Matthäus 4, 12-17

09.01.2011 | 01:00

Klaus-Georg Poehls

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Lange können wir nicht verharren beim Kind in der Krippe. Das, was Jesus den Menschen bedeutete, erkannten sie erst im erwachsenen Mann und nur von dieser Erkenntnis des Mannes Jesus her wurden die Kindheitsgeschichten von ihm erzählt – die Geburtsgeschichten bei Matthäus und Lukas, der Zwölfjährige im Tempel – an ihnen soll schon abzulesen sein, was sich an ihm und durch ihn als Erwachsener zeigen will.

Er lebte mit seiner Familie in Nazareth; zur Familie gehörten neben seinen Eltern Maria und Joseph seine Brüder Jakobus, Joses, Judas und Simon, sowie einige Schwestern, von deren Namen und Zahl wir nichts wissen.

Er erlernt das Zimmermannshandwerk, wie sein Vater Joseph, und wird eines Tages, nicht zur Freude seiner Eltern, seinen Beruf aufgegeben und Haus und Hof verlassen. Denn er hatte von Johannes dem Täufer gehört, jenem Prediger in der Wüste, der die Menschen beschwor, sich auf Gott zu besinnen und zu ihm zurückzukehren. Der Evangelist Lukas berichtet, dass Johannes der Täufer im 15. Jahr des Tiberius auftrat, das war zwischen dem 1.10.27 und dem 30.9.28.

Jesus lässt sich von Johannes taufen und bei dieser Taufe tut sich ihm der Himmel auf. Er erfährt die Nähe Gottes, er „hört“: „Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen“.

Das ist die Wende, Jesus fühlt sich beauftragt, tritt ins Licht der Öffentlichkeit – ein kleines Licht, eine kleine Öffentlichkeit in einem kleinen Winkel der Weltgeschichte. Doch fortan werden sich die Geister an ihm scheiden: die einen halten ihn für einen religiösen Spinner – auch seine Familie wird zu denen gehören -, die anderen sehen in ihm denjenigen, der Gottes Herrschaft im Lande Israel aufrichtet. Und auch diese Erwartungshaltung wird wieder die Geister scheiden: die Aufrichtung eines  Gottesstaates macht die einen nervös, die anderen froh und die dritten radikal. Derjenige jedenfalls, den wir in aller Vorsicht als religiösen Ziehvater Jesu sehen können,  Johannes der Täufer, der wird als religiöser Unruhestifter verhaftet. Bei Matthäus heißt es dann im 4. Kapitel:

„Als Jesus hörte, dass Johannes gefangen gesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück. Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jesaja 8,23; 9,1): 15 »Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das heidnische Galiläa, das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.« Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“

Wo sind wir jetzt eigentlich?, fragt sich der geographisch interessierte Mensch. Kapernaum liegt am See Genezareth, aber nicht jenseits des Jordans. Jenseits des Jordan liegt der Bezirk, das Gebiet  – hebräisch „Galil“ – der Heiden, aber nicht Galiläa.  Matthäus will wohl eigentlich nur sagen: Jesus zog dahin, wo keiner hin will, an einen gottverlassenen Ort. Matthäus will aber noch mehr: auf dem Heimatort Jesu, auf Nazareth liegt keinerlei prophetische Verheißung, ja, es kommt in der jüdischen Bibel, in unserem Alten Testament gar nicht vor – es ist absolut unbedeutend. Und wenn Jesu Zeitgenossen ihn als den „Nazarener“ bezeichnen, dann bestreiten sie damit jegliche religiöse Bedeutung Jesu: ein Mensch aus Nazareth kann von Gott in keinster Weise erwählt sein.

Aber wenn einer ungefähr in einer Ecke wohnt, die der Prophet Jesaja einmal bedacht hat, dann sieht alles ganz anders aus: hier lassen sich banale Geschichte und göttliche Verheißung wieder aufeinander beziehen, hier wird es wieder hell: »Das … Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.«  So wird Jesu neuer Wohnort ein Ort der Verheißung.

