Pfingstsonntag: Joh 16, 5-15

04.06.2017 | 12:00

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

 Der Predigttext für heute steht bei Johannes 16, 5-15

Christus spricht:

"Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? Doch weil ich das zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben; über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wirder euch verkünden. Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen. Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er wird’s von dem Meinen nehmen und euch verkündigen. er euch verkünden."

Liebe Gemeinde,

Abschiedsworte sind das in unserem heutigen Predigttext. Abschiedsworte von Jesus, denen mitgegeben auf den Weg, die zu ihm gehörten. Liebevolle Vorbereitung auf das, was kommen würde, der Versuch, sie vor dem Schock, der unweigerlich über sie hereinbrechen wird, zu wappnen. Jesus, der Seelsorger. Wie gut, wenn man so Abschied nehmen darf. Wie gut, wenn einer, der geht, das so kann. In seinem eigenen Gehen die noch sehen kann, die danach allein zurückbleiben werden. Abschiednehmen ist nicht leicht, für keinen Menschen.

Abschiedsworte sind das, gesprochen vor Karfreitag, gesprochen vor Ostern, gesprochen vor dem Fest, das wir heute feiern, Pfingsten. Und doch voll von Karfreitag und Ostern und Pfingsten und all dem, wofür es steht.

Worte, mit denen Jesus die, die mit ihm unterwegs waren, vorbereitet auf das, was kommt. Unweigerlich kommen würde. Er wusste das. Anders als sie, die noch ahnungslos waren, über die die Ereignisse in Jerusalem wenig später hereingebrochen sind wie eine furchtbare Katastrophe und sie verstört und verlassen zurückließ. Die sie – wenn überhaupt - erst viel später verstanden haben und deuten konnten. Sie waren völlig unterschiedlich unterwegs, wie das manchmal so ist, auch in nahen Beziehungen, einander so nah und doch so fern. Jesus auf den Weg in den Tod, sie auf dem Weg zum Passahfest nach Jerusalem. Sie euphorisch, ausgelassen, in Feststimmung, er ernst, bewegt, um sie besorgt, seinen Tod vor Augen. Er war schon beim Abschiednehmen, bei der Trauer, beim Alleinlassen müssen, bei seinem Vermächtnis als sie noch nicht einmal begriffen, um was es geht. Sie haben ihn nicht verstanden, glaube ich. Und wer wollte es ihnen verdenken. Wer hätte diesen Weg vorhersehen können. Wer sollte – so eng mit ihm verbunden und unterwegs gewesen über eine so lange Zeit - begreifen können, was dann geschah, wie schnell das Blatt sich wendete, wie schnell aus dem begeisterten jubelnden Anhängern nicht mehr viel bleiben würde außer dem lauten Mob, der sein "Kreuzige ihn" schrie...

Und wenn doch, wenn sie doch schon etwas geahnt haben sollten, so wird sich alles in ihnen gesträubt haben dagegen. Das kann, das darf nicht sein!

Weil Abschied nehmen nicht leicht ist. Schon, wenn man selbstgewählt geht nicht, wenn man keine andere Wahl hat, um so mehr. Wissend, dass sie ihn vermutlich nicht verstehen werden, versucht er es dennoch. Versucht, sie vorzubereiten auf das, was kommt. So gut er kann.

Wenn man Menschen fragt, was Pfingsten denn eigentlich gefeiert wird in unseren Kirchen, dann weiß kaum jemand darauf etwas zu sagen. Dann kommt manchmal noch: den heiligen Geist. Aber wer weiß schon, was das sein soll. Da kommt manchmal der Geburtstag der Kirche, was ja auch nicht falsch ist, aber in meinen Augen nicht das Zentrum, um das es geht. Pfingsten ist im Grunde Glauben für Fortgeschrittene. Was wir an Pfingsten feiern, ist dieses Geheimnis Gottes, in das Jesus sie hier vor seinem Tod einführt: dass das Bild immer größer ist als der kleine Ausschnitt, den wir meist davon begreifen können, dass der leere Raum, der mit Jesu Tod entsteht, nicht leer bleiben wird, sondern nach und nach neu bezogen werden wird, von Gott selbst nämlich, von seinem heiligen Geist.

Nach Karfreitag ist passiert, was immer passiert, wenn Menschen sterben, wenn Abschied genommen werden muss, ungewollt, ungefragt, unter Schock: Menschen tragen Trauer, wie dieses schöne deutsche Wort heißt. Sie sind beladen mit all dem, was Abschied nehmen von ihnen verlangt: loslassen müssen, obwohl sie es nicht wollen, den Schmerz spüren, es nicht wahrhaben wollen, Angst haben vor dem, was kommt, nicht weiter wissen, aus der Bahn geworfen sein, untröstlich werden, trauern eben.

Und da hinein, noch mitten in den Schock des Verlusts erreichen sie die ersten Berichte von seiner Auferstehung. Dahinein die Erzählungen, dass einige der Jünger ihn gesehen haben wollen nach Ostern, dass er einigen von ihnen begegnet ist – ganz real und doch so ganz anders als sonst, ganz nah und vertraut und gleichzeitig so fremd und unnahbar. Da hinein die verstörenden Geschichten von denen, die er anspricht und berührt, er, der Tote, er, der Auferstandene.

