Okuli - Johannes 10, 11-14 Ich bin der gute Hirte

23.03.2014 | 11:00

11Ich bin der gute Hirte. Ein guter Hirte lässt sein Leben für die Schafe .12 Der Mietling aber, der nicht Hirte ist, dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen und verlässt  die Schafe und flieht und der Wolf stürzt sich über die Schafe und zerstreut sie  - 13 denn er ist ein Mietling und kümmert sich nicht um die Schafe. 14 Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich.

 

 Liebe Gemeinde,

Sie werden es beim Betreten der Kirche gleich gesehen haben:

Dort steht ein Schaf – Anknüpfungspunkt meiner heutigen Predigt.

 

Henriette heisst es, also ausgestattet mit einem ganz persönlichen Namen und normalerweise im Besitz eines guten Freundes,

aber heute - für den Zweck der Predigt - Gast in Blankenese.

 

Ich war vor zwei Wochen an der Nordsee auf Sylt – bei einem Wetter, das zum Bewegen an frischer Luft einlud.

Fährt man dieser Tage durch die norddeutsche Landschaft,

und sogar mit dem Fahrrad auf den Deichen,

sieht man schon die ersten Osterlämmer herumspringen: 

unbeholfen, ausgelassen und durstig,

noch ganz sauber , niedlich, pussierlich  und verspielt,

während die älteren eher schwerfällig gelangweilt,

manchmal etwas dümmlich vor sich hin grasen.

 

Um in diesem Bild zu bleiben: Oft bezeichnen wir einen Menschen in unserem Umfeld als Schaf,

und meinen jemanden, der sich offensichtlich dumm anstellt, sich ungeschickt verhält oder naiv und mit unglücklichem Ausgang eine Sache angeht;

und daher kommt wohl auch das Schimpfwort: du Schaf.

Mit scheinbar willenlosen Herdentieren und tumben,

eben dümmlichen Vierbeinern

wollen wir in der Tat nicht gerne gleichgesetzt werden,

aber so etwas hat Jesus in seiner Rede vom guten Hirten und den Schafen nicht gemeint.

 

Der gesunde Menschenverstand sagt uns,

dass Schafe – wie alle Tiere – komplexe Gefühle haben und sogar eines bewussten Denkens fähig sind.

Nun haben Studien, die in Großbritannien und in  Amerika durchgeführt wurden,

konkrete Beweise dafür geliefert.

 

Diese Studien belegen, dass Schafe in der Lage sind,

sich die Gesichter anderer Schafe – und sogar von Menschen – über Jahre zu merken und wieder zu erkennen;

Forscher berichten, dass diese wolligen Exemplare

optisch sogar bis zu 50 Schafsgesichter wieder erkennen können

und zwar auch dann, wenn sie diese zwei Jahre lang nicht gesehen haben.

Außerdem wurde nachgewiesen,

dass Schafe Laute von sich geben, um anzuzeigen,

wenn sie unter Stress stehen, etwa so wie Menschen.





 

Allerdings wird auch gesagt,

dass Schafe trotz dieser Erkenntnisse einen schlechten Ruf in Sachen Intelligenz haben,

weil sie in großen Gruppen leben,

und weil sie leicht Angst bekommen,

was ihnen wiederum Unsicherheit in ihrem Verhalten bescheinigt.

Aber wie der Forscher darüber hinaus betont:

neigen alle Tiere, alle Lebewesen - einschließlich uns Menschen dazu,

kein besonders intelligentes Verhalten an den Tag zu legen, wenn sie Angst haben.”

 

Ich will jetzt mit Ihnen nicht zu tief in die Schafskunde einsteigen,

aber wie wir Menschen sind auch die Schafe, die uns begegnen können, nicht alle gleich, auch wenn sie sich aufs erste ähneln:

Auch unter ihnen gibt es durchaus eigenwillige Originale,

einsame Weißhaarige,

knurrige Eigenbrötler oder Hagestolze,

vorlaute Naseweise,

mütterlich Behütende,

modisch Auffallende,

neugierig Abgelenkte und rührend Besorgte,

und natürlich die schwarzen, eigenständigen Individuen.

Differenzierte Individualität ist dem Schaf ebenso eigen wie dem mit ihm so oft verglichenen Menschen.

 

Und wenn wir mal den Blick von den uns bekannten Heidschnucken und Deichschafen abwenden und

nach Schottland oder nach Israel schauen,

in die Berge oder in die Wüste,

dann treffen wir auf durchaus wilde Schafe.

 

Die meisten dieser Schafe sind neugierig und eigenständig,

sie klettern Berge hinauf,

und – sie reißen aus,

das erfordert dann wirklich einigen Einsatz,

sie alle in ihrer Herde zusammen zu halten und zusammen zu hüten - und so kommt der Hirte ins Spiel.

 

Bis heute ist das Leben der Hirten, deren Aufgabe das Zusammen- Hüten ist, schwer:

An manchen Orten muss der Hirte dafür sogar bewaffnet sein,

um sich vor wilden Tieren wie Bären oder Wölfen

und auch vor auflauernden Dieben zu schützen.

 

Es war und ist dort bis heute in diesen erwähnten Gegenden ein karges, hartes und gefährliches Leben, das Hirten führen!

 

Im Orient sieht man auch heutzutage oft, dass Schafe einem Hirten von sich aus folgen.

Jedes Schaf trägt einen Namen und kennt die Stimme des Hirten.

Diese Schafe folgen keinem Fremden, sondern nur ihrem bekannten Hirten,

der für die Tiere der Herde eine enge Bezugsperson darstellt.

Kurz: Hirte und Schafe leben in intensiver, enger, vertrauter Verbundenheit.

