Reformation 2015

04.11.2015 | 17:56

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist, der da war und der da kommt. Amen

Liebe Gemeinde,

Reformationstag 2015, zwei Jahre vor dem Tag X, zwei Jahre, bevor das Reformationsjubiläum uns ins Haus steht.

Heute vor 498 Jahren soll Martin Luther an die Schlosskirche zu Wittenberg seine 95 Thesen angeschlagen und damit die Reformation auf den Weg gebracht haben.

 Und auch wenn inzwischen immer mal wieder die Frage laut wurde, ob das historisch eigentlich haltbar ist – momentan sieht es so aus als sei es durchaus vorstellbar, dass an der Kirchentür, also quasi am Schwarzen Brett der Uni diese Disputationsthesen angeschlagen worden sind. Sicher nicht von Martin Luther selbst, sondern eher vom Personal der Uni, dem Pedell vielleicht. Es könnte schon sein.

Und auch wenn das, was Martin Luther dann später auf unnachahmliche Weise und sehr wirksam in die Welt gebracht hat an Neuem, ganz so neu, auch da sind sich die Historiker inzwischen einig, ganz so vor allem Anfang und aus sich selbst heraus kam diese Entwicklung nicht zustande. Es war auch die Gunst der Stunde, die die weitere Entwicklung in der Gestalt Luthers dann vorangetrieben hat. Es waren auch die Vorläufer, wie Wycliff oder Jan Huss, auf den Luther sich immer wieder beziehen wird, der ihm gedanklich den Weg bereitet hat. Der war noch auf dem Scheiterhaufen gelandet gut 100 Jahre früher Der böhmische Reformator Jan Hus, Priester, Prediger und zeitweise Rektor der Uni in Prag, war nach Konstanz gereist, um dort auf dem Konzil seine Schriften zu verteidigen. Nach dem Eintreffen zahlreicher theologischer Gegner wurde seine Lage dort immer bedrohlicher. Nur wenige Wochen nach seiner Ankunft im November 1414 wurde der Prager Magister trotz eines Geleitbriefes des Königs und der Zusage des Papstes, ihm Schutz zu gewähren, gefangen genommen. Das Kirchenverständnis von Hus gefährdete in den Augen der Konzilsväter die Autorität der Kirche - wie sich die Ängste der Mächtigen gleichen werden. Ziel seiner einflussreichen Gegner war es, Hus zum Widerruf seiner Lehren zu bringen.

Er war – wie später Luther- dennoch fest davon überzeugt, rechtgläubig zu sein. Auch er hat, wie später Luther- die Autorität des Konzils und den Anspruch des Papstes, in geistlichen Dingen unfehlbar zu sein, nicht mehr anerkannt, wenn das, was beide zu sagen hatten, nicht aus der Schrift begründet werden konnte.  Revolutionär für die damalige Zeit.

Schließlich wurde Jan Hus am 6. Juli 1415 – wie später Luther- als Ketzer verurteilt und als er einen erneuten Aufruf zum Widerruf ablehnte – anders als Luther- verbrannt. Er soll, bevor er verbrannt wurde, gesagt haben: „Heute bratet ihr eine Gans (tschechisch „Hus“ bedeutet „Gans“), aber aus der Asche wird ein Schwan auferstehen.“ Später wurde dieser Ausspruch auf Martin Luther gedeutet, der gut 100 Jahre später auf den Plan der Geschichte trat und auf Bildern immer mal wieder mit einem Schwan abgebildet wird.

So weit die Geschichte. Und heute?

Was begehen wir heute eigentlich , wenn wir den Reformationstag begehen? Was werden wir eigentlich feiern, wenn 2017 herankom-

mt ? Und mit wem ? Und wie ?

Anfang Oktober war ich mit vielen Pastorinnen und Pastoren hier aus dem Kirchenkreis zum Außenkonvent in Wittenberg.

Lutherstätten vor Ort kennen lernen, schon mal im Vorlauf für 2017.

