Christvesper: Welt ohne Gott

24.12.2007 | 23:25

Klaus-Georg Poehls

Liebe Gemeinde!

Weihnachten ohne Geheimnisse, das ist schon mal klar, geht nicht. Rätselhafte Andeutungen, verschlossene Türen, das Verbot, in diese oder jene Ecke zu gucken, das Raten, was es denn wohl sein könnte, das da nachher unterm Baum liegt – die Geheimnisse darüber, was für eine Freude wir uns bereiten werden und wie groß sie wohl sein wird, die machen den Zauber dieses Tages aus und wirken hoffentlich noch den 1. und vielleicht auch 2. Weihnachtstag nach.

Ein Geheimnis muss nicht sein, um Weihnachten so richtig gut zu feiern. Es ist das Geheimnis des Glaubens. Denn dass ich glauben kann, dass Glaube mich beglückt, dass er sich für mich vereinbaren lässt mit dem vernünftigen und kritischen Menschen, der ich auch noch bin, dass er nichts abfordert, was ich nicht auch mit Herz, Sinn und Verstand bejahen kann, das ist ein Geheimnis – zumindest für die, die diesen Glauben nicht brauchen.

Was würde es für dieses kleine Menschenhäuflein, dass wir heute in dieser Kirche sind, eigentlich bedeuten, wenn wir Weihnachten feierten ohne Jesus und ohne den Glauben, der so eng mit diesem Menschen verbunden ist und sich auf ihn beruft, wenn wir uns also vorstellten, dies sei das letzte Mal, dass wir zu Weihnachten in die Kirche gingen, und wer sonst übers Jahr noch das eine oder andere mal ging, der ließe das ab sofort auch sein?

Träumt diesen Traum bitte einmal mit:

Es war in einer Nacht vor Weihnachten. Ich sah unser Wohnzimmer, den Baum, schon festlich geschmückt für das Weihnachtsfest, und auch die Krippe. Maria, Jesus und Josef, der Ochse und der Esel - alles war, wie sonst auch.

Ich sah, wie unsere Familie gemeinsam zu Abend aß, gerade vom

Weihnachtsgottesdienst zurück. Und dann begannen sie, Geschenke zu verteilen und entgegenzunehmen; auszupacken und sich darüber zu freuen.

Auf einmal, ohne dass es irgendjemand bemerkte, erhob sich das Jesuskind aus der Krippe und schaute uns dabei zu. Schließlich sagte es: "Ich denke, ich bin hier überflüssig. Mich beachtet sowieso keiner." Und es verschwand. Einfach so. Und mit ihm verließ Gott diese Welt, ebenso der Glaube und die Kirche.

Und tatsächlich, zunächst hat es keiner bemerkt. Auch in den nächsten Tagen, als kein Weihnachtsschmuck mehr zu sehen war, und später kein Gottesdienst mehr stattfand und niemand mehr betete, fiel die Abwesenheit Gottes nicht sonderlich auf. Ja, manche Menschen, einst hießen sie Christen, hatten viel mehr Zeit für sich und für andere. Sie haben mehr gelesen (natürlich nicht in der Bibel), oder mehr Fernsehen geguckt oder am PC gespielt oder in den Cafés gesessen.

Die Kinder gingen zum Kindergarten und in die Schule, wie auch bisher. Die Jugend traf sich weiter in Jugendräumen, an der Elbe oder in den Parks und feierte ihre Feste. Die Erwachsenen kamen von der Arbeit und trafen sich beim Sport oder zum Abendessen und hatten viel Freude dabei. Keiner merkte, dass er ihnen abhanden gekommen war: Der Glaube an Gott - und Gott selbst.

Das Jesus Kind schien Recht gehabt zu haben – es war überflüssig.

Es gab allerdings schon ein paar Veränderungen, bei denen auffiel, das Gott nicht mehr da war. Kleine Kinder, die erst wenige Wochen alt waren, kamen in das Gebäude, das früher die Kirche war, nicht mehr zur Taufe, sondern zum Namensgebungsfest. Hier wurde der Name der Kinder in ein Formular eingestempelt.

Größeren Kindern wurde ein Teddy überreicht und es wurde ihnen gesagt: " Es gibt jemand, der Euch lieb hat. Der immer bei Euch ist, egal was passiert. Und das ist Teddy; Teddy hat Euch lieb."

Und wenn jemand in seiner Not mit Teddy nicht mehr klar kam, und dringend Hilfe brauchte, die er von Familie und Freunden nicht bekam, dann betete der zu einem seiner Stars: "Lieber Heiliger Mark Madlock, liebe Heilige Shakira, - oder die Älteren – Lieber Präsident, ich habe große Sorgen und Probleme. Bitte hilf mir. Zu Gott habe ich schon gebetet, aber den gibt es ja nicht mehr. Hilf wenigstens Du mir.- (Pause) - Hallo? - (Pause) – Hallo? Ist da jemand – hörst Du mich?

