Quasimodogeniti: Kol 2,8-15

08.04.2018 | 12:00

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

vor Kurzem habe ich mit einem Text von Hanns Dieter Hüsch eine Predigt beendet und will diese Predigt damit beginnen. Nicht, weil mir nichts Neues mehr einfällt, sondern weil ich noch immer finde, dass er das, worum es geht in einem Leben aus dem Glauben, hier so wunderbar ausgedrückt hat. Und weil es heute, am ersten Sonntag nach Ostern, Quasimodogeniti – wie die neugeborenen Kindlein - genau um diese Frage geht, darum: wie wir von den dogmatischen Richtigkeiten der Festtage zu Ostern zu einem lebendigen Osterglauben in unserem Alltag finden können. Wie wir nach Ostern im Alltag umsetzen, was im Geheimnis der Auferstehung uns verheißen ist: Leben aus einem Gottvertrauen, das den Tod seiner Macht beraubt glaubt, das die scheinbaren Mächte dieser Welt nicht machtlos, aber demaskiert weiß und das uns eine getroste, eine lebendige, ein an Jesu Vorbild orientiertes Urvertrauen in die Liebe Gottes zu uns und daraus folgend eine tiefe Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit in uns wurzeln lässt. Weil wir – wie er - darum wissen, dass und wo wir gehalten sind.

Etwas als dogmatische Richtigkeit zu wissen und zu bekennen, ist ja nur das Eine, das im Zweifel Belanglose, wenn dem nicht ein Leben entspricht, das die Theorie hinter sich gelassen und mitten in der Praxis pietatis, der Praxis dieses Glaubens, angekommen ist. Und von dieser Praxis spricht Hanns Dieter Hüsch so unnachahmlich, in meinen Ohren so wunderbar, dass ich es Ihnen noch einmal weitersagen möchte:

FÜHREN UND LEITEN

Im übrigen meine ich
Möge uns der Herr weiterhin
Zu den Brunnen des Erbarmens führen
Zu den Gärten der Geduld
Und uns mit Großzügigkeitsgirlanden
Schmücken

Er möge uns weiterhin lehren
Das Kreuz als Krone zu tragen
Und darin nicht unsicher zu werden
Soll doch seine Liebe unsere Liebe sein

Er möge wie es auskommt in unser Herz eindringen
Um uns mit seinen Gedankengängen
Zu erfrischen
Uns auf Wege zu führen
Die wir bisher nicht betreten haben
Aus Angst und Unwissenheit darüber
Dass der Herr uns nämlich aufrechten Ganges
Fröhlich sehen will
Weil wir es dürfen
Und nicht nur dürfen sondern auch müssen
Wir müssen endlich damit anfangen
Das Zaghafte und Unterwürfige abzuschütteln
Denn wir sind Kinder Gottes: Gottes Kinder!
Und jeder soll es sehen oder ganz erstaunt sein
Dass Gottes Kinder so leicht und fröhlich sein können
Und sagen: Donnerwetter

Jeder soll es sehen und jeder soll nach Hause laufen
Und sagen: er habe Gottes Kinder gesehen
Und die seien ungebrochen freundlich
Und heiter gewesen
Weil die Zukunft Jesus heiße
Und weil die Liebe alles überwindet
Und Himmel und Erde eins wären
Und Leben und Tod sich vermählen
Und der Mensch ein neuer Mensch werde
Durch Jesus Christus.

Hüsch spricht hier von dem, was aus Ostern folgt für unser Leben: von dem Herrschaftswechsel, den Jesus verbürgt, von der grundlegenden Umwertung der Werte, einer komplett anderen Aufstellung in der Welt, die unser Glaube uns ermöglicht. Ostern ist ja nicht das Ende der Geschichte, sondern – im besten Fall - der Beginn des Glaubens, der Anfang des eigenen Weges hinein in begnadetes Gottvertrauen, in die Nachfolge Jesu, in die eigene Kindschaft Gottes. Wie Glaube geht, das ging schon immer über den menschlichen Verstand weit hinaus; deshalb ist es mit Grübeln über diesem Geheimnis, mit dem Fahnden nach dem Faktischen in den Berichten der ersten Zeugen nicht getan. Es gibt im Glauben – wie im Leben - keine Sicherheiten, keine Garantien, keinen zweiten Boden, sonst wäre Glaube gar nicht nötig, sondern es geht immer wieder – nicht nur einmal im Leben - um den mehr oder eben weniger beherzten Sprung ins Vertrauen. Gerade dann, wenn es was kostet, gerade dann, wenn einem um dieses Vertrauen bange ist. Deshalb muss man sich einlassen auf die Botschaft, die mit Jesus in die Welt gekommen ist und sie unterwandert hat und mir ihr eigene Erfahrungen machen. Man muss die Verheißungen in die Herausforderungen des eigenen Lebens hineinnehmen und mit ihnen umgehen lernen, auf ihnen kauen, sie sich zu Herzen nehmen, daran scheitern, es neu versuchen, nicht aufgeben, dranbleiben. Und so Jesus nachfolgen, nicht nur mit dem Kopf, mit dem Verstehen wollen, sondern auch mit dem Herzen und mit dem konkreten Leben im Alltag, denn da muss es ankommen.

