Matthäus 7, 1 | Fastenpredigtreihe

11.03.2012 | 01:00

Dr. Wolf-Dieter Hauenschild

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus !

Liebe Gemeinde,

viele von Ihnen sind heute sicher hierher gekommen, weil sie im Gemeindebrief gelesen haben, dass Herr Zeiger predigen wird über das Betstübchen, und nun sehen Sie mich hier, unangekündigt und mein Thema ist nicht Mt.6 5-8, sondern Mt.7 1.

Da werden einige ungehalten sein und sich beklagen:
Mal wieder so typisch für Kirchens! Die sind doch nicht in der Lage, eine Planung durchzuhalten!

Andere werden gegen meine Person Einwände haben, die vielleicht aus meiner früheren beruflichen Tätigkeit herrühren, oder Ältere werden sich daran erinnern, dass ich auch einmal im KV war und dort schlimme Entscheidungen zu verantworten hatte --- und der will jetzt  hier predigen !

Und schon sind wir hier mittendrin im Thema von Mt. 7 V 1, der da lautet.
„Richtet nicht, damit Ihr nicht gerichtet werdet“

 Na ja, werden Sie sagen, das ist ja hiermit wohl nicht gemeint.

Doch, das Urteilen, das Brechen des Stabes über andere, das ist sehr wohl gemeint. Die Weisungen der Bergpredigt  sind gerade für das Alltagsleben bestimmt, für das Zusammenleben in der  Gemeinschaft.

Das kann man dem Zusammenhang entnehmen. Aus der Lesung des Evangeliums werden Sie erinnern, dass 2 Verse weiter von demjenigen die Rede ist, der seinem Bruder den Splitter aus seinem Auge ziehen will, aber den Balken in seinem eigenen Auge nicht bemerkt hat. Gemeint ist also durchaus das Verhältnis zwischen mir und meinem Bruder, meinem Nächsten, meinem Nachbarn.                                          

Richtet nicht! Da fallen  schnell viele Situationen ein, wo dies bedacht werden sollte:
auf dem Schulhof, am Arbeitsplatz, auf dem Markt, wenn man sich mit Verwandten und Bekannten trifft. Es soll sogar in Kirchengemeinden vorkommen, dass über andere gerichtet wird. Dann der weite Bereich unseres politischen Lebens, wo besonders flott und gerne über Menschen als solche gerichtet wird!

Da wird schnell ein negatives Bild des Anderen gezeichnet. Vorurteile werden befördert und Menschen werden in Schubladen eingeordnet. Man äußert einen Verdacht, der einen anderen schwer belastet, Beziehungen werden abgebrochen  bis hin zum mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz, neuerdings auch über das Internet.

Auch die von Schadenfreude geprägte Bemerkung angesichts des Unglücks, das dem Nächsten zugestoßen ist: „Das geschieht dem gerade recht, der hat doch...“und dann wird irgendetwas Schlimmes von dem anderen erzählt, für das das Unglück die Strafe sein soll. Auch dies eine beliebte Form, über andere zu richten.

Es scheint eine spezifisch menschliche Leidenschaft zu sein, über andere schlecht zu reden. Es ist ja meist auch mit dem wohltuenden Gefühl verbunden, dass ich selbst nicht so bin.

Dabei wissen wir alle, welche Verletzungen solche Urteile bei dem anderen hervorrufen können, welcher Streit daraus entstehen kann. Persönlichkeiten werden beschädigt, bisweilen sogar zerstört. Das Richten über andere schadet der Gemeinschaft. Es wirft Gräben auf, schafft Trennung.

„Richtet nicht“ ist eine besondere Ausprägung des Gebotes der Nächsten- bzw. der Feindesliebe.

Nun hat das Gebot aber noch einen Nachsatz. Es heißt:“ Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet.“ Kann ich denn wenigstens dann ein Unwerturteil treffen, wenn ich sicher bin, dass ich mich selbst nicht so verhalten würde. Kann ich sagen: ich richte hier nach einem Maßstab, an dem  ich mich selbst auch messen lassen will.