Gebete blieben ohne Antwort – es war, als ob es zwischen Himmel und Erde nur noch ein ständiges "Kein Anschluss unter dieser Nummer" gibt.

Je länger in meinem Traum Gott fehlte, umso seltsamer wurde alles. Die Menschen hörten auf, miteinander zu reden. Sie hatten genug mit ihren eigenen Problemen zu tun. Man half sich nicht mehr gegenseitig. Und weil keiner mehr betete und kein Gottesdienst mehr stattfand, fühlten sich die Menschen allein und im Stich gelassen.

Unzufriedenheit und Resignation nahmen zu; Kinder zum Beispiel hatten keine Lust mehr, etwas für die armen Kinder in der Welt zu tun. Sie waren selbst arm geworden.

Am Ende meines Traumes war die ganze Welt grau und blass geworden, kalt und ohne Hoffnung. Es gab keinen Grund mehr zu feiern - und schließlich auch keinen Grund mehr, irgendjemanden auch nur irgendetwas zu schenken.

Ich wollte schon laut losschreien, als ich plötzlich einen Engel sah, der rief:

"Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen:

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens."

Natürlich hätte manch einer kritisch einhaken müssen in diesen Traum. Denn: Gutes geschieht auch ohne Glauben und Religion, und es ist nicht der christliche Glaube, der allein selig machend und weltrettend ist.

Der Anreiz sollte sein: stellt Euch eine Welt vor, die Gott leugnet. Und dekliniert dieses Gottesleugnung in den Alltag hinab.

Denn eines behauptet dieses Fest heute entscheiden: Gott ist in dieser Welt. Sicher, das war er auch schon vor der Geburt Jesu, nur wurde mit Jesus Gott noch einmal neu wahrgenommen, so wahrgenommen, dass Lukas die Geschichte von der Geburt Jesu schreiben konnte.

Und seither ergeht eine weihnachtliche Einladung, nicht nur heute, sondern immer: Wer Gott finden will, der suche nicht bei der Majestät, bei der Allmacht, nicht bei der Unendlichkeit Gottes, wie wir sie Gott als höchstem Wesen als Attribute geben müssten, sondern der suche in der Krippe: hier ist Gott – bildhaft – ein kleines hilfloses Kind, das auf die Liebe und den Schutz anderer angewiesen ist. Gott verzichtet, damit der Mensch gewinnt; Gott wird klein, damit der Mensch zu seiner Größe kommt; Gott wird Mensch, damit der Mensch Gottes Abbild und wahrhaft menschlich wird.

Gott ist Mensch geworden. Das heißt doch auch: er begegnet mir nicht übernatürlich, nicht in Sonderoffenbarungen, in Visionen oder anderen ekstatischen Erfahrungen, sondern er begegnet mir unter den Bedingungen des Menschseins: Geist teilt sich dem Geist mit, Liebe wird als Liebe empfangen, Vertrauen gebiert Vertrauen, Hoffnung verliebt sich ins Gelingen, Zutrauen lässt mutig werden, Menschsein wird groß, erhebt sich aus dem Staub, gewinnt ein Antlitz der Freundlichkeit und des Lächelns. Gott teilt sich mit und Jesus teilt das mit, teilt Gott mit. Jesus ist nicht Gott – weder als Kind in der Krippe noch als Mann von Nazareth. Aber in Jesus begegnet Gott. Wer Jesus wahrnimmt, nimmt Gott wahr, wer Jesus die Tür öffnet, lässt Gott ein - und wird, was Jesus war: Kind Gottes im Geist, Tochter oder Sohn.

Dieser Weg Gottes, dessen Beginn wir heute feiern, geht in die Welt hinein als eine Freude, die die Welt nicht aufgibt, sondern sie ändern will. Wer Weihnachten feiert mit Jesus und mit Gott, der will unsere kleine und ganz große Welt ändern, bis sie so ist, wie Gott sie gedacht hat, wie viele sie träumen, gerade in den Liedern und der Musik, die wir in diesen Tagen singen und hören.

Ein kleines Wort von Hannah Arendt fand ich: "Dass man in der Welt Vertrauen haben und dass man für die Welt hoffen darf, ist vielleicht nirgends knapper und schöner ausgedrückt als in den Worten…»Uns ist ein Kind geboren«." (Hannah Arendt zur »Natalität« am Anfang von »Vita activa oder Vom tä­tigen Leben«, München 1981).

Amen.

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