Und bitte, hören Sie das jetzt nicht als einen moralischen Appell, denn das ist er nicht, gerade nicht. Ich persönlich glaube, mit Moral hatte Jesus gar nichts am Hut. Komplett zu kurz gesprungen. Es geht ihm nicht darum, dass seine Jünger „Superchristen“ werden sollten – und sie waren es beileibe nicht, nicht zu seinen Lebzeiten und auch nach seinem Tode nicht. Sie waren – wie wir - Lernende, sich nach dem, was er verheißen hat, Sehnende, Menschen aus Fleisch und Blut, menschlich, fehlbar, und trotzdem gut genug, so wie sie waren. Geliebt von ihm und seinem Gott, so wie sie waren und oft genug, obwohl sie waren, wie sie waren, obwohl wir sind, wie wir sind.

Es geht nicht darum, alles richtig zu machen, es geht nicht darum, keine Fehler zu machen auf diesem Weg, moralisch einwandfrei zu sein. Es geht darum, diesen Weg zu gehen. Als Mensch, der sich immer mehr und immer tiefer als Kind Gottes angenommen weiss.

Wir bleiben Menschen, auch nach Ostern. Weil wir aber Menschen sind und in der Tiefe menschlicher und in der Tiefe vertrauensvoller Gott gegenüber werden können, können wir wirklich andere werden mit der Ostererfahrung der ersten Auferstehungszeugen im Herzen. Und deshalb schreibt der Verfasser des Kolosserbriefes an die, die jede Menge Fragen dazu haben, wie das konkret geht mit dem Leben nach Ostern, wie das geht mit der Nachfolge Jesu, wo er selber doch nicht mehr als Wanderprediger durch Galiläa vor ihnen herzieht, sondern sie die innere Jüngerschaft antreten müssen und die führt nun einmal mitten hinein in diese Welt, ihre Anforderungen, ihre Aufgaben und auch ihre Fallen. Darum schreibt der Verfasser des Kolosserbriefes diese Zeilen, die unser Predigttext sind:

Sehet zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt, und nicht auf Christus. Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, und an dieser Fülle habt ihr Anteil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist; in ihm seid auch ihr beschnitten mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen geschieht, als ihr nämlich euer fleischliches Wesen ablegtet in der Beschneidung durch Christus. Mit ihm seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihr seid ihr auch auferstanden durch den Glauben, aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten. Und er hat euch mit ihm lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, und hat uns geschenkt alle Sünden.

Er hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet. Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.

„Wie die neugeborenen Kinder“, Quasimodogeniti, so heißt der 1. Sonntag nach Ostern seit den Tagen der Alten Kirche. Es ist der Tag, an dem die in der Osternacht Getauften ihr weißes Gewand ablegten, und ihre neue Existenz als getaufte Christen begannen. Und jetzt in echt, sozusagen, jetzt lebt, was euch zugesagt worden ist. Jetzt tut, was ihr versprochen habt.

Taufe, damals Bekenntnistaufe, in der Regel als Erwachsener, in der Regel in einer multireligiösen Welt, in der das junge Christentum noch keine Staatsreligion war, sondern eine kleine verfolgte Sekte. Mit der Taufe begann eine neue Zeitrechnung. Das ist in anderer Ernst als die Taufe sie heute für die allermeisten Menschen hat.

Dabei war sie nie harmlos und ist es auch heute nicht. Auch ohne Christenverfolgung, auch ohne Anfeindung von außen, war die Taufe von jeher – und daher bezieht sie auch ihre Kraft - ein Geschehen, das den Menschen existentiell betrifft und umfasst. Die alten Taufliturgien erzählen auch davon, auch wenn sie heutzutage verstaubt klingen und nicht mehr zumutbar: das Abschwören des Bösen gehörte dazu, das Ersäufen des alten Adams, der Herrschaftswechsel, das völlige Untertauchen – der Bezug auf Sterben - das Herausheben aus der Taufe – der Bezug auf die Auferstehung, an der wir wie Christus Anteil haben, das sich Gott versprechen, all das äußere Anzeichen für die Dramatik der Taufe und seine Bedeutung.

Sie war nie nur ein harmloses Familienfest mit anschließendem Empfang und selbst wenn wir es heute oft so feiern, ist sie im Tiefsten viel, viel mehr. Und darum ist es gut, dass wir inzwischen auch wieder beginnen die Tauferinnerung ganz explizit zu begehen, Menschen noch einmal – in Erinnerung an dieses Datum - zu segnen und neu auf den Weg zu schicken. Heute im FaGo als Tauferinnerung der im letzten Jahr Getauften, aber natürlich auch als Erinnerung an die jeweils eigene Taufe der großen Kinder Gottes.

