Pfingstsonntag: Apg 2, 1-18

15.05.2016 | 12:00

Gnade Sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

Pfingsten, dieses schöne, ein bisschen schwer zu verstehende Fest im prallsten Frühling, das war von Anfang an besonders, irgendwie eigen. Es hat ursprünglich ganz klein angefangen, klein und versteckt, voller Angst. Von der Grundstimmung her waren die, die später Feuer und Flamme für das Evangelium waren, am Anfang eher verunsichert, traurig, fühlten sich – schon wieder - alleingelassen. "Als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander", so beginnt unser Predigttext und setzt in diesem schlichten Satz schon so viel voraus, dass ich ein bisschen erzählen möchte von der Gemengelage unter den Jüngern 50 Tage nach dem Tag X, 50 Tage nach Ostern.

Um verstehbar zu machen, wie groß der Umschwung ist, den der Geist Gottes mit sich brachte, wie abenteuerlich anders sie unterwegs waren nach dieser Geisterfahrung als vorher.

Alle hatten sich nach seinem Tod am Karfreitag versteckt. Hatten Angst, sich zu zeigen. Wollten nicht, dass man sie erkennt. Und dann vielleicht mit Jesus in Verbindung bringt. Den sie ja gefangen genommen und verurteilt und hingerichtet hatten. Sie hatten Angst, dass das auch mit ihnen passieren könnte. Sie hatten das ja gar nicht kommen sehen, überhaupt richtig verstanden. Warum Jesus überhaupt verhaftet worden war, wieso man ihn getötet hatte, für viele unter ihnen blieb das nicht zu verstehen. Und wie sie eigentlich weiterleben sollten ohne ihn, der ihre Orientierung, ihre Mitte war, auch das war eine Frage ohne Antwort. Er war ihr Anker, ihr Freund, ihre Verbindung zu Gott gewesen. Wo war er jetzt ? Und was war er jetzt? Auferstanden vom Tod, lebendig, wenn auch ganz anders als ich und du. Wie geht das ?

Da und auch nicht da. Zum Greifen nah und so unsagbar fremd, irgendwie da und irgendwie auch nicht da. Irgendwie, schwer zu beschreiben. Das, was nach Ostern geschah, war eine tiefgreifende und krisenhafte Erfahrung, in die sie nur langsam hineingewachsen sind und die sie wieder und wieder durchbuchstabieren mussten. Jeder für sich, ganz persönlich. Und gleichzeitig miteinander. Wer sonst hätte sie denn verstanden, wenn nicht die, die denselben Weg gegangen waren miteinander und mit diesem Jesus von Nazareth ?

Darum haben sie sich versteckt, sind nicht mehr rausgegangen – nur wenn es unbedingt nötig war-, sind zusammen geblieben und haben versucht, diesen Tod zu überleben. Haben versucht, das neue Leben zu verstehen, das danach die Runde machte unter ihnen. Sie haben versucht, zu begreifen, was da eigentlich passiert war. Was das eigentlich zu bedeuten hatte, was die Frauen am Ostermorgen am Grab erlebt haben. Diese Begegnung im Zwielicht, die Maria, trauernd verzweifelt wie sie war, so tief verstört hat, diese unerwartete und so ersehnte Nähe zu dem, der doch eigentlich tot war und ihr doch begegnete, sie doch tröstete, sie aufrichtete, wieder auf den Weg schickte. Erschütterungen der Seele waren diese Begegnungen. Zuviel, um es wirklich zu begreifen. Ahnendes Tasten viel eher, dass es doch irgendwie weitergeht, dass er irgendwie weiter lebt, mit ihnen, bei ihnen, nah und doch fern, vertraut und doch ganz anders. Wie er zweien von ihnen auch später noch begegnet war, auf dem Weg nach Emmaus.

Sogar ein Stück mit ihnen unterwegs war und sie hatten ihn nicht erkannt. Wie er sogar mit ihnen zu Abend gegessen hatte, sich nötigen ließ, bei ihnen zu bleiben. Ihrer Trauer standhielt, zuhörte, nicht auswich, sie ins Leben hineinzog, ihrer Seele gut tat. Und sie hatten ihn nicht erkannt. Erst als er ihnen zu Abend aß, wie damals am Abend vor seinem Tod, als er mit denselben Worten Brot und Wein an sie austeilte, erst da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn. Und schon war er weg. "Brannte nicht unser Herz", fragen sie sich im Nachhinein. Wussten wir es nicht längst, ohne uns dessen bewusst zu sein? Woran erkennt man die Nähe derer, die man liebt? Welche Verkleidung kann die Liebe annehmen? Woher weiß man, wenn etwas Neues beginnt?

