Epheser 4, 15

23.04.2006 | 02:00

K.-G. Poehls

Gnade sei mit euch und Friede von Gott durch unseren Herrn und Bruder Jesus Christus. Amen.

"Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen, / nicht im Möglichen schweben, sondern das Wirkliche tapfer ergreifen, / nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit.

Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in den Sturm des Geschehens, / nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen, / und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend empfangen." (D. Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, 184)

Ich komme so schnell nicht los von Bonhoeffer, liebe Gemeinde, nicht nur, weil sein Bild momentan der einzige Schmuck unseres Kirchturms ist, sondern weil er mir Vor-Bild ist in seinem tätigen Glauben. Die Zeilen, die ich eben las, sind überschrieben mit dem Wort "Tat". Gemeint ist jene Tat, die aus dem Glauben und aus Gottes Gebot folgt, ja die recht eigentlich tätiger Glaube ist.

Denn Glaube ist Handeln und Handeln ist der Schritt des Glaubens. So wie Liebe sich mitteilen will, sonst wäre sie keine Liebe, so will Glaube gehen, handeln, sonst wäre es kein Glaube.

Im Evangelium war das seltsame Wort vom Salz, das nicht mehr salzt, zu hören. Was in der Natur nämlich ein Unding ist, was gar nicht geht - nämlich dass aus sich heraus ein Ding seine Dinglichkeit leugnet und ein Wesen sein Wesen ablegt, das kann der Mensch sehr wohl.

Die Bergpredigt sieht den Menschen – glaubend! - als Salz der Erde und als Licht der Welt, sieht in ihm einen wertvollen Menschen, so wie Gott ihn gemeint hat. Einer, der sich selbst voraus ist und als solcher er selbst ist: ein Kind Gottes, eine Schwester, ein Bruder der Menschen, begnadet mit Eigenschaften, die es hell werden lassen, wo Dunkelheit herrscht, die dem Leben Geschmack geben, wo Fadheit vor sich hin wabert: "Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt".

Besser kann man von Menschen nicht denken, aber: jeder hier weiß es doch besser, oder?

Weiß doch von der Gemeinheit, der Niedertracht, der Resignation, der Dunkelheit von Menschen. Weiß, dass ein Mensch sein Wesen verleugnen, sogar sein Wesen neu definieren kann, weiß, wie anderen ihr menschliches Wesen abgesprochen werden kann.

Die Bergpredigt mahnt: Gib dein Wesen nicht preis, werde nicht unwesentlich, sondern wesentlich. Werde, was du von Gott her schon bist: Salz der Erde, Licht der Welt. Sieh im anderen, was er von Gott her ist: einer, der es hell machen kann in dieser Welt, eine, die dem Leben Geschmack gibt. Nicht, weil er oder sie in besonderer Weise begabt ist, tolle Leistungen vollbringt, sonder weil er oder sie Gottes Tochter und Gottes Sohn ist. Nur deshalb. Das sei dein Glaube und das sei dein Tun.

Und Gleiches gilt, nur mit einem anderen Bild gemalt, für die Gemeinde.

Was für den Menschen als Salz und als Licht gilt, das gilt für die Gemeinde nun als Leib. Im Epheserbrief heißt es:

"Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist…"

Wahrhaftig in der Liebe zu sein, heißt für Christen, sich nicht als Einzelgänger, sondern als ein Leib zu verstehen. Eine Gemeinde, die sich nicht als Leib versteht, ist wie Salz, das nicht mehr salzt, wie Licht, das nicht leuchtet, wie – um das Bild des Leiblichen aufzunehmen – eine Ansammlung von Einzellern, denen vielleicht eine strohfeuerartige Neugierde gilt, aber nicht das Interesse und der Respekt von denen, die etwas bei uns suchen – Hilfe, Heimat, Geborgenheit, Antworten.

Wahrhaftig in der Liebe zu sein, heißt zu wachsen, sich herauszubilden, sich zu orientieren: eine Gemeinde, auch wenn sie im Sinne der Nächstenliebe schon tätig ist, auch wenn diakonisches Tun mit zwei-, drei und vielfachem "D" versehen werden kann, hat ein Ziel: es geht auf den hin, "der das Haupt ist, Christus, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist."

