Johannes 3, 31-36

26.12.2012 | 01:00

K.-G. Poehls

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

 

 

Liebe Gemeinde,

 

 

wie schnell werden wir eingeholt in unserer weihnachtlichen Stimmung vom Alltag, von dem, was geschieht in unserer Welt. Wer gestern oder heute heile Welt erlebt hat oder erlebt, hat viel Glück gehabt, weiß aber, dass auch sein Glück bald zu Ende sein wird. Die Welt, in der wir leben, gibt Weihnachten kaum Raum; das ist wie in der Weihnachtsgeschichte selbst: kein Raum in der Herberge für Maria und Joseph und kein Raum in der Welt für das Heil, das mit ihrem Kind in die Welt kam.

 

Wie oft ist zu hören, die Welt sei schlecht. Und man kann immer nur halbherzig „ja aber“ sagen und auf Schönes verweisen, denn in der Masse scheint das Schlechte zu überwiegen, der berühmte Blick in die Presse oder ins Fernsehen genügt.

 

Und wer die Welt so sieht und sie in Verbindung bringt mit Gott, der sieht sie dann manchmal schnell unter dem Zorn Gottes stehen. Oder wünscht sich einen Gott, der mal kräftig dazwischen haut. Oder zieht sich mit seinem „lieben Gott“ zurück ins Gemüt, ins Private, wo es heimelig ist und sicher.

 

Wie auch immer: wer sich Gott wünscht und vorstellt, der tut das auf dem Hintergrund seiner Weltsicht.

 

Im Evangelium des Johannes wird das so beschrieben: „Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde“. Johannes behauptet: wir irdischen reden auch von Gott irdisch. Wir von der Erde und auf der Erde, die wir nicht klar kommen mit der Erde und auf der Erde, bauen uns einen Gott zusammen nach unseren irdischen Wünschen und Vorstellungen, einen irdischen Gott. Die Bibel nennt das einen Götzen. Das Dilemma: selbst wenn wir in unserem Gottesbildern absähen von uns selbst – kann man das? -, selbst wenn wir einen Gott glaubten, der Gegenentwurf zu jedem eignen Sehnen und Interesse wäre, wenn wir uns auf andere beriefen, auf Propheten oder Gottessöhne oder Gottestöchter: wir hätten Gott immer nur in irdischen Worten, in von Menschen verfassten Schriften mit dem jeweiligen Verständnishorizont ihrer Zeit und Kultur. Gott selbst aber als der Unendliche und Unbegreifliche, als der Unsichtbare und Unbegrenzbare kann niemals Objekt sein – auch nicht direktes Objekt unserer Sprache.  Rede von Gott kann daher immer nur „in Symbolen, Bildern und Analogien“ erfolgen. Ich zitiere den Theologen Matthias Kroeger: „Symbole und  Analogien verwendet man zwingend nur, wenn das Gemeinte anders als eben in Symbolen und Bildern nicht ausgesagt werden kann, weil das Gemeinte und Gesuchte direkt und gegenständlich nicht erfassbar und nicht beschreibbar, nicht sagbar ist“ (M. Kroeger, Im religiösen Umbruch der Welt: Der fällige Ruck in den Köpfen der Kirche, 91f.). Das muss uns bewusst bleiben, gerade wenn wir Weihnachten feiern und unsere Sprache von Symbolik nur so wimmelt. Dieser große weihnachtliche Satz „Gott ist Mensch geworden“ ist auch symbolhafte Rede, die eine göttliche und so menschennahe Wirklichkeit nur zu umschreiben versucht.

 

 

„Gott aber ist im Himmel und wir sind auf der Erde“, so hat der Theologe Karl Barth das Dilemma der Gottesvorstellungen beschrieben. Die Alternative ist der Glaube daran, dass Gott selbst sich in dieser Welt offenbart. Das heißt: ich als Geschöpf, als Mensch, habe einen Sensus für den Schöpfer, für Gott. Er kann mich ergreifen und bewegen, kann mich stärken und zur Demut bringen.

 

Aber auch das ist keine wasserdichte, keine ideologieresistente, keine psychologisch nicht demontierbare Alternative, sondern eine Glaubensalternative. Und die Wahrheit eines Glaubens setzt sich nicht als demoskopische Entwicklung, nicht als politische Richtung oder Macht durch, sondern als Wahrheit Gottes. Und das heißt: vom Ende der Zeit her.

 

 

Und wenn wir Jesus den Christus als den Menschen glauben, in dem Gott sich offenbart hat, und wenn wir glauben, dass Gottes Geist uns wirklich erreicht, wie ein Sonnenstrahl mich erreicht, dann ist das für uns eine Alternative zu anderen Gottesvorstellungen und Religionsausübungen, ist wahrer Glaube für mich, weil er mich trägt und hält. Aber als objektive alleingültige Wahrheit steht dieser Glaube noch auf dem Spiel. Es ist nicht ausgemacht, ob wir am Ende mit unsrem Glauben als dem einzig wahren Glauben dastehen werden. Und das sollte jede Religion bescheiden machen.

 

Denn dies ist ein intellektueller Vorbehalt jeder Religion und jeder religiösen Ansicht gegenüber. Ein Vorbehalt, der vor Wahrheitsfanatikern schützt, der aber nichts austrägt für die Bedeutung, die mein Glaube für mein Leben und für diese Welt hat.

