Palmsonntag - Johannes 14, 6 Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben

13.04.2014 | 12:00

13, 30  Als Judas den Bissen genommen hatte, ging er schnell hinaus. Und es war Nacht. 31 Als er aber hinausgegangen war, spricht Jesus: „Nun ist des Menschen Sohn verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm. [...]  33 Kinder, ich bin noch eine kleine Weile bei Euch. Ihr werdet mich suchen; doch ich sage Euch: Wo ich hin gehe, da könnet Ihr nicht hin kommen." [...] 36 Spricht Simon Petrus zu ihm: „Herr, wohin gehst Du?“. Jesus antwortet: „Wohin ich gehe, kannst Du mir jetzt nicht folgen; Du wirst mir aber später folgen.“ 37 Spricht Petrus zu ihm: „Herr, warum kann ich Dir gerade jetzt nicht folgen? Mein Leben würde ich für Dich einsetzen.“ 38 Jesus antwortet ihm: „Du willst Dein Leben für mich einsetzen? Wahrlich, ich sage Dir: Ehe der Hahn kräht, wirst Du mich dreimal verleugnen.“[...] 14, 1 „Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! 2 In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, würde ich Euch dann sagen: Ich gehe hin, Euch die Stätte zu bereiten? (Matthäus 25.34) 3 Und da ich also gehe, Euch die Stätte zu bereiten, so will ich doch wiederkommen und Euch zu mir nehmen, damit Ihr seid, wo ich bin. 4 Also: Wo ich hin gehe, das wisst Ihr – Ihr kennt den Weg!“  5 Spricht Thomas zu ihm: „Herr, wir wissen nicht, wo Du hin gehst; wie können wir da den Weg wissen?“ 6 Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. 7 Kenntet Ihr mich, so würdet Ihr auch meinen Vater kennen. Von jetzt an kennt Ihr ihn, Ihr habt (mich) gesehen.“

I. Ich fürchte, der vorliegende Text vom Weg löst ambivalente Gefühle in uns aus. Einerseits kann er zu radikal und fundamentalistisch wirken. Nur ein Fundamentalist würde doch sagen: „Mein Weg/durch mich leben, das ist die einzige Möglichkeit zum Ziel“. Und alle, die den Weg nicht gehen, auszuschließen, das muss uns doch befremden, vielleicht sogar abstoßen.

Andererseits: Im Ohr bleibt uns dieses Wort vom richtigen Weg nicht nur wegen seines möglichen Drohcharakters, sondern gleichzeitig oder vielleicht noch mehr, weil es die Erfüllung der Sehnsucht verspricht, sich auf dem richtigen Weg zu befinden.

Stellen wir uns eine Allee vor oder eine Schneise im tiefen Wald oder eine Klamm, in die wir hineinschauen, durch die hindurch wir Durchblick haben, unseren Blick auf den Fluchtpunkt gerichtet. Der richtige Weg  im Lebensdurcheinander, von Licht durchgleist. Postkarten mit fotografischen Darstellungen, die auf diese richtige Lebensführung hinweisen, pflastern deshalb unseren Alltagsweg, weil eine große Menge sehnsüchtiger Menschen sie kauft. Darauf stehen Sinnsprüche: Der Weg ist das Ziel, der erste Schritt ist entscheidend, fege Stück für Stück die Straße, etc. Alles richtig!

Beim Gespräch über Weg und Ziel sind die Jünger hellwach – und verstehen dennoch nicht recht. Sie sind im Gegenteil sehr verunsichert. Uns geht es nicht besser. Alle wollen wir es „richtig“ machen. Doch die alte, immer neue Frage, ist nach wie vor nicht recht zu beantworten: Welcher Weg ist richtig?

Und die durch den Umstand komische Frage, dass wir alle mehr oder weniger energiegeladen unsere Wege kreuz und quer abschreiten, manche immer voller Überzeugung, ist ebenfalls nicht recht beantwortbar: Was war doch gleich das Ziel?

II. Ich erinnere mich an die 80er Jahre. In meinem Freundeskreis gab es Mädchen und Jungen, die schon früh über die Sicherung von Frieden nachdachten und politisch engagiert waren. Ich bin froh um ihren Anteil an meiner sozialen Prägung.

Ich kenne aber auch aus den letzten Jahrzehnten einen Trend zu einer gewissen Beliebigkeit, die wohl auch Folge einer friedlichen Behäbigkeit ist. Nur an wenigen Orten traf ich Menschen, die die Sinn- und Wegfrage unbequem und engagiert gestellt haben. Die Frage lockte anscheinend nicht mehr viele Menschen zu neuem Leben und Umdenken. Ich hatte oft den Eindruck, durch ihre Bestimmtheit lief die sogenannte Frage nach den letzten Dingen dem Zeitgeist der Beliebigkeit entgegen. 