Das war in vielerlei Hinsicht spannend. Erstmal war es anschaulich und erhellend, das Lutherhaus, das ehemalige Schwarze Kloster, in dem er und seine Käthe mit ihren Kindern, mit Studenten und mancherlei Gästen gewohnt und gewirtschaftet haben und für damalige Verhältnisse wohlhabend geworden waren, zu besichtigen und zu durchwandern. Die Stadtkirche zu besuchen und die Schlosskirche zu Wittenberg, wo er gepredigt hat, das Melanchthonhaus, die Cranach-Höfe, überhaupt Wittenberg, dieses kleine beschauliche Städtchen, das viel von seinem Charme noch erhalten konnte. Aber es war mehr als das.

Wir waren u.a. eingeladen bei Propst Kasparick zu einem Gespräch. Er ist der Zuständige der Kirche in Mitteldeutschland –so heißt die Landeskirche dort-  für das Reformationsjubiläum. Wie er gern zu sagen pflegt : „Alle wichtigen Reformationsstätten liegen in unserer Landeskirche. Das kann man gut finden oder anstrengend. Man kommt daran nicht vorbei.“

2017 werden wir also feiern. Fragt sich was?

Und mit wem? Und wie ?

Und dann hat er sehr anschaulich erzählt, was es heißt, in einer Stadt zu leben und in einer Landeskirche zu arbeiten, in denen die einheimische Bevölkerung ihre Tradition, ihre Geschichte, den Horizont ihrer Stätten gar nicht mehr kennt. In der die Touristen oft mehr von der Bedeutung des Ortes wissen als die, die da seit Generationen leben.

Weil in Ostdeutschland  nach dem Krieg eine Gesellschaft entstanden ist, in der viele gar nichts über den Glauben und das Christentum und über die Kirchen wissen und das oft schon in der dritten Generation „Sie haben vergessen, dass sie Gott vergessen haben“ zitiert er gern einen Prof. aus Berlin. „Gott ist kein Thema mehr. In Wittenberg sind es 85% der Menschen, die keiner Kirche angehören. Die Bevölkerung schaut mit einer Mischung aus Staunen, Unverständnis und Neugierde auf das, was wir da so in der Reformationsdekade veranstalten“, sagt er. „In so einer Situation ist es den Menschen ganz unverständlich, wenn Unterschiede zwischen den Konfessionen herausgestellt und zelebriert werden. Die Unterschiede der institutionellen Kirchen sind ja selbst Kirchenmitgliedern oft fremd“, sagt er, und ich merke, das stimmt nicht nur in Ostdeutschland mit seiner ganz eigenen Geschichte. Wie viele Menschen schon wegen des Papstes aus der evangelischen Kirche ausgetreten sind....

Die Fragen heißen eher: Wieso sollten wir mit einem Gott rechnen? Wie kann Glaube helfen? Wozu sollen Kirchen gut sein?

Was mir sehr imponiert hat – und deshalb erzähle ich es hier – er hat angesichts dieser mich doch auch verstörenden Beschreibung einen keineswegs hoffnungslosen Eindruck gemacht.

Er hat uns vielmehr nahegelegt und es mit anschaulichen Beispielen erläutert, wie es gehen kann, nicht bei den musealen Schätzen Wittenbergs stehen zu bleiben. Auch im Blick auf das Reformationsjubiläum kann man sich ja erschöpfen im historischen Kennenlernen und sich Bilden in Kunst- und Theologiegeschichte. Alles gut und schön, aber nicht der Kern, um den es geht und gehen sollte, heute, nächstes Jahr und auch beim Jubiläum. Er hat uns nahegelegt,  nicht nur die schönen Fassaden anzusehen und ehrfürchtig die Wege nachzugehen, die der große Reformator der Kirche abgemessen hat, sondern zum Kern zu kommen, die zentralen Fragen für unsere Zeit neu zu stellen und unsere eigenen Entdeckungen zu machen. Also den Menschen nicht nur den historischen Luther nahe zu bringen – kann auch nicht schaden, Bildung auch in diesem Bereich ist ja auch ein Wert-, sondern das, was helfen kann und heilen, die Schrift nämlich, das Evangelium Gottes für unsere Zeit.

 Die Frage an uns Christinnen und Christen wird also sein, wie es uns gelingt, Glaubensinhalte zu vermitteln, die heute relevant sind.

