Ostermontag, Apostelgeschichte 10, 34-43
Liebe Gemeinde,
Wir leben von Ostern her und auf Ostern hin.
Diesen Satz haben wir gebetet – so fern diese Behauptung dem eigenen Leben auch sein mag – so haben wir ihn gebetet im Gottesdienst am Gründonnerstag – wir haben ihn weiter mitgenommen in den Karfreitag. Und schließlich ist Ostern gekommen.
Die Osterfeuer sind gewesen, die Frühlingssonne hat sich ihr Recht genommen und alle Sehnsucht nach dem Neu-Werden des Lebens aus uns hervorgelockt.
Gönnen wir ihr heute eine Pause!
Ja, die Alten wussten, warum sie das Osterfest nach dem Frühlingsmond feierten.
Wir leben von Ostern her und auf Ostern hin.
Weil von Ostern Neues ausgeht. Neues Leben verheißen ist, die tiefste Sehnsucht ihren Fixstern findet, weil es gut ist, schlicht und einfach gut ist, sich lebendig zu fühlen, weil Wünsche und Träume, und Hoffnungen - auf ein Neues neue Nahrung finden.
Eine Ostergeschichte:
Vor drei Jahren bemalte die amerikanische Künstlerin Candy Chang an einer Straßenecke in New Orleans ein altes Haus mit Tafelfarbe. Sie ließ die Farbe trocknen und schrieb achtzig Mal einen halben Satz darauf: Before I die I want to... ("Bevor ich sterbe, will ich ..."). Hinter jedem Halbsatz ließ sie eine Lücke. Dann schraubte sie eine Kiste mit bunten Kreidestücken an die Wand und wartete.
Am nächsten Tag waren alle Lücken gefüllt. Passanten hatten in die Kreidekiste gegriffen und an die Wand geschrieben, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen, bevor es zu Ende geht:
Bevor ich sterbe, will ich Trompete lernen.
Bevor ich sterbe, will ich Pilot werden.
Bevor ich sterbe, will ich sieben Kinder haben.
Bevor ich sterbe, will ich den Tadsch Mahal sehen.
Bevor ich sterbe, will ich eine Theorie entwickeln.
Bevor ich sterbe.... - - - und hier ist es frei für weiteres...
Mittlerweile sind mehr als 400 Wände in mehr als 60 Ländern beschriftet, in den USA und in China, in Indien und in Neuseeland, in Israel und im Irak, in Deutschland und in Kasachstan. 400 Wände voller Wünsche und Sehnsüchte...
Ich finde das wunderbar. Wünsche sind mächtig. In ihnen spricht ein Verlangen, etwas mit sich anzufangen. Man möchte dem eigenen Leben etwas hinzuzufügen, was darin fehlt.
Das allein ist noch nicht Ostern, aber das ist ein erstes Ausschau halten nach Ostern.
Wünsche sind mächtig - ja, aber nur Wünsche zu formulieren kann auch etwas zufälliges und beliebiges in sich haben.
Ostern hat eben auch zu tun mit dem Blick auf die Leerstellen des eigenen Lebens. Mit einer empfundenen Leere genauso wie mit dem eigenen Leer-werden. Denn das Hinschauen dorthin berührt uns. Bringt uns in Berührung mit uns und einer inneren Sehnsucht, - manchmal auch schmerzhaft, weil auch Ostern schon in der Passionszeit beginnt.
Wenn wir uns auf die Suche machen nach Ostergeschichten in unserem Leben, werden wir fündig dort, wo etwas neu werden konnte, oder eben dort, wohin uns die Sehnsucht führt...
Noch sind die Worte und Bilder aus der Passion Jesu gegenwärtig. Der Tod, das Leiden, der zügellose Spott, der trockene Hohn – all dies enthüllt eine unbarmherzige, mitleidlose Grimasse.
