Reformationstag

31.10.2016 | 20:00

Liebe Gemeinde.

Mit 22 Jahren ist Luther seinerzeit in das Kloster der Augustiner Eremiten in Erfurt eingetreten. Sein Vater war entsetzt. Hielt er das Mönchstum doch längst schon für überholt und nicht mehr zeitgemäß.

Luther aber war nie wirklich zufrieden gewesen mit dem Jura-Studium, sodass das Gewitter bei Stotternheim eher der Auslöser war, einen schon lange gehegten Wunsch nun endlich in die Tat umzusetzen.
Mit seinem Eintritt ins Kloster hatte der frisch gebackene Novize dann auch selbstverständlich die Regeln und Bestimmungen seines Ordens akzeptiert und angenommen: Er lebte einfach und vor allem gehorsam, ohne jeglichen Besitz und in strenger Ehelosigkeit.

Luther wurde ein leidenschaftlicher und gewissenhafter Mönch, was aber nichts daran änderte, dass er schon einige Jahre später dass Mönchstum ebenso leidenschaftlich und radikal ablehnte.

Vor allem die klösterliche Zwanghaftigkeit widersprach im Inneren dem Gefühl seiner neu gewonnenen evangelischen Freiheit. Und so stellte er seine deutliche Ablehnung dann auch mit der Heirat der Nonne Katharina von Bora für alle Welt sichtbar nach außen hin dar.

Und doch: Wesentliche Züge des mönchischen Lebens hat er weiterhin in seinem Leben aufrecht erhalten.
Dem Ideal der Besitzlosigkeit ist er bis zu seinem Tode treu geblieben ist. Er verzichtete trotz fleissigster Lehr-, Predigt- und publizistischer Tätigkeiten auf jegliche Einkünfte, und lebte mit seiner Familie nach wie vor von dem, was der Orden dem einstigen Mönch an bescheidenem Lebensunterhalt zur Verfügung stellte.

Eben genau dies war für ihn Ausdruck und Praxis von evangelischer Freiheit.

Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?

So schwer uns diese Worte heute wiegen, wenn wir sie in unser Leben hineinnehmen wollten, so leicht war dies für Luther. Weil er ganz aus dem Vertrauen lebte, dass Gott für ihn sorgen wird.

Das Einzige, was er für sich in Anspruch nahm, war sein Haus, das ehemalige Augustinerkloster, das der Orden ihm und seiner Familie zur Verfügung gestellt hatte.
Es war ein großes Haus. Aber Luther war auch ein Mensch, der die Gesellschaft anderer und die menschliche Gemeinschaft gesucht und geliebt hat.

So wohnten unter dem Dach des ehemaligen Klosters nicht nur Frau und Kinder, – hinzu kamen weitere Verwandte, immer auch um die zehn bis 20 zahlende Studenten der theologischen Fakultät samt ihrer Mentoren, und regelmäßig auswärtige Gäste und Besucher. Bis zu 50 Personen galt es manchmal täglich zu versorgen. Luthers Käthe hatte wahrlich viel zu tun!

Auch in dieser Hinsicht ist Luther dem Gemeinschaftsbild des Klosters treu geblieben. Immerhin: Durch die Mitschriften der Studenten sind viele seiner sogenannten Tischreden überliefert, die je nach seiner Stimmung und den Tagesereignissen auch schon mal etwas derber und ungeschliffener ausfallen konnten.

Luther liebte und brauchte die Gemeinschaft. In seinem Hause wurde gemeinsam gebetet, es wurde gesungen und die Bibel ausgelegt. Für ihn war eben all dies ein Bild von der Verbundenheit im Glauben. Eine aus dem Evangelium begründete Gemeinschaft.
Aber es war eine Gemeinschaft, die er herausgelöst wissen wollte aus der Sonderwelt des Klosters, aus aller Abgeschieden und aller Zurückgezogenheit, – und die er verortet hat inmitten des Lebens selbst, in der Familie, im Beruf, in der Gemeinschaft, in der Weltlichkeit der Welt.

Nun wäre Luther nicht Luther, wenn er auch dieses nicht theologisch zu deuten gewusst hätte.

Im Laufe seiner theologischen Entwicklung und schließlich seiner Reformatorischen Erkenntnis wurde es für ihn immer wichtiger, sich von den – wie er sagte - Anmaßungen der damaligen katholischen Kirche zu distanzieren. Und es ging ihm dabei um nicht weniger als das Heil. Um das, was den Menschen mit sich selbst und vor Gott ins Reine bringen lässt. Um es einfach zu sagen. Es ging ihm um Vergebung und eine angemessen Form von Buße. Eine Gewissensfrage.