Wie er immer wieder da war und dann auch wieder weg, wie sie ihn spüren konnten, wie er plötzlich mitten unter ihnen war, ganz nah, ganz zugewandt, zum Greifen nah und wie sie sich dann auch wieder ganz allein gefühlt hatten.

Und dann diese eigentümliche Erfahrung, die Himmelfahrt heißt. Als auch diese Begegnungen im Zwielicht nicht mehr waren, als er endgültig Abschied genommen hatte. "Wo ich hingehe, den Weg wisst ihr", hatte er gesagt und von seiner Herkunft und Heimat bei Gott im Himmel gesprochen. "Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst", sagt Thomas, stellvertretend für alle. "Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst. Wie sollen wir den Weg wissen?"

"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich." Antwortet er und verspricht ihnen: "Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende."

Und war weg an Himmelfahrt.

Als das Pfingstfest herankam, lag Ostern schon 50 Tage hinter ihnen und Himmelfahrt war 10 Tage her.
So vieles, was er ihnen gesagt hatte. Und sie hatten es nicht verstanden. Sie fühlten sich alleingelassen, verunsichert. Dabei hatte er es vorhergesagt. Um sie vorzubereiten. Und um sie zu trösten.

"Wenn aber der Tröster kommen wird, den ich euch senden werde vom Vater, den Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mit. Und auch ihr werdet meine Zeugen sein, denn ihr seid von Anfang an bei mir gewesen", sagt ihnen Jesus in seinen Abschiedsreden im Johannesevangelium (Joh. 15,26.ff).

Weil sie zwischen allen Stühlen hingen zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Nichts war mehr wie vorher. Sie konnten nicht einfach zurückkehren zu der Zeit, bevor sie sich Jesus angeschlossen hatten. Er hatte ihr Leben verändert. Er hatte sie verändert. Alles hatten sie aufgegeben für ihn. Was sollte jetzt aus ihnen werden ? Wie sollte es weiter gehen?

So waren sie in Jerusalem in einem Haus versammelt, in dem sie sich versteckt hielten. Wenigstens zusammen, so wie sie es mit Jesus gewesen waren. Er hatte sie zu einer Gemeinschaft verbunden um ihn als Mitte. Aber jetzt war er nicht mehr da und sie mussten allein klarkommen. Mussten ihre Hoffnung belehnen und das Vertrauen beleihen, das er ihnen ins Herz gelegt hatte. Und es fiel ihnen schwer.

Das Wochenfest stand vor der Tür. Alle Welt bereitete sich auf das große Fest in Jerusalem vor, wie damals, zum Passahfest. Es würde wieder voll werden in der Stadt, wie damals. Ganz viele Menschen würden sich einfinden und miteinander ein großes Fest feiern, Gott zu Ehren, wie damals. Das Laubhüttenfest diesmal.

Sollten sie, durften sie das Fest mitfeiern? Oder lieber doch nicht?

Sollten Sie einstimmen in die Melodien des Festtages, die sie alle kannten? Sie trugen sie doch auch im Herzen, die Festtagsmelodien, die zu ihrem Leben gehören, die Rituale des Gelingens, die Feste der Freude. Sie trugen sie in sich und waren doch Gefangene der Geschichte, die sie erlebt haben.

So warten sie. Waren darauf, dass etwas geschieht und die Dinge ändert. Warten darauf, dass sich die Spannung löst und die Verunsicherung in ihnen weicht. Von Gott her. Der doch versprochen hat, sie nicht allein zu lassen. Der ihnen Jesus wieder weggenommen und ihnen zumutet hat, auf eigenen Füßen zu stehen.

Die Lehrzeit ist vorbei. Jetzt geht es darum, das Gelernte anzuwenden.

Vielleicht hatte Jesus genau das gemeint, als er gesagt hat: "Fürchtet euch nicht! Ich lass euch nicht allein. Ihr werdet Angst haben und euch verlassen fühlen. Aber ihr werdet nicht verlassen sein. Gott wird euch seinen Geist schicken, den heiligen Geist. Der wird da sein unter euch. Euch trösten. Euch helfen. Euch erinnern an alles, was ihr erlebt habt mit mir, Euch froh machen." Vielleicht fallen ihnen die alten Vertrauensgeschichten aus der hebräischen Bibel wieder ein, als Gott selber Mose und die Kinder Israels aus Ägypten herausgeholt hat- Auch ihnen hat er zugemutet, selber zu gehen, ihren Weg zu finden. Und war mitten unter ihnen, manchmal wie eine Feuersäule, die vor ihnen herzog und ihnen den Weg gezeigt hat, manchmal wie ein riesiger Flügel, unter dem sie nachts ihre Zelte aufschlagen konnten. Gott war da, die ganze Zeit an ihrer Seite. Sie waren nicht allein. Sie hatten es nur oft nicht verstanden. Verstanden hatten sie es oft erst im Nachhinein. Immer wieder ist es ihnen weggerutscht. Immer wieder mussten sie die Erfahrung machen: Es stimmt, er ist da. Anders als wir es uns dachten, anders als wir es uns vorgestellt haben.

