Johannes 6, 55-65

03.04.2011 | 02:00

Klaus-Georg Poehls

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Was nehmen wir zu uns, wenn wir am Altar Brot essen und Wein trinken? Welche der  sogenannten Spendeformeln, die Ihnen bei der Austeilung zugesagt werden, glauben Sie? Nehmen Sie, nehmt Ihr Jugendlichen, wirklich zu, was da behauptet wird über eine Oblate, über einen Kelch voll Wein? Und es wird ja Unterschiedliches behauptet, denn es gibt bei uns keine Einigkeit am Tisch des Herrn: 

„Christi Leib, für dich gegeben“

„Christus für dich“

„Das Brot des Lebens für dich“

„Christi Blut für dich vergossen“

„Der Kelch des Heils für dich“

„Christus für dich“ – schon wieder, hatten wir doch eben erst

„Gottes Liebe für dich“

Bei welcher Spendeformel sagen Sie, sagt Ihr, Amen – so ist es für mich!

Oder sagt man lieber nichts, weil es nach nichts schmeckt, sich nach nichts anfühlt und man nichts davon glauben kann?

Wenn mir etwas in Fleisch und Blut übergegangen ist, liebe Gemeinde, wenn ich etwas in mir habe, das mich ausmacht, mich bewegt, erfüllt, bereichert, dann habe ich oft genug ein Bild, einen Gegenstand, ein Wort dazu. Wenn sich ein Japaner verneigt vor der Flagge seines Landes, dann nicht vor einem Stück Stoff, sondern vor dem Gemeinwesen, dem er sich zugehörig und verpflichtet fühlt und beides ist, wenn nicht gespielt, da: Zugehörigkeit und Verpflichtung.

Wenn sich ein Teenager eine Konzertkarte der Lieblingsband an die Pinnwand heftet und keiner sie da wegnehmen darf, dann nicht, weil sie ein Stück Papier ist, sondern weil mit ihr und durch sie das Gefühl eines ganz bestimmten Abends, einer ganz bestimmten Musik wieder da ist, das Erlebnis selbst, zum Heulen schön.

Manche Stempel werden nicht von der Hand gewaschen, manche Freundschaftsbänder dürfen nicht abreißen, über manche Musik darf kein falscher Ton gesagt werden, manche kleine Figur darf keinem Spott ausgesetzt werden – obwohl „Kitsch as Kitsch can“. Wir hängen dran – wir hängen dran.

Nicht anders  für viele von uns bei einer Oblate, einem Schluck Wein. Wie groß wären Empörung und Entsetzen, wenn ich von der Kanzel herab einen Kelch ausgösse oder Oblaten unter die Gemeinde würfe, wie Karamellen beim Karneval? Und wie sehr würden andere wiederum denken: „Nanu, ist denn immer noch Karneval und ist der Wein denn so schlecht?“

Was ist uns heilig, woran hänge ich, wenn es um meinen Glauben geht?

Wir haben einen verstörenden Text gehört, mussten ihn würdigen mit einem „Lob sei dir, o Christe“. Einen Text, in dem es selber heißt: „Das ist eine harte Rede; wer kann sie hören?“

„Mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank.  Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm.“

So lässt der Evangelist Johannes Jesus sprechen, so sollen die johanneischen Gemeinden Abendmahl feiern.

Nun wird es ein wenig mulmig. Die Aufforderung ergeht, vom Fleisch eines Gekreuzigten zu essen, denn das sei das Brot, welches Leben in Ewigkeit gewähre, und das Blut eines Geopferten zu trinken, denn in ihm, dem Blut, sei die bleibende Verbindung zwischen Meister und Jünger.  

Natürlich ist es nicht wörtlich gemeint, natürlich würde der Evangelist heute mit anderen Worten versuchen, seinen Glauben deutlich zu machen - aber wohl immer noch in Krassheit provozierend. Deutlich soll werden: es geht um mehr als bloßes intellektuelles Verstehen, mehr auch als um stilles Hören und Glauben. Mit den Sinnen bin ich gefordert, wie mit dem Geist, und es geht um eine Entscheidung, zu der ich mich durchringen muss.

Fleisch und Blut meinen den ganzen Jesus von Nazareth. Jesus möchte uns als Fleisch und Blut in Fleisch und Blut übergehen. Seine Person, sein Leben, Sterben und Auferstehen, seine Gefühle, seine Liebe zu den Menschen, seine ungebrochene Hoffnung auf Gott. Auch sein Zorn über Ungerechtigkeit, sein Mitgefühl für die Schwachen der Gesellschaft, gerade für die so gern verfemten Randgruppen – Roma und Sinti, die an die Küsten Europas geschwemmten Flüchtlinge - , seine Sorglosigkeit und seine Freude am Leben. So Jesus aufzunehmen, als Fleisch und Blut und nicht als Idee am Sonntagmorgen, bedeutet Leben zu gewinnen. Will ich das?

Stets ist man ja geneigt, einen Menschen zu reduzieren: auf seine Kleidung, seine Leistung sein Aussehen oder sein Alter. Und oft genug wird Jesus reduziert auf einen guten Menschen oder anders: auf seine Botschaft von der Nächstenliebe. Das ist nicht falsch; Nächstenliebe kann, ja muss eine Grundeinstellung zum Leben sein. Wer sein Leben nach dem Gebot der Nächstenliebe ausrichten will, ist Gott sicher mehr auf der Spur als einer, der sich im Ewigen zu versenken sucht.