Ich meine, dass das nicht geht. Zunächst einmal kann ich nie sicher sein, wie ich mich in Zukunft verhalten werde. Im übrigen aber schriebe ich damit Gott den Maßstab vor, an dem er mich zu messen hätte. Das kann ich sicherlich nicht. Gott hat seine eigenen Maßstäbe, nach denen er uns beurteilt.  

In der ganz frühen Christenheit war mit dem Gebot wohl auch die Tätigkeit der irdischen Richter gemeint. In Erwartung des nahenden Himmelreichs mit dem Gericht sollte auf Erden nicht mehr gerichtet werden.

Wir, die wir nicht die Vorstellung haben, dass  Gottes Gericht unmittelbar bevorstehe, haben uns Gesetze gegeben, um das  Zusammenleben in der Gemeinschaft zu regeln. Für den Fall, dass jemand gegen die Gesetze verstößt, drohen diese Nachteile, Strafen an, damit sie auch eingehalten werden. Es sind die typischen wenn—dann Regeln. Wenn jemand eine bestimmte Untat begeht, dann ergeben sich  im Gesetz angekündigte negative Konsequenzen.  

Es gibt dann die irdischen Richter, die diesen gesetzlichen Mechanismus nach festgelegten Regeln in Gang setzen, vollziehen. Es soll schließlich in unserem Alltag nicht das Recht des Stärkeren gelten und der Betrüger soll nicht über sein Opfer triumphieren.

Da unsere menschliche Gesellschaft nicht ohne solche Regeln auskommt, meine ich, dass dieses Urteilen menschlicher Richter mit Mt.7/1 nicht gemeint ist.

Nun gibt es Situationen, wo jemand ohne jeden Zweifel in schlimmer Weise gefehlt hat und jeder ganz spontan auch urteilt, richtet.

Eine Freundin meiner Tochter, eine junge Frau, verheiratet, 2 Kinder, erkrankt plötzlich an Krebs. Der Ehemann kann nach eigenen Angaben das Elend nicht ertragen. Er verläßt die kranke Frau mit den Kindern, wendet sich einer anderen Frau zu und gestaltet seine Einkommensverhältnisse  so, dass der Unterhalt für die kranke Ehefrau möglichst gering ausfällt.

Bei einem solchen Verhalten fällt es schwer, sich an das Gebot zu halten -Richtet nicht!-  Allzu schäbig hat sich hier der treulose Ehemann verhalten. Darf ich trotzdem nicht richten?

Einen Hinweis, wie ich mich  verhalten soll, finde ich in dem bekannten Gleichnis von der Ehebrecherin. Eine Frau wird zu Jesus gebracht, die man  beim Ehebruch ertappt hat. Nach dem Gesetz Moses müsste sie mit dem Tode durch Steinigung bestraft werden. „Was sagst Du dazu,“ wird Jesus gefragt. Dieser antwortet auf die Frage mit der Bemerkung: „ Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“

Als dann einer nach dem anderen weggegangen ist, ohne einen Stein zu werfen, sagt Jesus zu ihr: “Auch ich verdamme dich nicht. Geh hin und sündige hinfort nicht mehr.“

Jesus hält sich an sein eigenes Gebot. Er richtet nicht. Er spricht mit der Frau. In seiner Ermahnung „Sündige hinfort nicht mehr“ stellt er fest, dass sie gegen das Gesetz verstoßen hat und fordert sie auf, dies in Zukunft nicht mehr zu tun. Denn er ist ja, wie wir vor zwei Wochen gehört haben, nicht gekommen, um das Gesetz aufzuheben.

Auf den von mir berichteten Fall übertragen könnte das bedeuten: ich kann dem Mann, sagen, dass er gesündigt hat, und ihn auffordern, dies in Zukunft zu unterlassen, den Schaden wieder gut zu machen. Aber ein Unwerturteil über den Menschen fällen, das soll ich nicht. Dies steht allein Gott zu.