Und ich glaube, dass wir mittlerweile einen umgekehrten Trend erleben. Wir haben vielleicht bemerkt, dass, wenn wir uns die Gretchenfrage nicht mehr stellen, wir uns einer starken Antriebsfeder berauben. Es rückte unserer modernen Gesellschaft zeitweise aus dem Blick, aber: Ist uns die Frage nach dem richtigen Ziel und Weg nicht wieder näher gekommen? Spüren wie nicht wieder mehr Attraktion angesichts der Ahnung, dass es sich lohnt nach Weg und Ziel des Lebens zu fragen?

Unsere Gesellschaft ist insoweit auf dem „richtigen“ Weg, als wir gegenwärtig  die längste Friedenszeit Deutschlands erleben. Traurig nur, dass wir Menschen einen geschichtlichen Zustand bereits lang nennen müssen, von dem die Generation meiner Eltern an entscheidender Stelle, nämlich in den Baby – und Kleinkindjahren nicht profitieren durfte. Sie sind noch Kriegskinder gewesen.

Und wir alle – kinderreich oder kinderlos - haben uns heute die ernste Frage zu stellen, wie wir die Kinder und Enkel davor schützen, wieder Kriegskinder zu werden, sondern statt dessen Friedenskinder sein zu dürfen wie meine Generation und die Zwischengeneration. Die Frage nach dem Friedensweg muss uns umtreiben, auch wenn sie unbequem ist.

Unsere Gesellschaft ist nicht frei von unterschwelligem, gesellschaftlich akzeptiertem Extremismus. Darüberhinaus erleben wir gute Wahlprognosen bzw. Ergebnisse für Rechtsradikale, derzeit zum Beispiel auf europäischer Ebene und hartnäckig seit Jahren in einigen deutschen Bundesländern. Wir müssten eigentlich wissen, wohin Extremismus führt. Die Weg-Suche birgt jedoch auch immer die Gefahr einer üblen Radikalisierung.

Liebe Gemeinde, könnten uns hier Jesu Worte über seinen Weg auf unserem Friedensweg helfen?

III. Jesus sagt ja auch einen radikalen Satz: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, keiner kommt zum Vater, außer durch mich.“

Doch mit seiner Radikalität hat es eine einzigartige Bewandtnis:

In seinem Leben hält Jesus seinen Kopf dafür hin, dass es keinen Ausschluss irgendeines Menschen oder einer Personengruppe gibt, sondern dass alle gleichermaßen am Leben teilhaben sollen. Sein Leben ist eine einzige gemeinsame Mahlzeit mit Andersdenkenden, unbequemen Wegbereitern, Wucherern und Kranken aller Art. Die Jünger Jesu leben in seiner Nachfolge in der Spannung, eine Prostituierte an den Esstisch zu lassen und sie sich wegen ihrer Großzügigkeit und liebevollen Hingabefähigkeit zum Vorbild zu nehmen. Und einen kollaborierenden Zöllner, der sein Leben ändert.

Zusammenfassend lese ich aus seiner Biografie: Jesus hätte  - und hat unter Einsatz seines Lebens - nie zugelassen, dass ein Gesellschaftsgeist über die Wertigkeit welchen Unterschiedes auch immer (Ethnie, Religion, sexuelle Ausrichtung, Unbescholtenheit nach dem Strafgesetzbuch, Größe des Wohlstands) Konsequenzen im Zusammensein vor Gott gehabt hätte.

Das ist aber noch mehr als unser verfasstes Gleichheitsrecht. Das ist von anderer Qualität als bestimmte, anerkannte Gleichbehandlungsthemen durchzusetzen. Es ist die mit dem eigenen Leben bezahlte, höchstpersönliche und bedingungslose Annahme jedes einzelnen Menschen.

Und hier ist sein Grund für diese besondere Art der Radikalität: Es gibt keine Ismen in Jesu Leben, bis auf einen. Das ist der Ismus der Liebe. Einzig aus Liebe wendet Jesus sich seinem Nächsten zu, auch wenn dessen Wunden unerträglich anzuschauen sind (egal ob seelisch oder körperlich). Das ist der Weg Jesu.

Auffällig am Radikalismus der Liebe Jesu ist, zusammenfassend gesagt, dass er seine Kraft einsetzt, um die Spannung der Verschiedenartigkeit auszuhalten. Seine Liebe ist radikal, indem sie eben auf Radikalität in Fragen der Weltanschauung verzichtet, und die sich selbst von solchen Menschen nicht abwendet, die aus unserer menschlichen Sicht etwas Unannehmbares getan haben.

Jesus war also in Weltanschauungsfragen unradikal - und gleichzeitig radikal in seinem unbedingten Geleitet-Sein durch die Liebe. 

Wir sind folglich mit Jesu radikaler Aussage „ich bin der einzige Weg“ herausgefordert, nicht etwa, als Fundis aufzutreten, sondern all' unsere Wachheit einzusetzen, um selber „unradikal-radikal“ durch den Tag zu gehen. 

