Misericordias Domini: 1. Pet 2,21-25

10.04.2016 | 12:00

Predigt über 1. Petrus 2,21-25

Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet; der unsre Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.

Ein Jugendlicher tauchte vor einiger Zeit bei mir auf und erzählte aus seinem Leben. Er ist 20 geworden, gerade erst. Vor zwei Jahren fing er eine Lehre an, weil ein Verwandter beim Chef ein gutes Wort für ihn eingelegt hatte. Aber das mit der Berufsschule hat dann nicht so geklappt. Mittlerweile hat er die Lehre abgebrochen und hängt eigentlich mehr rum, als dass er Sinnvolles anderes macht.

"Ich will ins Ausland", sagte er mir, "Sie kennen doch so Organisationen?"
Hmh, klar kenne ich so Organisationen. Aber der Bewerbungsweg ist schon mühsam und aufwendig und ein Jahr dauert das mindestens, bis es losgeht. Ob er das durchhält?
So genau konnte er mir dann auch gar nicht sagen, was er denn im Ausland tun wolle.
"Weiß nicht so genau?", kam zur Antwort.

"Warum machst du dich nicht einfach auf den Weg? Packst deinen Rucksack und gehst los."
Plötzlich stand diese Idee im Raum.
Das tun einige. Manche wollen die Herausforderung, andere suchen das Abenteuer oder sind neugierig. Was auch immer. Kürzlich las ich von einen Mittzwanziger, der sechs Monate schon unterwegs war – ohne einen Cent Geld in der Tasche. Und er erzählt in einem Interview von positivsten Erfahrungen: Von den Menschen, die er traf, bei denen er mit am Tisch saß und unter ihrem Dach übernachtete. Von der Welt sprach er, die sich mit jedem Schritt, den er unterwegs war, in seiner Vorstellung, in seinem Verstehen und seiner Erfahrung wandelt.

Und natürlich fiel mir beim Lesen dieser Geschichte ein, was Jesus seinen Jüngern einst aufgetragen hatte, als er sie aussandte zu den Menschen: Ihr sollt weder Gold noch Silber noch Kupfer in euren Gürteln haben, auch keine Reisetasche, auch nicht zwei Hemden, keine Schuhe, auch keinen Stecken.

Das ist eine Schule des Vertrauens. Eine Lehre des Vertrauens, eine Vertrauens-Lehrzeit für das Leben, die Jesus seinen Jüngern zumutete. Im Petrusbrief ist von dem Vorbild Jesu die Rede, von seinen Fußstapfen. Genauso hat Jesus gelebt, zumindest die letzten drei Jahre seines Lebens. Ganz aus dem Vertrauen, dass Gott weiß, was jeder Tag braucht.
Wenn man mit Jugendlichen über Jesus als Vorbild spricht, dann erzählen sie meistens zuallererst von der Kirche, von Gottesdienstbesuchen, von Spendenaktionen und davon "Gutes zu tun!"
Vom einfach losgehen – ohne irgendetwas – so wie Jesus gelebt hat – davon erzählt keiner. Weil es scheinbar nicht vorstellbar ist. Weil es weit weg ist von unserem Alltag und weil es zu viel Verzicht bedeutet und absurd erscheint in einem Leben, wie wir es leben.

Jener Jugendliche ist mittlerweile dabei seinen Aufbruch vorzubereiten. Er besorgt sich, was er braucht, und plant mit ungeahntem Eifer seinen Abreisetag für einen unbekannten Weg in sein Leben. Wünschen wir ihm Gottes Segen.