 

Und die ist groß, ungleich größer als jeder Glaube, dem es „nur“ um das Seelenheil eines Einzelnen oder um das Wohlergehen einer einzelnen Nation oder Religion geht. Denn der christliche Glaube nimmt diese Welt, diese Erde in den Blick ohne einen Menschen aus den Augen zu verlieren. „Siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr“. Wenn wir als Christen diese Engelsbotschaft glauben, dann haben wir „allem Volk“ auch eine Freude zu sein – keine Last, keine Bedrohung – eine Freude. Die Alternative des christlichen Glaubens ist eine freudige oder keine.

 

Denn er  nimmt diese Welt ernst in ihrer Angewiesenheit auf einen Gott und er glaubt einen Gott, der diese Welt so ernst nimmt, dass er sich ihr ausliefert.

 

 

Und ist es nicht so gar so, dass, wenn man alle Gottesbilder durchdenkt, wenn man sieht, wie Macht und Stärke immer wieder mutieren zu Kraftmeierei oder Tyrannei und Korruption, dass diese Welt Gott gar keine andere Möglichkeit gelassen hat, als alle Machtphantasien zu durchkreuzen und in einer schutzlosen Liebe, in einem Kind diese Welt und ihre Menschen retten zu wollen?

 

Wenn wir schon in der Lage sind, Gott zu spielen und den Menschen neu nach Maß zu schaffen, „musste“ Gott sich da nicht ganz zurücknehmen, sein Gottsein aufgeben und „Mensch werden“, nur, damit Menschlichkeit wieder einzieht in diese Welt? Und im Hinterkopf blinkt die Warnlampe: dies ist bildhafte, symbolische Rede, die versucht, die göttliche Wirklichkeit, die uns umgibt, in unser Menschsein hineinzuziehen, sie so werden zu lassen, dass sie mich persönlich angeht.

 

 

Johannes, der Evangelist, der man mit dem Adler, war Theologe seiner Zeit. Oft bin ich geneigt, ihm vorzuwerfen, dass er unsere Welt nicht mag. Er trennt scharf zwischen Himmel und Erde und meistens schwebt er wie der Adler weit über uns. Aber nehmen wir doch mal an, er mag diese Welt und teilt die eben dargelegten Gedanken.

 

Dann sieht er einen Mittler zwischen Himmel und Erde, der seinen Vorstellungen nach bei Gott im Himmel gewesen sein muss von Anbeginn der Zeit, der sich praktisch da oben auskennt. Er ist voll mit Gottes Geist, so dass, wer ihn hört, Gott hört. Johannes schreibt das so:

 

 

Der von oben her kommt, ist über allen. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, der ist über allen und bezeugt, was er gesehen und gehört hat; und sein Zeugnis nimmt niemand an. Wer es aber annimmt, der besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist. Denn der, den Gott gesandt hat, redet Gottes Worte; denn Gott gibt den Geist ohne Maß. Der Vater hat den Sohn lieb und hat ihm alles in seine Hand gegeben. Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer aber dem Sohn nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.

 

 

Mir widerstrebt es nicht nur an diesem Tag, sondern grundsätzlich, vom Zorn Gottes über irgendwelchen Menschen zu reden. Natürlich gibt es die Rede vom Zorn Gottes in der Bibel, sie kommt sogar recht häufig vor, im Neuen wie im Alten Testament.

 

Sie ist Konsequenz der Rede von der Liebe Gottes, denn Liebe setzt so etwas wie eine „Person“ voraus. Eine Macht kann nicht lieben, ein Urgrund des Seins, ein kosmisches Gesetz können das auch nicht. So ist Gott ein personhafter Gott – natürlich immer mehr als eine Person, aber eben auch nicht weniger. Und er hat sich auch darin wiederum menschlichen Vorstellungen ausgeliefert, auch den Vorstellungen vom Zorn.

 

Die Rede von Gottes Zorn aber darf nicht losgelöst werden, von seiner bedingungslosen Zuwendung und seinem nach Antwort verlangenden Gemeinschaftswillen, sprich seiner Liebe. Und wo diese Liebe verraten wird, auch in ihrer Form der Nächstenliebe, da hat das Konsequenzen. Wer seine Liebe verrät, empfindet sich selbst als schmerzhaft bestraft. Bringt er oder sie diese Liebe in Verbindung zu Gott, ist dieser Verrat der Liebe in sich Strafe oder Zorn Gottes. So ist, was ich als Zorn Gottes empfinde, nichts anderes als mein eigener Ausschluss aus einer von Liebe getragenen Gemeinschaft.

 

Und weil wir durch Jesus Gott als einen glauben, der mit seiner Liebe wirbt, und der nicht aufgibt, zu werben, muss das Bild vom Zorn Gottes aufgegeben werden. Es lockt auf die falsche Fährte. Es macht nicht klar, dass es um den Verrat an der Liebe und um den „Schmerz Gottes über diesen Verrat“ geht.

 

 

Gott ist Liebe und Liebe hat Konsequenz, setzt sich fort, teilt sich mit. Liebe kennt keinen Stillstand, der wäre ihr Tod. Dafür steht das Kind aus Bethlehem schon in seinem Kindsein, in seinem Ausgeliefertsein, seiner Schutzbedürftigkeit und mit seinem ganzen späteren Leben und Sterben und Auferstehen.

 

Und so liegt es nun an uns, so wie die Hirten loszugehen und die Botschaft von Weihnachten in die Welt zu tragen, Weihnachten Raum in dieser Welt zu geben. Es ist eine Liebe in dieser Welt angekommen, und diese Liebe will sich mitteilen und diese Welt verändern, zur Freude hin, zum Frieden hin. Hier ist unser Gehorsam gefordert.

 

Wer meint, das gehe nicht, muss wohl noch einmal hinhören auf den Engel, um zu verstehen, dass Weihnachten Weltbedeutung hat:

 

„Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids“.

 

 

Amen.

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