Predigt zu Neujahr: Apk 21,6

01.01.2018 | 11:00

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen.

Wir standen an einer kleinen Wasserstelle von Gebüsch eng umwachsen in einer Senke, die umgeben war von einer großen kargen Weide auf einer Bergkuppe in der Nähe des Dorfes Ludodolelo. Wir hatten eine Skizze entworfen, wie diese Quelle zu erschließen sei, welche Schritte die ersten zu sein hätten. Landrechte, Wasserqualität, Brandschutz, Anpflanzung von Urwaldbäumen – und was es alles zu bedenken gilt. Und wir beschlossen: im Sommer 2018 fangen wir an. Fangen an, eine Wasserquelle auszubauen, die die vier Dörfer Ludodolelo, Lupombwe, Iduda und Mbalache erstmals mit Wasser versorgen würde. Ich selbst war ein wenig erschrocken über die Größe des Unterfangens und zugleich freudig aufgeregt. Und dann fing Ezekiel Msigwa an zu singen: "Bwana u sehemu yangu / rafiki yangu wewe – Herr, mein Teil, mein Freund auch." Wir, die Marafiki kennen es mittlerweile auswendig und so erklang froher Gesang aus jener Senke bei Ludodolelo. Wir brachten Gott zusammen mit einer Vision, die in unserer Gemeinde schon lange klein vor sich hinlebt: maji safi – sauberes Wasser für unsere Partner in den Gemeinden von Lupombwe und Kisasatu. Und zu erleben, wie eine Vision sich umsetzen will in Realität, lässt die Menschen in unseren Partnerdörfer singen und Gott danken – und wir, die wazungu, die Weißen, sangen und dankten mit. Und nun muss die harte Arbeit beginnen, eine Vision wirklich werden zu lassen – gegen alle Schwierigkeiten und Frustrationen, die kommen werden und mit Zuversicht und Glauben.

Visionen setzen Menschen in Bewegung, mehr als wir es manchmal bedenken. Sie tun es als dämonische, zerstörerische Visionen wie als heilende, göttliche Visionen. In ihrer Großartigkeit verunsichern sie erst einmal, wahrscheinlich weil wir es schon verlernt haben, groß zu träumen; in ihrer Schäbigkeit begeistern sie erst einmal, wahrscheinlich, weil wir immer noch meinen, der Zweck heilige die Mittel.

Visionen bewegen einzelne Menschen und Massen, bringen Menschen zusammen, führen sie zu absurden Ansichten oder großartigen Einsichten, bewegen sie zu Liebes- oder Meucheltaten. Sie haben eine große Macht zum Guten oder Schlechten; lauwarme Mittelmaßvisionen gibt es nicht.

Ich möchte uns die Frage stellen, welche Visionen wir gemeinsam teilen und ob wir ihnen trauen, ob wir bereit sind, für sie einzutreten.

Nun ist der Begriff „Vision“ umstritten. Ich denke an „realistische Visionen“, mit denen man nicht zum Arzt muss, sondern deren Realisierung immer schon erlebt werden konnte: die Vision, dass ein geteiltes Land wieder vereint werden kann – Deutschland 1989. Die Vision, dass Apartheid als Form struktureller wie kultureller Gewalt überwunden werden kann – Südafrika 1990. Die Vision, dass eine religiöse Gemeinschaft sich geschlossen gegen blutige Gewalt der Mehrheit im eigenen Lande wehren kann und anderen, gleich welcher Religion oder Volkszugehörigkeit, unter Lebensgefahr Schutz bietet – die Muslime in Ruanda 1994.

Wer das Vaterunser betet, der identifiziert doch nicht das, was global in unserer Welt, was individuell den Menschen passiert, mit dem Willen Gottes. Er sieht den Realitäten ins Auge und gibt ihnen gegebenenfalls eben nicht recht, sondern geht mit einer Vision dagegen an: „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe“ (Mt 6, 10).

Die großen Verheißungen von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, von denen wir eben in der Epistel hörten, – zu bedenken dabei ist: die Offenbarung des Johannes besteht in weiten Teilen aus alttestamentlichen Zitaten, bündelt also das, was das Volk Israel schon als Zukunft Gottes träumte – diese großen Verheißungen lassen sich nicht einfach abschieben in ein Morgen, von dem wir nicht wissen, wann es kommt.