Das Evangelium wird hier zum Kunstwerk: in die ganz alltägliche Geschichte eines Ortswechsels, in Jesu Wegziehen aus Nazareth hin nach Kapernaum, wird ein Zeichen gelegt. Ein Zeichen für jeden, der sich danach sehnt, dass das, was geschieht, einem göttlichen Plan folgt. Gottes Plan, der durch alle Widrigkeit hindurch, durch alles anscheinend Sinnfreie hindurch zu seinem Zielkommt: „… denen, die saßen am Ort und im Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen“.

Aber mit Kunstwerken ist es ja so eine Sache: „Das soll Kunst sein?“ fragt sich der Banause und behauptet gleich: „Das kann ich ja wohl besser!“

Denn in der Tat hat die Predigt Jesu, von der unser Künstler Matthäus schreibt, zunächst wenig Ansprechendes. Es sei denn, man achtet auf ihre Kürze, hier ist sie dann doch zumindest rekordverdächtig: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“

„Tut Buße“ – will man nicht hören. Klingt nach Strenge, nach erhobenem Zeigefinger, nach moralinsaurer Frömmelei. Und doch kommt mir diese Aufforderung Jesu vor wie ein Weckruf, wie ein Begleitwort zu aktuellen Geschehnissen: Vögle fallen gleichsam tot vom Himmel, Gift wird gemischt unter Tierfutter, gelangt in Nahrungsmittel, unsere Kirche hier in Hamburg verliert weiter an Glaubwürdigkeit durch einen weiteren Skandal – alles kein Grund zur Panikmache, aber alles Zeitzeichen: Tut Buße! Das heißt zuallererst: Zeig mit dem Finger nicht auf andere, sondern stell dich selbst in Frage, frag nach Dir und Deinem Tun. Hier wird es eng.

Helmut Gollwitzer hat zeitloses dazu gesagt: „Das Wort Buße macht die Tür zur engen Pforte, das verachtetste und das wichtigste Wort in dieser unserer Zeit. Denn es ist eine unbußfertige Zeit und ihre Unbußfertigkeit ist das Geheimnis ihres Elends. Weil sie dies Wort nicht hören kann, darum zerbricht ihr immer mehr auch das, was zwischen den einzelnen Menschen das Nötigste ist: dass einer dem anderen sein Recht geben kann, dass jeder seinen eigenen Irrtum und seine eigene Schuld eingestehen kann, dass er die Schuld nicht beim anderen, sondern bei sich selbst sucht, gegen den anderen milde und gegen sich selbst streng ist. … Wer Gott gegenüber seine Schuld nicht mehr eingestehen kann, der kann sie bald auch den Menschen gegenüber nicht mehr eingestehen. Da beginnt dann der Wahnsinn, der Verfolgungswahn, der den anderen verteufeln muss, um sich selbst zu vergöttern. Wo die Buße aufhört, ist es auch mit der Humanität zu Ende, da muss die Gemeinschaft zerbrechen…“ (Helmut Gollwitzer Predigt am Bußtag, <date ls="trans" month="11" day="16" year="19" w:st="on">16. November 19</date>38 in Berlin-Dahlem, Lukas 3,3-14, Quelle: Zuspruch und Anspruch. Predigten. Chr. Kaiser Verlag: München, 1954, S. 36ff.)

Buße ist Voraussetzung für Humanität, für Gemeinschaft, und letztlich für das Kommen des Himmelreiches, wie Jesus es nennt.  Was soll das sein? Was soll da nahe sein?

Letztendlich: Gott. Letztendlich: die Liebe. Beides nicht billig zu haben. Beide nur da als nahe zu spüren, wo ich von mir selbst absehe, nicht um mich selbst kreise, wo ich „Du“ spreche und nicht „Ich“ sage. Da wird dann Lieblosigkeit durch Versöhnung durchbrochen, da wird Vergebung riskiert, um Feindschaft zu überwinden, da ereignet sich schon, was nahe ist.

Es ist letztlich wie bei einem geliebten Menschen: er ist neben mir und ganz fern, denn ich spüre ihn nicht, weil ich nur mich selbst spüre, oder er ist mir ganz nahe, und sei er noch so fern, denn ich spüre ihn.

So auch das Himmelreich: es kann nicht auf Erden sein, ohne dass es im mir, in dir ist. : „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“

Amen.

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