Wie kann es gelingen, dass das vielleicht zunächst abstoßende Wort vom einzigen Weg, das Ausschluss zu atmen schien, sich in den Köpfen unserer Noch-Friedens-Gesellschaft in ein Wort der freudig-liebevollen Ausschließlichkeit umwandelt?

Wohl, indem wir uns schlicht danach verhalten.

Gesetzt diesen Fall: Wie wird sich unsere Gesellschaft verändern, wenn wir die Spannung aushalten, unradikal in Weltanschauungsfragen, jedoch radikal, ausschließlich mit dem Maß der Liebe messend zu leben? Werden wir dann vielleicht Frieden bewahren können?

Mir kommt dieser Verzicht auf meine persönlichen, unumstößlichen Gewissheiten wie ein vertrauensvoller Gang über das Wasser vor. Spannungsvoll in der eigenen Weltsicht unradikal bleiben, das ist nicht beliebig, sondern schwierig, echt radikal. Menschen in ihrer Andersartigkeit und sogar in ihrem entsetzlichen Tun anzunehmen und aus dieser Haltung heraus Liebe an ihnen zu üben oder mit ihnen zusammen Liebe zu üben – wenn das gelänge...  dann wäre Jesu Weg in der Tat die Wahrheit, die richtige Medizin.

IV. Doch bei uns ist schnöder Alltag, kein Heldenklima. Sind die Spannungen und Gegensätze, die wir auszuhalten bzw. zu überwinden haben, nicht vergleichsweise banal? Familienkrach oder zerstrittene Unternehmenspartnerschaften? Armut direkt vor unserer Nase? All‘ dort scheitern wir oft! Ist unser kleines Leben überhaupt irgendwie qualifiziert für den Weg der Nachfolge hinter Jesus?

Hier kommt zum Schluss dieser Predigt Petrus ins Spiel, der Nachfolge vorgelebt hat. Er löst ja einen wichtigen Teil des Gesprächs über Weg und Ziel aus, indem er sich, wie in vielen anderen Szenen auch, mal wieder zu weit aus dem Fenster hängt.

Petrus will ja auch in anderen Geschichten immer mehr als er kann – oder soll! Bei der Fußwaschung will er von Jesus gleich ganz gewaschen werden- und nicht nur seine Füße, er möchte auch gleich selber auf dem Wasser gehen und nicht nur vom Boot aus keine Angst mehr vorm Sturm haben, er möchte gleich auf dem Berg im Zustand der Erleuchtung eine Hütte bauen, und nicht nur momentane Erleuchtung erleben. Jetzt Nägel mit Köpfen! Es geht dabei immer etwas gut, aber etwas geht dabei auch immer schief.

In diesem schwierigen Gespräch der Jünger mit Jesus über den Weg sagt Petrus: „Ich gehe den Weg nicht erst später mit, sondern gleich. Ich lasse mein Leben dann eben auch gleich.“

Und Jesus sagt: „Nein, das kannst Du nicht.“ Und durch einen Blick in die Zukunft entblößt er Petrus Verhalten. Petrus wird das Gegenteil machen von Das-Leben-Lassen. Er wird feige sein und lügen, um nicht aufzufliegen.

Jesus applaudiert ihm dafür nicht. Er beschönigt es auch nicht. Doch er verurteilt es auch nicht.

Und sicher bleibt er nicht hinter seiner Vorgabe der unbedingten Liebe zurück, auch nicht angesichts seiner Hörer- und Nachfolgeschaft: der Menschen in ihrer menschlichen Schwäche. Egal, ob ängstlich wie die Jünger im Sturm, überskeptisch wie Thomas oder ob affekthaft-übermotiviert wie Petrus, egal ob Ausnahmezustand oder Alltag, er bleibt dabei:

Dies ist der einzige Weg. Er ist zu beschreiten. Dies ist mit Versagen verbunden, denn wir sind als Menschen konfrontiert mit unseren auch bequemen, ängstlichen Seelen!

Die Geschichte mit Petrus spricht uns gerade in unserer menschlich-allzu menschlichen Art an und sagt: „ Ihr werdet immer wieder auf dem Weg der Liebe scheitern. Doch trotzdem ist für jeden von Euch dieser Weg unbedingt gangbar! Jeden Tag neu sollt Ihr Euch am Wort der Liebe üben. Jeden Tag sollt Ihr Euch neu auf den Weg der Liebe begeben. Als unbedingt angenommene, geliebte Menschen könnt Ihr das auch!“

Auf dem Weg warten auf uns alle handfeste und unbedingt wichtige Aufgaben, und sie drehen sich allesamt um Nächstenliebe.

Daher finde ich als Schlussfrage dieser Predigt nur die eine Frage wichtig. Es ist die Frage des radikal nach Liebe suchenden Individuums an Gott: „Gott, wie kann ich mich heute konkret auf Deinen Weg der Liebe begeben?“

Amen.

Lied 251, 1, 6, 7

 

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