Und dann - nach Himmelfahrt - auch diese Begegnungen im Zwielicht nicht mehr. Gar nichts mehr, an dem sie sich festhalten können. Alles zu Ende. Als hätte es ihn nicht gegeben. Weg war er, ganz weg an Himmelfahrt. Vakuum. Leerer Raum. Der sich genau so anfühlt, leer. Der sich wie jedes Vakuum, wie jeder leere Raum schnell füllt mit all dem, was einen umtreibt: dem ewigen Kreisen um uns selbst. Dem wieder und wieder hervorholen der alten Bilder, fem wieder und wieder Sicherinnernwollen an das, was war. Dem Versuch, zu verstehen, was da passiert ist. Mit ihm passiert ist. Mit ihnen passiert ist.

Da ist ein großer leerer Raum in ihnen und um sie. Und keine Ahnung, was diese Berichte von Ostern und Auferstehung wirklich bedeuten für ihren Glauben. Ob da jemals wieder etwas kommt, das nach normalem Leben aussieht. Das sie da rausholen wird. Ob es jemals wieder gut werden wird. Dieser ganze Weg vom Palmsonntag über Gründonnerstag, Karfreitag, Ostern und Himmelfahrt bis Pfingsten beschreibt einen Entwicklungsprozess, einen Lernweg auf dem Weg ihres Glaubens, ein Erwachsenwerden. Auf dem Weg unseres Glaubens. Dieser ganze Weg beschreibt die Alchemie unseres Glaubens, die Gewinnung von Gold aus den scheinbar verlorenen, gescheiterten Erfahrungen unseres Lebens.

Jesus sagt: "Es ist gut für euch, dass ich weggehe." Das will niemand hören, der loslassen muss und es nicht will.

Und er sagt es trotzdem: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. (Joh 16,7)

Jesus wertet ihre Erfahrungen, ihre Deutungsmuster um und verheißt ihnen, die noch ahnungslos sind für das, was kommt: Im Loslassen werdet ihr stark sein, im Verlieren werdet ihr gewinnen, im Abschiednehmen wird etwas Neues beginnen. Vergesst es nicht! Achtet darauf, wenn es so weit ist! Ihr werdet es sehen. Ihr werdet es erleben. Wenn jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten. (Joh 16,13a).

Der Geist der Wahrheit wird den leeren Raum füllen, den wir mitunter schmerzlich empfinden: weil ein Mensch gegangen ist, den wir lieb hatten, weil ein Lebensabschnitt zu Ende gegangen ist und wir uns nicht davon lösen können oder wollen, weil wir uns von einem Ort verabschieden müssen, der uns Heimat war, oder von Überzeugungen, die uns Sicherheit gegeben haben.

An Pfingsten feiern wir den heiligen Geist Gottes und dass er seine Arbeit aufnimmt in unserem Leben. Den, der die Verbindung zu Gott und zu der größeren Geschichte, die bei Gott aufgehoben ist, hält über alle Abschiede hinweg. Den, der uns alles lehren soll und wird, was wir wissen müssen, wenn wir es an Jesus selbst nicht mehr abgucken können, wenn wir – im Glauben erwachsen geworden - auf innere Peilung gehen müssen, der Resonanz unseres Herzens folgen. Wir werden lernen müssen, die Geister selber zu unterscheiden und die Stimme Gottes aus den vielen Stimmen, die uns ansprechen, herauszuhören. Und sein heiliger Geist hilft uns dabei.

Er erinnert uns an alles, was wir immer wieder zu vergessen drohen, wenn es uns nicht wieder und wieder ins Herz geschrieben und vor Augen geführt wird. Wenn uns nicht einer wieder und wieder daran erinnert. Er tut das.

Er erinnert uns daran: es gibt einen Raum in einem jeden von uns, der unverletzbar ist, heilig. Und er hat ihn uns aufgeschlossen.

In begnadeter Freiheit und getroster Verbindung mit der Liebe Gottes hat Jesus das gelebt und die gelehrt, die ihm nachfolgten. Und sie dann nach Himmelfahrt entlassen auf ihren eigenen Weg, in seine Nachfolge. Mit seinem Vermächtnis, das der heilige Geist in ihnen, in uns wachhält.

Weil uns das immer wieder wegrutscht und wir so oft leben, als wüssten wir nicht um diese andere Freiheit, zu der auch wir berufen sind, darum brauchen wir Pfingsten.

Weil wir immer wieder leben, als hätte uns die Liebe Gottes niemals berührt und etwas in uns aufgeschlossen, als kennten wir diesen heiligen Raum Gottes in uns nicht, in dem ein jeder von uns ganz ist, heil und gut, geborgen und aufgehoben, komme, was wolle, darum brauchen wir Geist von seinem Geist.

Weil wir doch alle wissen: dass alles mit allem zusammenhängt und auch wir Menschen alle miteinander verbunden sind, aneinander gewiesen, verantwortlich für unser Tun und es doch immer wieder aus dem Blick verlieren, darum brauchen wir den Anstifter Gottes, den Verbinder, den Verbündeten seiner Liebe.

Darum brauchen wir den Geist Gottes, diese geheimnisvolle Verbindung zwischen Himmel und Erde, die man nur erfahren, aber nicht fassen kann. Die man nur am Werk sehen, aber nicht bannen kann oder vorzeigen.

In Wahrheit sind wir: tief geliebt, zur Liebe fähig und berufen, wahrhaft frei.

Und noch immer unterwegs sind wir zwischen unserer Herkunft und unserer Heimat, die bei Gott ist und es bleiben wird. Und der Heilige Geist ist unsere Reiseleitung, wenn wir ihn lassen...

Martin Luther hat das Leben in Gottes Geist so beschrieben:

"Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind's noch nicht, wir werden's aber. Es ist noch nicht getan oder geschehen, es ist aber im Gang und im Schwang. Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg."

Gute Reise also, frohe Pfingsten. Amen.

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