Und da lautet die zentrale Frage in dieser sich immer mehr säkularisierenden Gesellschaft vielleicht nicht mehr : Wie bekomme ich einen gnädigen Gott, die Luther noch umgetrieben hat, sondern eher : wenn für Dich der Platz Gottes leer ist, was hast Du an diesen Platz gestellt ? Und : kannst Du damit leben? Wirst Du damit froh?

„Woran du dein Herz hängst, das ist Dein Gott!“ . Diese Formulierung Luthers stimmt heute noch genau so wie damals.

Kannst du aushalten, was du dir auf diese Weise zum Gott gemacht hast ? Und : macht es dich freier oder versklavt es dich nur auf eine neue Weise, dass du nun die letzte Instanz bist in deinem Leben?

 Kannst du es aushalten, permanent selbst der Maßstab aller Dinge zu sein, niemanden mehr anzuerkennen oder zu wissen über dir, dem du dich letztlich und vollends anvertrauen kannst, weil er dich kennt und liebt ? Niemanden mehr zu wissen oder zu kennen, dem du ein Urteil über dich zutraust, eine Wegweisung, eine Heimat, in der du geborgen bist und es bleibst?

Luther ist fast zu Grunde gegangen an der Angst vor dem richtenden und rechtenden, letztlich grausamen Gott, der ihn gelehrt wurde, an der Angst vor der ewigen Höllenqual, daran, es diesem Gott nicht recht machen zu können und gleichzeitig doch so völlig von ihm abhängig zu sein. Dass Gott ganz anders ist als man es ihn gelehrt hat, diese Erkenntnis hat ihn umgehauen.

Dass Gott nicht zuerst Richter ist, sondern Liebender, dass er ihn zu allererst und im Letzten liebt, diese Verheißung hat sein Leben verändert, hat ihn befreit von seiner tiefen Lebensangst, ihn neu aufstehen lassen. Er hat begriffen, dass Gott zurecht bringt und neu werden lässt, vor allem aber und zuallererst ihn annimmt und aufnimmt, so wie er ist. Immer schon, vor allem Anfang schon. Ohne jede Bedingung. Ohne jede eigene Leistung.

Dieses Glück hat ihm die Kraft gegeben, seinen Weg getrost zu gehen trotz allem, was dann noch kam.

Dieses Fundament hat ihm die Stärke und den Mut gegeben, weiter zu gehen, zuversichtlich zu bleiben.

Wo bleibst du, wenn du keinen kennst, der dich in deiner Angst    birgt ? Wohin führt es dich, wenn du dir auf die ungelösten Fragen deines Lebens selber die Antwort geben musst ? Was bleibt dir, wenn du im Erfolgsdiktat dieser Welt eher zu den Legasthenikern gehörst oder spürst, dass da keiner ist, der dich auffängt, wenn Du fällst?

Das, hat er erzählt, seien sehr wohl Fragen, die die Menschen erreichen und die Botschaft des Evangeliums neu relevant machen.

Und darum geht es, glaube ich. Heute, nächstes Jahr und auch beim Reformationsjubiläum 2017.

Es geht nicht um katholisch oder evangelisch, ob wir für uns oder zusammen mit unseren ökumenischen Geschwistern feiern  : natürlich müssen wir dieses Jubiläum ökumenisch begehen.

Es geht um die zentrale Frage, woran wir unser Herz hängen, was also unser Gott ist und welchen Götzen wir nachlaufen?

Kritisch, ehrlich und demütig, als Einzelne, als Gesellschaft, als Kirche.

„Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der längst gelegt ist in Christus Jesus, unserem Herrn“, sagt Paulus. Und Luther:

„Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade – so gewiß, dass er tausendmal darüber stürbe. Und solche Zuversicht und Erkenntnis göttlicher Gnade macht fröhlich, trotzig und freudig gegen Gott und alle Geschöpfe, welches alles der Heilige Geist im Glauben tut. Durch den Glauben wird der Mensch ohne Zwang – Gott zur Liebe und zum Lob, der ihm solche Gnade erzeigt hat – willig und fröhlich, jedermann Gutes zu tun, jedermann zu dienen und allerlei zu erleiden. ...Bitte Gott, dass er den Glauben in dir wirke.“

Amen.

 

 

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