Ich erzähle diese Geschichte, weil sie eine Geschichte aus unserem Land, aus unserer Stadt, sogar aus unserem Stadtteil ist. Weil sie heute stattfindet und über das Suchen eines Menschen erzählt.
Die Geschichte eines Heranwachsenden, der seinen Platz im Leben noch nicht gefunden hat. Dem die Angebote der Erwachsenenwelt nicht passen; nicht, weil er verwöhnt wäre oder zu exklusiv in seinen Wünschen und Ansprüchen. Eher, weil er eine Sehnsucht nach Leben hat, die noch keine Resonanz in dieser Welt fand.
Weil unsere Welt ein Getriebe geworden ist und wir – darinnen - häufig zu Getriebenen.
Und dann lese ich in der "Zeit" vom vergangenen Donnerstag, wie ein deutscher Kapitän, Klaus Vogel, seinen lukrativen Job bei einer großen Reederei an den Nagel hängt und einen anderen Weg für sich im Leben findet. Er rettet Menschen im Mittelmeer das Leben. Eine wahnsinnige Geschichte.
Da macht sich jemand auf den Weg, um andere, die gezwungenermaßen unterwegs sind, zu retten.

Die ersten 74 Menschen, die er mit seinen Helferinnen und Helfern vor dem fast sicheren Ertrinken bewahrt, sind 74 Afrikaner. Westafrikaner, die von Libyen aus in einem maroden Boot unterwegs waren.
74 Lebensgeschichten. Menschen, die auch ihren Platz im Leben suchen. 74 Wünsche und Hoffnungen, und auch 74 Ängste, Verzweiflungen und Ungewissheiten.

Menschen, die allesamt auch in den Fußspuren Jesu unterwegs sind. Ihr Weg aber ist sperrig, mühsamer, unfrei und leidvoll.

Wie kann es gelingen, all diese Widersprüche und Gegensätze, all diese Unterschiedlichkeiten in der Welt zusammen zu bringen? Kann das gelingen?
Als Christinnen und Christen schauen wir auf die Welt mit Bilden und Gedanken von Gemeinschaft. Paulus hat von dem Leib der Gemeinschaft gesprochen, dem Leib Christi. Und von der Sorge füreinander: Wenn es einem Teil des Leibes nicht gut geht, dann verändert das alles. Dann trägt man gemeinsam Sorge dafür, dass der Leib wieder gesund wird.
Kann es gelingen, die Gegensätze unserer Welt zusammen zu bringen?
Die Brüder in Taizé haben versucht dem Vorbild Jesu, seinen Fußstapfen, seinen Wegen – einen Namen zu geben. Sie sprechen von dem "Pilgerweg des Vertrauens". Und es geht darum, für unsere Welt nach neuen Formen von Solidarität zu suchen, solidarisch zu leben mit den Menschen, mit unserer Erde, und auch mit der Zukunft unserer Kinder.

Solidarität braucht Vertrauen. Vertrauen in eine Kraft, die es zum Guten führen möge. Eine Leben schaffende und Leben ermöglichende Kraft. Vertrauen in das immer wieder sich ereignende Neuwerden des Lebens, Vertrauen in die Hoffnung, die darin steckt, und Kräfte neu mobilisiert. Das haben wir Ostern gefeiert.
Christus ist den Weg ans Kreuz gegangen, weil er in aller Unsicherheit und auch in größter Angst noch auf die Liebe Gottes vertraute. Auf das Neuwerden, auf das Recht und auf die Gerechtigkeit Gottes.

Dieses Vertrauen braucht Mut. Solidarität braucht Mut.
Es braucht Mut, sich auf den Weg zu machen. Es braucht Mut, die Gemeinschaft, die alle Menschen dieser Welt, welcher Religion auch immer sie angehören, im Herzen Gottes bilden, – diese Gemeinschaf in den Blick zu nehmen mit eigener Barmherzigkeit, mit Mitgefühl, in Solidarität.

An anderer Stelle erleben wir gerade jene andere Wirklichkeit unserer Welt: Da entsolidarisiert sich ein Teil der Gesellschaft; irgendwo in Panama, und doch überall auf der Welt, und dann ganz konkret auch hier in Blankenese, im Björnsonweg, wo die Angst vor 200 fremden Menschen größer ist als das Vertrauen in die Menschlichkeit.

Angst wird nicht kleiner, wenn man sich hinter Mauern verschanzt, sondern nur, wenn man sich auf den Weg macht. Manchmal zu Fuß in das eigene Leben, manchmal mit einem Schiff dahin, wo Menschen in Not sind, – und auch da, wo wir unser Herz und unseren Blick für den Anderen öffnen.

Amen.

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