Und so fragen auch die Jünger Wie wird es wohl sein, wenn Pfingsten wird, wenn Gottes Geist kommt? Woran wohl werden wir merken, wenn er zugegen ist, der Geist, der doch weht, wo und wie er will? Wie werden wir sie erkennen, diese ungeheuerliche Kraft Gottes, die uns zugesagt ist?

Die Apostelgeschichte des Lukas malt ja ein Bild, das uns vielleicht sehr vertraut ist, das aber dennoch schwer zu deuten ist.

Wie ein Brausen, ein Sturm durch sie hindurchfegt und in sie hinein. Wie die Energie Gottes sie beseelt und begeistert und beflügelt. Sie so engelgleich leicht macht, ihr Herz so weit, ihren rastlosen Geist ruhig.

Wie aus trostlosem Schweigen Reden wird, das verstanden wird, das ankommt. Wie aus Angst Freude und aus Verunsicherung Zuversicht wird, aus Schüchternheit Mut.

Vielleicht ist die bewegendste Botschaft des Pfingsttages selbst die, dass das passiert. Dass Kraft von außen kommt. Dass Wandlung geschieht. Nicht, dass die Jünger sie machen. Nicht, dass sie selber sich am Schopf packen und herausziehen aus der Trübsinnigkeit, der Verunsicherung, dem in sich Gekehrt Sein. Kein Motivationstraining, keine Durchhalteparole.

Pfingsten kommt auf sie zu.
Passiert einfach.
Da, wo sie sind.
So, wie sie sind, fährt ihnen der Geist Gottes in die Knochen und bewegt ihr Herz.

Lässt sie plötzlich begreifen, was sie vorher nur ahnten, lässt es ihnen plötzlich aufgehen, was vorher wie ein gordischer Knoten vor ihnen lag :

Gott ist längst hier. An unserer Seite. Hat sich längst hineingewebt in unsere Alltage, hat längst unsere Sonntage unterwandert mit den Farben seines Lichtes.

Alles längst da, was wir brauchen, um weiter gehen zu können. Die Feuersäule, die den Weg zeigt, die Flügel, unter denen sich rasten lässt, die Gegenwart Gottes neben uns auf unseren Wegen, die uns tröstet, lichtet, leuchtet, verstehen hilft, wie Jesus neben den beiden Jüngern auf ihrem Weg nach Emmaus. Wie den Frauen am Grab, die nur mühsam zusammenbekommen, was sie dann erleben: er ist noch immer da, sein Lied in ihrem Leben geht weiter, seine Liebe bleibt.

Nur mühsam lernt es Maria, lernen es die anderen Jünger, lernen es die, die ihm selbst begegnet sind. Nur mühsam lernen wir es in der Regel: Gott wahrzunehmen in den vielen Kleidern, in denen er uns begegnet. Ihn nicht festzulegen und kontrollieren zu wollen. Weil er Gott ist und sich nicht kontrollieren lässt. Nur langsam werden sie achtsam genug, die Vibration von Gottes Energie in den Kräften, die ihr Leben bestimmen, wahrzunehmen und ihr zu vertrauen. Sie selbst sind es, die ihm in der Regel im Weg stehen.

Wir selbst sind es so oft, die Gott im Weg stehen. Wir mit unseren Ideen davon, wie es sein soll, wenn es einen Gott gibt, mit unseren Ideen davon, wie er sein soll, wenn es ihn gibt. Wie mein Leben sein soll, was ich haben will, was mir begegnen soll, was sich unbedingt verändern muss, was ich so nicht mehr aushalten kann, was ich brauche u.s.w. u.s.f. ...

Wir bauen so viele Ideen und Bilder vor die Art und Weise, wie er dann wirklich da ist, sich einmischt, an uns arbeitet, uns wandelt, andere aus uns macht.

Zum Glück lässt er sich davon nicht beeindrucken. Und kommt doch immer so wie er will. Mit seiner ganzen Kraft. Mit seiner ganzen Liebe. Mit dem ganzen Repertoire seiner Möglichkeiten.

Das ist Pfingsten. Heute wie gestern, morgen wie alle Zeit. Amen.

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