Nein, Gott ist schon jetzt Wirklichkeit und seine Verheißungen wollen sich schon jetzt auswirken. Er ist da und wenn das erst in unausdenklicher Zukunft Konsequenzen haben sollte, dann kann er ebenso gut weg sein.

„Noch will das alte unsere Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last.“ Und eine jede und ein jeder von uns kann diesen Vers mit eigenen Erfahrungen, Qualen, Bedrückungen füllen. Wir gehen in ein neues Jahr und tragen Altes mit uns.

„Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das du uns geschaffen hast.“ Und eine jede und ein jeder von uns trägt eine Sehnsucht nach Heil in sich, nach Heilwerden auch. Wir sind geschaffen für das Heil – große Worte.

So groß, dass ich gar nicht weiß, wie ich sie recht füllen kann. Aber fühlen kann ich es, wenn ich den Visionen unserer Bibel traue und sie groß werden lassen will.

Und da ich nun Großvater bin und ich gestern ein kleines Neugeborenes im Arm hielt und es mich mit seinem noch ein wenig verquiemelten Gesicht aus großen Augen anschaute, ist das mein Bild: uns ist ein neues Jahr wie ein kleines Kind in den Arm gelegt und Heil fühlt sich so an, wie Elisa im Arm zu halten.

„Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ Als Durstige sind wir angesprochen von den Worten der Jahreslosung. Und auch wenn wir, wie ich, in den letzten Tagen zu viel getrunken haben sollten, und auch wenn ich den leisen Verdacht habe, eine Jahreslosung diene oft genug nur dazu, dass Künstler beauftragt werden, Bilder dazu zu malen, dass Kirchenkitsch entsteht – nicht immer, aber oft genug – dass mit der Jahreslosung bedruckte Karten und Kaffeebecher verkauft werden sollen, so trifft diese Jahreslosung doch mein Angewiesensein auf eine göttliche Vision und drückt doch Gottes Großzügigkeit aus.

2018 – ein Jahr des lebendigen Wassers also, an dessen Quelle uns der eine führt, der uns den Weg weist: Jesus, der Christus. Von ihm gilt es gleich zu singen.

Das Symbol des Wassers aber will uns in diesem Jahr Anteil geben an der Macht dessen, was es symbolisiert – das rechte Leben im Sinne unseres großen Gottes. Eine kleine Geschichte dazu zum Schluss:

Wasser lehrt das rechte Leben

Einen Weisen im alten China fragten einmal seine Schüler: "Du stehst nun schon so lange vor diesem Fluss und schaust ins Wasser. Was siehst du denn da?" Der Weise gab keine Antwort. Er wandte den Blick nicht ab von dem unablässig strömenden Wasser. Endlich sprach er:

"Das Wasser lehrt uns, wie wir leben sollen: Wohin es fließt, bringt es Leben und teilt sich aus an alle, die seiner bedürfen. Es ist gütig und freigebig.
Die Unebenheiten des Geländes versteht es auszugleichen. Es ist gerecht.
Ohne zu zögern in seinem Lauf stürzt es sich über Steilwände in die Tiefe. Es ist mutig.
Seine Oberfläche ist glatt und ebenmäßig, aber es kann verborgene Tiefen bilden. Es ist weise.
Felsen, die ihm im Lauf entgegenstehen, umfließt es. Es ist verträglich.
Aber seine sanfte Kraft ist Tag und Nacht am Werk, das Hindernis zu beseitigen. Es ist ausdauernd.
Wie viele Windungen es auch auf sich nehmen muss, niemals verliert es die Richtung zu seinem ewigen Ziel, dem Meer, aus dem Auge. Es ist zielbewusst.
Und sooft es auch verunreinigt wird, bemüht es sich doch unablässig, wieder rein zu werden. Es hat die Kraft, sich immer wieder zu erneuern.
Das alles", sagte der Weise, "ist es, warum ich auf das Wasser schaue. Es lehrt mich das rechte Leben."

(zitiert in: M. Loh, P. Godzik, Zum eigenen Leben finden, 119).

Wir leben an der Elbe. Sie kann uns dieses Jahr zur Lehrmeisterin werden. Uns ist viel anvertraut in diesem Jahr, aber mehr noch ist uns gegeben. „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ Frohes und gesegnetes 2018 uns, unseren Lieben und den Menschen, die uns brauchen. Amen.

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