Die Osterbotschaft will in unser Leben hinein fortgeschrieben werden, gewechselt werden in die Münze unserer Erfahrungen, die nach Tod und Scheitern, Einsamkeit und Verlassenheit, Krankheit und Gebrechlichkeit schmecken. Die Osterbotschaft will mit der Kraft Gottes einziehen und wandeln, was anders werden muss. Und wie die ersten Jünger kapieren wir es meistens doch wieder nicht, wenn es geschieht, wie die ersten Jünger sind wir meistens doch erst hinterher in der Lage zu sagen: „Brannte nicht unser Herz?“, wie die Nachfolger Jesu durch alle Zeiten wachsen wir in die Tiefe, wenn wir uns diesem Gott und seiner Botschaft anvertrauen und bekennen irgendwann: „Sollt ich meinem Gott nicht singen? Sollt ich ihm nicht dankbar sein?!“ Oft sind es Grenzerfahrungen, an denen wir diese Zusammenhänge erkennen. Und oft verstehen wir sie nur im Nachhinein: die Situationen, in denen sich das Leben wider Erwarten durchsetzt, Begegnungen mit anderen, die uns unverhofft Mut machen und Wind unter unsere Flügel schicken, eine flüchtige Erfahrung, die uns das Herz aufgehen lässt. Da gelingt einem etwas und ein anderer kann es sehen und sich mitfreuen ohne Neid. Verhärtete Fronten weichen auf, Vergebung geschieht. Ein Gespräch öffnet uns die Augen für vorher völlig Unverständliches und macht uns neue Schritte auf den anderen zu möglich. Man denkt, etwas geht zuende und ein neuer Anfang wird plötzlich möglich. Etwas geht zu Ende und es ist plötzlich ein Segen, dass das so ist und neues Land tut sich auf.

Für einen Augenblick öffnet sich der Himmel und wir spüren mit Wucht die volle Wahrheit, dass wir aufgehoben sind bei Gott und es bleiben, komme, was wolle.

Neugeboren, befreit seid Ihr, malt uns der Kolosserbrief in Bildern vor Augen, was glauben heißt. Gott „hat den Schuldbrief getilgt, der mit seinen Forderungen gegen uns war, und hat ihn weggetan und an das Kreuz geheftet.“ Der Schuldschein meines Lebens durchkreuzt. Noch zu lesen, was drauf stand, aber entwertet, nicht mehr gültig. Und ich, ledig dieser Festschreibungen, ledig dieser Schuld, bar der Last, die mir auf der Seele lag. Nimm es dir zu Herzen und leb davon!

„Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und einen Triumph aus ihnen gemacht in Christus.“

Der Autor leiht sich Bilder aus der römischen Welt. Wenn der Kaiser heimkehrte, dann führte er die bezwungenen Mächte im Triumphzug mit sich. So soll es auch bei uns sein. Das, was dich in die Knie gezwungen, das, was dich eng gemacht und dir allen Raum genommen hat, ist bezwungen, Du bist frei. Nimm es dir zu Herzen und leb davon!

Auch das ein Bild, das das Fleisch der eigenen Erfahrung braucht, damit es nicht nur ein schönes Bild bleibt. Tragen Sie die Bilder Ihrer eigenen Erfahrungen ein, in denen Ihnen aufgegangen ist: „Dieser Kaiser ist nackt!“, da ist nichts dahinter und ich habe mich davon beeindrucken lassen. Schluss damit! Holen Sie Ihre eigenen Befreiungserfahrungen heraus, Momente, in denen sie um Vergebung gebeten haben, zu einer eigenen Verfehlung gestanden haben, zu sich selbst so wie sie sind und freigesprochen wurden durch die Vergebung eines anderen Menschen. Buchstabieren Sie Ihren persönlichen Triumphzug durch, die Mächte und Gewalten, von denen Gott sie befreit hat in Ihrem Leben. Und wenn Sie jetzt sagen: „Gibt's nicht!“, dann sag ich Ihnen: „Dann legen Sie Gott ans Herz, was Sie bindet und knechtet und bitten Sie Gott um Ihr persönliches Ostern, um Ihre persönliche Befreiung. Denn um nicht weniger geht es.

Darum, dass Gott „in unser Herz eindringen – möge -
Um uns mit seinen Gedankengängen
Zu erfrischen
Uns auf Wege zu führen
Die wir bisher nicht betreten haben
Aus Angst und Unwissenheit darüber
Dass der Herr uns nämlich aufrechten Ganges
Fröhlich sehen will
Weil wir es dürfen
Und nicht nur dürfen sondern auch müssen
Wir müssen endlich damit anfangen
Das Zaghafte und Unterwürfige abzuschütteln
Denn wir sind Kinder Gottes: Gottes Kinder!
Und jeder soll es sehen oder ganz erstaunt sein
Dass Gottes Kinder so leicht und fröhlich sein können
Und sagen: Donnerwetter.“

Amen.

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