Karfreitagspredigt

06.04.2012 | 02:00

Th. Warnke

Immer wieder, liebe Gemeinde, fragen mich Kinder, Jugendliche und fragen mich auch Erwachsene, warum ausgerechnet dieses Bild des sterbenden Jesus in der Kirche hängt, in jeder Kirche hängt: ein Mann, nackt am Kreuz, Hände und Füße von Nägeln durchbohrt; ein Leben, das ausgelöscht wird...,

Ich habe mich - jahrelang - selbst immer wieder gefragt, was dieses Bild bedeutet..., habe Antworten gesucht und für mich versucht - und dann liegt diese Geschichte jedes Jahr am Karfreitag - wieder da...

Manchmal denke ich, sie ist zu groß, um sie überhaupt verstehen zu können. Wenn sie ist, was von ihr gesagt wird, was Jesus selbst sagt in der Einsamkeit der Nacht, auf dem Boden liegend, das Gesicht nahe der Erde: Vater, nicht mein Wille geschehe, sondern dein Wille...

Wie können wir da ernstlich meinen, Gottes Willen verstehen zu wollen?

Richard Rohr, ein großer theologischer Lehrer, erzählte: wer das Kreuz Jesu und seinen Tod verstehen will, der soll das Kreuz und den Gekreuzigten anschauen..., einfach anschauen...

Deswegen, vielleicht, weil uns der Blick auf den leidenden Christus ahnen lässt, dass es ein Mehr gibt, etwas Uneingelöstes, einen Überschuss an Hoffnung, der erwartet sein darf, der von Gott selbst erwartet sein darf.

Weil es sein kann,  - dass eben mit Blick auf das Leiden eine bessere Zukunft eröffnet werden kann...

Ist der Tod Jesu also das, was von ihm gesagt wird: eine Erlösung für uns Menschen?

Es gibt ein kleines Bild des leidenden Christus von Albrecht Dürer: „Der Schmerzensmann“. Es ist abgebildet auf der Vorderseite des Liederzettels...

Der gepeinigte Christus sitzt da und schaut den Betrachter direkt an - mit einem Ausdruck namenlosen Leidens. Er verbirgt sein Gesicht zur Hälfte, es wirkt ein wenig ratlos... ratlos angesichts der Leiden in der Welt..., angesichts der Schmerzen, die Menschen einander zufügen. Und diese Schmerzen, diese Leiden hält er uns vor. Man erkennt aber auch eine abwartende Geste, ein vorwurfsloses Harren, - eine geöffnete Hand, die bereit ist, den zu empfangen, vielleicht sogar zu umarmen, der sich dem Schmerz nähert, der sich überwindet, der dem Blick standhält und sich nicht abwendet.

Kann ein Blick auf den sterbenden, den leidenden Christus denn schon Erlösung sein?

Heute am Karfreitag muten wir uns den Blick auf das Kreuz wieder zu. Gedämpft, verhüllt..., weil wir es sonst nicht aushalten würden? Oder weil es doch erlöst, das Kreuz? und die Erlösung heute so fern scheint...???? verschleiert eben... Unser Blick dringt - vielleicht gerade auch wegen dieser Hülle - trotzdem durch...

Und wir haben unseren Platz in der Menge eingenommen. Wir sind ihm gefolgt,  als er den Balken auf seinen Schulten auf seinem Kreuzweg durch die Straßen trug - ohne den Lärm der Straße..., Wir finden unsere Entfernung, unseren Abstand, und wir schärfen unseren eigenen Blick.

Ja, es braucht Mut, den Schmerzen ins Gesicht zu blicken, dabei auch unseren Schmerzen von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Die Frauen standen dicht unter dem Kreuz; sie sind die Mutigen unter seinen Begleitern...

Vor wenigen Tagen noch salbte Maria ihm seine Füße mit kostbarem Öl...;

Nun ist es, als ob die blanke Gewalt jeder zärtlichen Geste, jeder unbeholfenen Menschlichkeit, nur noch Hohn und Spott entgegenhält. All die Bilder des Friedens, der Heilung, der Ermutigung, der Begegnung und der Liebe verlieren sich. Die Liebe entschwindet.

Wenn wir hinschauen auf das Kreuz Jesu, dann schauen wir hin in die dunklen Tiefen des Lebens. Auf die Zeiten, die uns an jedem Sinn unseres Daseins zweifeln lassen, - auf die Zeiten, die uns unbarmherzig auch an der Liebe und der Gnade Gottes zweifeln lassen. Hier steht jede und hier steht jeder seinem ganz eigenen Schicksal gegenüber. Und da hat es den Anschein, Gott ist nicht mehr da... Gott hat verlassen... Der Augenblick der Niederlage, des verloren-Gehens...: „...warum hast du mich verlassen, Gott!“

Simone Weil schreibt von „untröstlicher Bitternis“, die einem im Leiden überfällt, weil es durch die Abwesenheit Gottes nichts mehr gibt, das man lieben könne. Die Liebe löst sich auf..., die Liebe hat keine Resonanz mehr, sie verdampft, als hätte es sie nie gegeben...

Kann ein Blick auf den sterbenden, den leidenden Christus denn schon Erlösung sein?

Was wissen wir von Gottes Liebe? Wohin führt sie uns, die Ahnung von dieser Liebe? Wohin führt uns die Liebe, die wir selbst im Herzen tragen?

Und kann es sein, dass Gott, der doch vor allem eines ist, nämlich gerade diese Liebe, dass er im Kreuz, an diesem Ort vor den Toren der Stadt Jerusalem, seine Liebe so kompromisslos der Welt entgegenhält?

Als Jesus am meisten Mensch war, genau da war Gott ganz bei ihm?

Und Jesus hörte nicht auf selber weiter zu lieben, in jene Leere und Dunkelheit hinein. Noch am Kreuz, selbst im Sterben noch, nimmt er uns an die Hand und lässt uns nicht allein in die dunklen Seiten des Lebens gehen. Hier ist Jesus ganz Mensch und hier ist Jesus der Christus, ganz Gott: Vater, vergib ihnen...

Die einzige Rettung ist das Weiterlieben, das Weiterlieben „ins Leere hinein“ schreibt Simone Weil.  „ja, die Seele muss fortfahren zu lieben, schreibt sie - oder zumindest lieben zu wollen, sei es auch nur mit dem winzigsten Teil ihrer selbst. Dann eines Tages naht sich Gott selbst und zeigt sich ihr...“

Gottes Willen ist nicht zu trennen von dieser Liebe. Und diese Liebe Gottes ist nicht zu trennen von diesem heutigen Tag.

Sie ist schmerzhaft manchmal, sie macht Angst, manchmal, sie lässt uns auch manches Mal zu Tode betrübt sein... Diese Liebe, die Gott uns schenkt, die er in unser Herz legt.

Und sie ist genauso die Fülle und die Verheißung der guten Nachricht, des Evangeliums.

Da, wo wir den Schmerz empfinden, da kann Heilung beginnen. Wo wir weiter an die Liebe glauben, gegen allen Anschein und nicht verbittern über das, was nicht möglich war, da wird Versöhnung möglich. Da machen uns Schmerz und Leid groß. Da plötzlich erleben wir Frieden, nicht wie wir Menschen ihn machen, sondern Frieden, wie Gott allein ihn nur geben kann.  Amen.

 

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