Wichtig ist dann nur: wodurch bekomme ich die Kraft zu solch einem Leben, wovon will ich satt werden? Deshalb erinnert der Jesus des Johannesevangeliums  an die Vorfahren seiner Zuhörer: „ Dies ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Es ist nicht wie bei den Vätern, die gegessen haben und gestorben sind. Wer dies Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.“

Er greift zurück in die Vorzeit des Volkes Israel, als sich die Israeliten aus der ägyptischen Unterdrückung befreit  hatten und über die Sinai-Halbinsel in die Wüste Sin kamen und dort jeden Morgen etwas Rundes und Kleines, wie Reif auf der Erde fanden. Damit stillten sie ihren Hunger. Diese zuckrige Substanz, die von Schildläusen produziert wurde, war ihnen ein wunderbares Rätsel. „Manna“ nannten sie es, was wohl „was ist das?“ bedeutet. Und in ihrer Dankbarkeit nannten sie es auch „Brot vom Himmel“.

Gestorben sind sie trotzdem, sagt Jesus. Natürlich. Ihm kommt es nur darauf an, dem, was die Welt uns bietet – und das ist ja eine Unzahl von Verlockungen – den richtigen Platz zuzuweisen. Denn die Versuchung ist groß, Dingen einen Platz einzuräumen, der ihnen nicht zukommt. Gerade den Dingen, die mein Leben schöner, intensiver, sicherer oder auch länger machen wollen. Sie können zu Ersatzsakramenten werden.

Oft genug sind es solche, die das Leiden ausklammern wollen. Und weil meine Lieben kein Leid erfahren sollen, weil ich selbst das Leiden fürchte, ist die Verlockung groß, in allem, was Leid verhindert, das Heil zu sehen. Von der Genforschung, die verspricht, Krankheiten gar nicht erst auf die Welt zu bringen, denn sie wird keine kranken Lebewesen, keine kranken Menschenmehr  auf die Welt bringen, bis hin zu allem, was hilft, das Leid verborgen zu halten – hinter Krankenhaus- und Pflegeheimmauern, hinter der Fassade von Leistung und Schönheit, hinter dem Monitor oder den Buchstaben von Schreckensmeldungen.

Mit dem Leid geht aber auch das Mitleid verloren, das Wissen um die Würde des Menschen, die eben nicht an seiner körperlichen oder geistigen Verfassung hängt, dazu. Wer das Leid nicht mehr sehen will, wird bald nicht mehr die Schönheit und Kostbarkeit des Lebens sehen, wer stets auf der Seite von Gesundheit und Stärke stehen will, wird Schwäche für un-natürlich halten und schwache Menschen für un-menschlich. Menschlichkeit schafft sich ab.

Aber wir glauben Jesus nicht nur als den Verfechter der Nächsten- sondern auch der Gottesliebe, als den, der so eng mit Gott verbunden ist, dass wer an ihn glaubt, auch an Gott glaubt.

Wer Jesus in sich aufnimmt, wer nicht genug bekommen kann von seinem Leben und wem sein Sterben nicht genug ist, so wie es Gott nicht genug war und er die Auferstehung dazusetzte, wer die Geschichten und die Botschaft des Mannes aus Nazareth immer wieder durchkaut, der entdeckt Gott. Und der schmeckt das Leben, wie Gott es für seine Menschen will – voller Freude, auch im Leid.

Denn Gott hat sich ganz gebunden an diesen Mann aus Nazareth. In der Forderung Jesu nach Nächstenliebe gibt Gott die Kraft dazu, in der Freude Jesu freut Gott sich an den Menschen, im Zorn Jesu empört Gott sich über das Unrecht, im Leiden Jesu ist Gott den Leidenden dieser Erde nahe, im Tod Jesu hält Gott den Atem an und in der Auferstehung Jesu nimmt Gott unsere Toten an die Hand und führt sie in ein neues Leben. So ist Jesus das Brot des Lebens, das vom Himmel kommt.

So Jesus aufzunehmen, bedeutet Leben zu gewinnen. Ewiges Leben:

Leben also, das seinen Ort bei Gott hat -  jetzt und nach dem Tod, Leben also, das in die Tiefe geht, auch in die Abgründe des Daseins, bis an seinen Grund, bis zu Gott, dem Urgrund und dem Ziel. Leben, das anderen das Leben gönnt  - von Herzen und mit aller Großzügigkeit, die Christen auszeichnen muss. So ist Jesus die Liebe Gottes.

Diese Liebe ist da, wir können sie nicht schaffen, wir können sie nicht in eine Oblate oder in einen Kelch „hineinverwandeln“. Brot und Wein sind in ihrer Dinglichkeit nicht „Arzneimittel des Ewigen Lebens“, wie sie in der frühen Kirche von Ignatius genannt wurden, sind in ihrer Dinglichkeit nicht Leib und Blut Jesu. Jetzt gilt das andere Wort aus dem Predigttext: „Der Geist ist's, der lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und sind Leben.“ Gott selbst ist Geist und ist da; Gott selbst ist die Liebe und ist da.

Aber damit sie uns erfüllt, müssen wir uns für sie entscheiden, uns ihr öffnen, sie aufnehmen wollen, sie weitergeben wollen, sie immer wieder einüben. Deshalb ist im jedem Gottesdienst die Feier des Abendmahls ein erneutes Durchstarten. Neu stellen wir uns vor Gott, neu entdecken wir die, die um uns stehen, mit Respekt, Dankbarkeit und Freude empfangen wir Gottes Lebensgaben, Brot und Wein, und können mit ihnen schmecken und fühlen, wovon und worin wir leben – von der Liebe Gottes und in ihr, von der Gemeinschaft von Menschen und in ihr.

Zu einem Wort Gottes selbst kann  werden, was der Evangelist Johannes Jesus sprechen lässt:  „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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