Das Bild der Auferstehung ist Ausdruck von Gottes tiefen Einspruch gegen die Würdelosigkeit des Lebens. Gott widerspricht und Gott stellt wieder her, was grobe Gewalt vernichtet hat. Und Gott erklärt damit die Richtigkeit der Liebe, das Recht der Menschen auf Liebe und Gerechtigkeit, auf Gemeinschaft, die Aussicht auf Heilung und Besserung...
Gott widerspricht aller Hoffnungslosigkeit, allen Verstrickungen in Leiden, in Trauer, in Dunkelheiten.
Gott widerspricht. Und Seine Kraft ist größer als der Tod.
Und dann darf es neu werden.
Und natürlich wächst es anders, wenn es neu wird. Niemals wächst dasselbe nach, so wie es war. Und doch ist jedes Grün, das sprießt, ist jede Liebe, die neu entsteht, jede Freundschaft, die wächst, ist jedes Vertrauen, das zaghaft neu emporkommt, – ist alles, das neu wird, ein Bild, ein Ausdruck und Zeichen dieser Auferstehungskraft Gottes.
Wir leben von Ostern her und auf Ostern hin.
In diesen Tagen komprimiert sich in der Geschichte Jesu die Kraft, - die Gotteskraft eines ganzes Leben – oder des Lebens an sich.
Und doch - blieben wir hier stehen, dann hätten wir - trotz allem – nur einen kleinen Teil dessen, was die Bibel über Ostern erzählt.
Schauen wir in den Predigttext:
Die Apostelgeschichte berichtet von Petrus, der einem römischen Hauptmann in aller Kürze und Präzision alles Wichtige seines Glaubens erzählt:
Und Petrus tat seinen Mund auf und sprach: Gott hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle. Ihr wisst, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit Heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm. Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land und in Jerusalem. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet. Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen, nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden war von den Toten. Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten. Von diesem bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.
Wenn wir Ostern sprechen, von Ostern erzählen, dann ist das eben auch, auf diesen einen zu schauen, auf diesen einen zu hören:
Jesus hat mit und aus dieser Kraft der Auferstehung, dieser Lebenskraft Gottes, gelebt und gewirkt. Und das mindestens seit der Taufe durch Johannes, als er begann, öffentlich zu wirken.
Diese Gotteskraft hat sich im Laufe seines Lebens Bahn gebrochen, ist an die Oberfläche getreten, aus ihm herausgewachsen - und hat sein Leben bestimmt.
Schon zu Lebzeiten ist Jesus auferstanden zu der wahren Größe und zu der größten Wahrhaftigkeit, die ein Mensch leben kann, in dem er Gott selbst den größtmöglichen Raum in sich gegeben hat. So wurde er der, der er war, der Friedensstifter, der Versöhner, der Heiler, der die Menschen voller Liebe und Güte aufnahm, der Mensch Jesus – und der Christus, der ganz und gar aus dem Vertrauen auf Gott lebte.
Petrus erzählt, er sei umhergezogen und habe Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm.
Und hier glaube ich diesem Jesus. Hier glaube ich ihm und vertraue ihm zutiefst, dass in dem, was er tat, in seinem Gott-in-sich-Raum geben - die wahre Größe des Menschen liegt, die tiefste Wahrheit des menschlichen Lebens.
Er hatte alles hinter sich gelassen. Seine Familie, den Beruf, allen Besitz, alle Eitelkeit und lebte einzig aus dieser Kraft Gottes heraus.
Das musste scheitern. Weill Gott in dieser Welt, wo Menschen eben doch so anders sind, nicht überlebensfähig ist. So, wie wir es in der Passionszeit sprechen: weil die Menschen ihre Ordnungen, ihre Wünsche und Begehren höher achteten als die Ordnungen, Wünsche und Begehren Gottes.
Aber Gott hält dagegen, Gott widerspricht und hält fest an uns Menschen.
Indem Jesus lebt. Petrus erzählt: Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen...
Gott zeigt aller Welt das Geheimnis seiner Kraft. Vielleicht ist das der tiefste Wunsch Gottes für uns Menschen.
AMEN