Und heute immer noch genauso existentiell wie damals. Luther hat sie als erster in dieser Form und in dieser Beharrlichkeit formuliert.
Es ging ihm um das Heil, das er nicht länger an - durch die Kirche - auferlegte Pflichten gebunden sah, sondern als frei und zugänglich für alle Menschen gleichermaßen verstehen wollte, allein aus der Gnade Gottes. So bedurfte es keiner Priester und Bischöfe, die das Heil großzügig weitergaben oder eben auch verwehrten. Es brauchte keine Heiligkeit mehr, die durch ihre Abgrenzung zur Welt eine Art Garant für das Heil darstelle. Das Heil, die Erlösung fand sich gerade in der Welt.
Priester waren nicht länger gegenüber dem weltlichen Stand höher gestellt.

Was Luther aus seinem Freiheitsverständnis des Evangeliums tat, war ein Gleichmachen der Gläubigen, und ein Verständnis des Christseins, bei dem jeder und jede allein durch Gottes Gnade zu einem Priester und zu einer Priesterin vor Gott und von Gott erwählt ist.

Die Welt wurde die Bühne des Glaubens, in der Welt hatte sich der Glaube zu bewähren.
Dass Luther jene Freiheit in der Welt immer verstand als eine von Gott geschenkte Freiheit im Glauben, die man erlangt in der Nachfolge Christi, scheint mir ein gute und hilfreiche Erinnerung am heutigen Reformationstag zu sein.

Es ist nicht die Freiheit zu jedem mir beliebigen und lustvoll erscheinendem Tun. Keine Freiheit zu grenzenloser Lebensoptimierung und Maximierung von was auch immer.
Es ist vielmehr eine Freiheit von einer Bevormundung und einer Zwanghaftigkeit im Glauben, wodurch mir selber ein eigener Weg zu Gott eröffnet wird.

Und ich will Luthers Absage an einen falschen Schein von angemaßter Heiligkeit auch nicht verstehen wollen als eine Absage an jegliche Orte und Sphären von Heiligkeit. Vielmehr liegt in der Freiheit von begrenzter Heiligkeit doch gerade die wunderbare Aufgabe, die Heiligkeit unserer Welt und in unserer Welt in aller Freiheit zu entdecken.
Hier ist Freiheit im Denken, im Fühlen, im Geiste und im Herzen erlaubt und ausdrücklich erwünscht. Freiheit, die davon erzählt, wie Gott selbst in unserer Welt heute erfahrbar ist und sprachfähig gemacht werden kann.

Dass in dieser Welthaftigkeit des Glaubens dann eben auch eine Verpflichtung für diese Welt liegt, hat Dietrich Bonhoeffer wegweisend ausgedrückt – in einem Moment tiefster Bedrängnis der Menschlichkeit und dabei gerade den Blick auf Martin Luther gerichtet.

Bonhoeffer schreibt 1937 in seinem Buch "Nachfolge":

"Als Gott durch seinen Knecht Martin Luther in der Reformation das Evangelium von der reinen, teuren Gnade wiedererweckte, führte er Luther durch das Kloster. (…) Luther musste das Kloster verlassen und zurück in die Welt, nicht weil die Welt an sich gut und heilig wäre, sondern weil auch das Kloster nichts anderes war als Welt. Luthers Weg aus dem Kloster zurück in die Welt bedeutete den schärfsten Angriff, der seit dem Urchristentum auf die Welt geführt worden war.

Die Absage, die der Mönch der Welt gegeben hatte, war ein Kinderspiel gegenüber der Absage, die die Welt durch den in sie Zurückgekehrten erfuhr. Nun kam der Angriff frontal. Nachfolge Jesu musste nun mitten in der der Welt gelebt werden. Was unter den besonderen Umständen als klösterliche Sonderleistung geübt wurde, war nun das Notwendige und Gebotene für jeden Christen in der Welt geworden. Der vollkommene Gehorsam gegen das Gebot Jesu musste im täglichen Berufsleben geleistet werden. Damit vertiefte sich der Konflikt zwischen dem Leben der Christen und dem Leben der Welt auf unabsehbare Weise. Der Christ war der Welt auf den Leib gerückt."

Amen

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