 

Solche nicht domestizierten Schafe und ihre Beziehung zum Hirten meint Jesus in unserem eben verlesenen Text.

Er redete in seinen Gleichnissen meistens weniger von theologischen Theorien,

sondern handfest  und viel von Ackerbau und Viehzucht,

sprach von Dingen, die die Leute aus ihrer alltäglichen Erfahrung und aus ihrer eigenen Lebenswelt kennen,

wo sie dann mit dem Kopf nicken und sagen konnten:

ja, da hat er auch Recht.

 

So erzählte er auch einmal von dem Schaf, das abhaut und sich verirrt;

dann steigt der Hirte ihm nach, bis er es gefunden hat,

nimmt es auf die Schulter, trägt es nach Hause und ruft:

Freut euch mit mir, denn ich habe mein verlorenes Schaf wiedergefunden.

So will Jesus seine Gemeinde zusammenhüten,

auch hier in Blankenese und weltweit.

Er will, dass wir eins sind – eine Herde, unter einem Hirten

er will keine zertrennte, aufgesprengte Kirche,

Er will die eine Kirche, die natürlich vielgestaltig sein darf,

aber er will in aller Vielfalt die  Ökumene,

die ganze bewohnte Erde,

und er will, dass wir – so unterschiedlich wir auch sind –

in einem gemeinsamen Haus leben,

unter ein und dem selben Hirten,

in versöhnter Verschiedenheit und will für uns alle in bedingungsloser Liebe und Verantwortung da sein,

er selbst und er allein als unser Hirte.

 

Sein Gleichnis handelt also nicht vom dummen Schaf, das wie wir hörten, gar nicht so dumm ist,

sondern von demeinen guten Hirten, der nicht seinesgleichen hat.

Er ist der Eigentümer der Herde.

Dem Lohnhirten gehören die Schafe nicht, er kümmert sich um sie für Geld,

er fühlt sich aber letztlich nicht verantwortlich

und deshalb haut er  auch im Zweifel ab, wenn der Wolf oder die Diebe kommen und die Gefahr droht,

denn es sind ja schließlich die Tiere eines anderen –

da rettet er lieber seine eigene Haut statt diese dranzugeben.

Dem wahren Hirten aber  sind die Schafe so viel wert, dass er für sie sich selbst und sein Leben riskiert.

 

An dieser Stelle hat das Gleichnis seinen entscheidenden Vergleichspunkt:

Der gute Hirte steht in einer engen, geradezu liebevollen Verbundenheit zu seinen Schafen, zu seiner ganzen Herde,

wie Jesus zu seinen Menschen, zu uns,

als seien wir sein Eigentum, sein Herzblut.

Letztlich starb Jesus durch die Hand der Menschen, zu denen er einst gekommen war und  rannte auch in größter Bedrohung nicht fort wie in unserem Gleichnis der Lohnhirte.

Die Schafe und der Hirte. Man soll solche Bilder sicher nicht überstrapazieren,

schon gar nicht in idyllisch-kitschiger Weise überhöhen.

Aber die Schilderung der Situation zwischen dem Hirten und seinen Tieren ist eigentlich ein schönes Bild von der Beziehung zwischen Jesus und seiner Gemeinde,

ein echtes Vertrauensbild, das ja auch immer wieder in der Bibel und in der Kunst verwendet wird.

 

Wie würde es in unserem Leben sein – ein hirtenloses Schafsleben?

wie wäre es, angstbesetzt und ohne vertraute Führung?

Woher kommt  für uns Trost in aussichtsloser Situation?

Bei schwerer, nicht heilbarer Krankheit?

Was machen wir mit unserer Sehnsucht, an die Hand genommen und geführt zu werden, wenn eigentlich gar nichts mehr geht?

 

Die Schafe Jesu  kennen die Stimme des guten Hirten.

In seiner Obhut finden sie  Schutz, Sicherheit, Nahrung  und  Heil, indem sie ihm vertrauensvoll folgen.

Schon der 23. Psalm malt genau dieses tröstliche Bild,

das viele Menschen in vergangenen Jahrhunderten in Kriegen und ganz persönlichen Krisen ihres Lebens als ihren tiefen Trost erfahren haben:

und ob ich schon wanderte im finsteren Tal

du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“

 

Dieser Psalm wird immer wieder an tausenden von Kranken- und Sterbebetten gebetet.

Ich stelle mir vor, dass es auch in unserem Emmaus Hospiz, das hinter der Kirche entsteht, so sein wird -

Seelsorger berichten, dass viele Sterbende aber auch Kranke und Demente ruhig werden, wenn ihnen diese vertrauten Verse vorgesprochen werden.

Und viele Menschen kennen den Psalm und sprechen ihn in vollem Vertrauen auswendig mit.

 

Helmut Thielicke, mein verehrter Lehrer zu Studienzeiten, beendete seine Biografie mit den Worten : „wir sind nur Gäste auf diesem schönen Stern, Bewohner auf Abruf und mit versiegelter Order, in der Tag und Stunde des Aufbruchs verzeichnet sind.

Der Abschied ist sicherlich nicht leicht: ich wär ja so gern noch geblieben, aber der Wagen, der rollt....

Doch als Christen dürfen wir gewiss sein, dass die uns zugemessene Lebensspanne nur die Adventszeit einer noch größeren Erfüllung ist.

Das Land, in das wir gerufen werden, ist eine Terra incognita, ein unbekanntes, ja unvorstellbares Land.

Wir hoffen darauf, dass es nur eine Stimme gibt, die wir wiedererkennen werden, weil sie uns hier schon vertraut war: die Stimme des guten Hirten.“

 

Amen

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