libanon fruchtbares Land werden, und was jetzt fruchtbares Land ist, soll wie ein Wald werden.

Zu der Zeit werden die Tauben hören die Worte des Buches, und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen; und die Elenden werden wieder Freude haben am Herren, und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein in dem Heiligen Israels.

Denn es wird ein Ende haben mit den Tyrannen und mit den Spöttern aus sein, und es werden vertilgt werden alle, die darauf aus sind, Unheil anzurichten…“

Der Prophet Jesaja schaut sich um in seinem Land, in seiner kleinen Welt und sieht, dass sie im Argen ist. Das Recht wird gebeugt, Ungerechtigkeit herrscht, Elend und Armut innerhalb der Gesellschaft werden nicht zur Kenntnis genommen, korrupte Richter verurteilen Verbrecher nicht oder zu milde, wenn unter dem Stadttor zu Gericht gesessen wird, korrupte und gewalttätige Rechtsbrecher drohen den Richtern, versuchen sie einzuschüchtern. Selbst das Land, die Natur  ist zu einer Ödnis geworden, liegt brach, wartet auf seine Fruchtbarkeit und Schönheit, die ihm genommen wurde.

Ein paar Menschen schämen sich, sind entsetzt über das, was passiert in ihrem Land, die anderen machen mit oder zucken die Schultern: es lässt sich ja doch nichts ändern.

Ein uralter Spiegel wird mir vorgehalten und ich erkenne mein Land, meine Welt darin, kann mit jedem anklagenden uraltem Wort eine aktuelle Nachricht, ein Bild aus Zeitung oder Fernsehen verbinden. Es hat sich nichts geändert; die Ärmsten unter den Menschen haben immer noch keinen  Grund zur Fröhlichkeit und die Elenden haben keine Freude am Herrn – das christliche Abendland lässt sie eher im Mittelmeer ertrinken, als dass es sich um sie kümmerte, wir werfen lieber 50 Prozent unserer Lebensmittel auf den Müll, als den Hunger im östlichen Afrika zu bekämpfen. 

Gestern gab es in unserer Gemeinde zwei tolle und schöne, anrührende und begeisternde Konzerte zu hören: Der Cantus Blankenese sang alte Volkslieder, teils neu gesetzt und kontrastiert durch Texte der Jugendgruppe Marafiki, die kleine Einblicke gaben in den herben Alltag der Menschen in Tansania.

Und eine Stunde später gaben die „Friedensbringer“ ihr Konzert; Jugendliche sangen von ihrem Glauben, von ihrer Hoffnung auf eine Welt, in der Frieden herrscht..

Sollten wir sie nicht bitten, damit aufzuhören? Und sollten wir den Marafiki nicht sagen, dass es sich nicht lohnt, die Lebensumstände von anderen verbessern zu wollen, weil sich eben die Welt nicht ändern lässt?

Sollten wir unsere Kinder in der Schule, in unserer Gemeinde nicht endlich lehren, was der Zustand der Welt uns lehrt, und was wir Ihnen vorleben: dass sie kalt werden sollen und zynisch, sich durchsetzen sollen gegen die anderen, sonst gehören sie zu den Verlierern, dass es sich nicht lohnt, auf die anderen zu blicken mit Wohlwollen und Sympathie, sondern nur mit der Frage „Was bringst du mir?“, „Wie kann ich dich nutzen?“ - ?

Das Nein auf diese Frage will schnell kommen, vielleicht zu schnell. Natürlich sollen wir Resignation und Zynismus nicht leben und lehren. Aber dann dürfen wir der üblen Realität dieser Welt – es gibt ja auch eine schöne, eine wunderbare – dann dürfen wir der üblen Realität nicht Recht geben. Dann müssen wir wieder Protestanten werden – Menschen, die aufstehen gegen alles, was gegen Gottes liebevollen Willen ist.

Denn Jesaja sagt: es liegt alles daran, dass auf Gott nicht gehört wird. Sein Wille ist doch niedergeschrieben; „es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott“, so hatte es schon Jesajas Kollege im Prophetenamt, Micha, gesagt. Und Jesaja ergänzt: „Und die, welche irren in ihrem Geist, werden Verstand annehmen, und die, welche murren, werde sich belehren lassen.“

Jesaja behauptet tatsächlich, dass der Mensch lernfähig ist, dass er Verstand annehmen, erkennen kann. Was Gott für die Menschen und für diese Welt will, widerspricht nicht, sondern entspricht dem Menschen in allen seinen Bezügen: auf Verstandesebene, wie auf den Ebenen des Empfindens, der Sehnsucht, des Hoffens.

Die Rückbindung an Gott, den Heiligen Israels und den lieben Vater Jesu, richtet den Menschen aus in seinem Denken, Fühlen und Handeln – hin zu einer Ehrfurcht vor dem Leben, hin zu einer Haltung und einem Ethos, ohne das keine Rechtsordnung, keine Gesellschaft auf Dauer bestehen kann. Und dass diese Haltung und dieses Ethos sich in allen Religionen finden lassen, dass sie sich auch finden lassen bei nicht-religiösen Menschen mit einer tiefen Humanität, das ist doch nicht nur Hoffnung dieser Welt, sondern ist schon jetzt eine andere Realität, die die Lebensumstände unzähliger Menschen bessert, und die mitzugestalten wir alle eingeladen, nein: von Gott her aufgefordert sind.

Es gibt ein Weltethos:

125 Religionen haben 1993 vier Leitsätze aufgestellt, zu denen sie sich verpflichtet haben, aus ihren jeweiligen Glaubensüberzeugungen heraus: 

Hab’ Ehrfurcht vor dem Leben!

Handle gerecht und fair!

Rede und handle wahrhaftig!

Achtet und liebet einander!

Dieses Weltethos mit zu gestalten, auszugestalten, sind wir nicht nur unserem Gott, nicht nur uns selbst, sondern unseren Kindern und unserer Welt schuldig. Und den Friedensbringern, die von ihrer Hoffnung sangen und singen, und den Marafiki, die sich einsetzen für die Aidswaisen in unseren Partnerdörfern, können wir nur Dank sagen und „Ihr habt Recht!“.

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