Doch Fakt bleibt, dass wir ständig über andere richten. Verlangt die Weisung hier etwas, was nur vollkommene Menschen leisten können? Ich denke nicht. Man kann das trainieren.

Wer sich in welcher Funktion auch immer um einen echten Verbrecher zu kümmern hat, ihn vielleicht verteidigen soll,  kann dies nur, wenn er ihn nicht richtet, sondern schlicht als Menschen sieht, der Schuld auf sich geladen hat. Anders kann ich mit ihm nicht reden, keine Beziehung aufbauen. Dies aber ist eine Voraussetzung, um ihm zu helfen, dass die Strafe gegen alle Vorverurteilungen gerecht ausfällt.

Zum Schluß ein Hinweis, der für mich zum Verständnis des Gebotes „Richtet nicht“ besonders wichtig ist, der Hinweis auf das, was über das spezifisch göttliche Gesetz, die 10 Gebote gesagt wird.

Leider werden die 10 Gebote häufig ziemlich undifferenziert in einen Topf geworfen mit den vielen Regeln und Moralvorschriften, die wir sonst noch in der Bibel finden und mit denen Christen andere Menschen gerne eingeengt, gegängelt , unterdrückt, --eben gerichtet haben. Ich verstehe die Geschichte um die 10 Gebote ganz anders.

Wenn ich mir die entsprechenden Texte im 2. und 5. Buch Mose ansehe, so stelle ich zunächst fest, dass die 10 Gebote nicht wie unsere Gesetze abstrakt formuliert sind, sondern dass in ihnen immer Gott mich persönlich anspricht: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir/ Du sollst nicht töten/ Du sollst nicht ehebrechen.

Und ein Zweites fällt auf: in den 10 Geboten wird mir für den Fall, dass ich gegen sie verstoße, keine Sanktion, keine Strafe angedroht – auch völlig  anders als bei unseren menschlichen Gesetzen.

Im Gegenteil: Es wird allein die positive Seite beleuchtet. Wenn ich die Gebote befolge,  wird mir und den Meinen ein schönes, ein erfülltes  Leben in Aussicht gestellt:

Im 5. Buch Mose heißt es:
Auf dem Weg der Gebote sollt ihr wandeln, damit ihr am Leben bleibt und es euch gut ergeht und ihr lange lebt.

Gott ist Liebe. Das heißt: Er unterstellt mir das Gute. Er geht ohne weiteres davon aus, dass ich dieses Angebot seiner Liebe annehmen und seine Gebote halte.
 
Gott ist Liebe. Das heißt auch: Er hat uns Menschen die Freiheit geschenkt. Dies bedeutet, dass  ich mich auch gegen ihn entscheiden, seine Gebote verletzen kann. Was dann geschieht, hat er nicht gesagt.
 
Wenn aber schon Gott nicht sagt, wie er am Ende urteilen wird, um wieviel weniger steht uns Menschen dann ein Urteil über andere zu. Das „richtet nicht“ heißt, dass wir nicht versuchen sollen, uns auf seinen Stuhl zu setzen.

Wir sollen unser eigenes Verhältnis zu ihm in Ordnung halten, notfalls in Ordnung bringen. Das ist für mich der Grund für die persönliche Anrede „Du sollst...“

Ein Urteil darüber, wie das Verhältnis des Anderen zu Gott aussieht, steht mir nicht zu. Denn ich kann nicht beurteilen, wie Gott den Anderen sieht. Sicher ist für mich nur, dass er ihn ebenso liebt wie mich.

So bleibt mir zum Schluß nur die Aufforderung an Sie alle, diese Zumutung der Vollkommenheit anzunehmen und etwas häufiger in Ihrem Alltag daran zu denken und dies auch einzuüben, dass Jesus in der Bergpredigt gesagt hat: Richtet nicht, auf dass Ihr nicht gerichtet werdet!

Und der Friede Gottes, welcher höher ist denn all unsere menschliche Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christo Jesu.

Amen.

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