Christus existiert also gleichsam als Gemeinde, und Gemeinde bekommt ihren Ort, ihren Auftrag, ihre Gestalt von ihm her. Kirche heißt ursprünglich: "zum Herrn gehörig", und wenn das nicht werbemäßig so ausgelutscht wäre, müsste ich jetzt sagen: "Gemeinde ist Kirche, und wir sind Kirche und du und du und Sie und Sie seid und sind Kirche".

Wer sich zum christlichen Glauben bekennt, bekennt sich zur Gemeinde.

Denn allein der als Gemeinde existierende Christus kann verhindern, dass aus Gott ein Stückwerk wird, dass er portioniert wird, und nur jeder so viel und so sehr Gott zu sich nimmt, wie es gerade beliebt.

Und so verwehrt es mir der Blick auf die Hand Christi in unserer Gemeinde, auf die tätige Nächstenliebe in ihren vielen Formen, Gott als philosophisches Häppchen zu mir zu nehmen, oder als ein Stück Natur unter freiem Himmel. Und andersherum lässt mich der Blick auf das Herz Christi in unserer Gemeinde, und ich glaube, es schlägt in unseren Gottesdiensten und Andachten, in Gott mehr sehen als das Brot für die Armen und den Einsatz für den Nächsten.

Der als Gemeinde existierende Christus macht Gott anschaulich und erlebbar, gerade in der oft gefürchteten Pluralität von Menschen mit ihren Stärken und Schwächen im christlichen Glauben.

Denn Glaube hat immer auch eine schwache, ja fast unterentwickelte Seite. Bei aller Innerlichkeit kann ihm intellektuelle Schärfe fehlen, bei aller Treue die Offenheit für Neues, bei allem Einsatz die Unbekümmertheit der Kinder Gottes, bei aller Freiheit der Respekt vor der großen Tradition des Glaubens.

Der Leib Christi, die Gemeinde, hilft dem Glauben, zu wachsen und sich in seinem Tun und Lassen stets neu zu überprüfen und neu auszurichten – auf das Haupt hin. Und wenn Jesus das Haupt einer Gemeinde ist, dann ist in einer Gemeinde nicht das Stärkste und Imposanteste, das am besten ausgestattete – ob nun mit Personen oder sonstigem Equipment – das Wichtigste, sondern das Schwache und Kleine. Das Maß der Christ-lichkeit ist nach außen hin der Einsatz für die Schwachen und Geringgeachteten.

Hier leisten all die Menschen, die in die Häuser unserer Gemeinde gehen, die im Sinne der Nächstenliebe und der Diakonie tätig sind, einen großen Dienst. "Gemeinde hilft". Sie betrachtet sich als Leib Christi nicht selbstverliebt im Spiegel, sondern hilft, ist tätig.

Das ist gleichsam ihre Außenwirkung. Der Epheserbrief sieht aber noch mehr im Leib der Gemeinde. Und hier muss jeder noch so Aktive unter uns sich noch einmal fragen lassen .

"Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am andern hängt durch alle Gelenke, wodurch jedes Glied das andere unterstützt nach dem Maß seiner Kraft und macht, dass der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe."

Wie steht es mit der inneren Verbundenheit? Über welche Gelenke oder Synapsen sind wir als Gemeinde miteinander verbunden, welche Kraft geht von einem Glied zum nächsten, welche Liebe geht von innen nach außen und von außen wieder nach innen?

Es ist eine Frage, ob denn jemand, der eine Hand gereicht bekommt, auch weiß, dass es die Hand der Gemeinde ist. Eine andere Frage ist, ob denn die Stimmbänder der Gemeinde wissen und sich darüber freuen, dass es die Hände gibt, und die Hände, dass da Ohren sind und die Ohren, dass da Arme tragen, und die Arme, dass da Füße gehen – weiter will ich das nicht ausmalen.

Und die Sänger singen nicht für sich selbst und die Netzwerkler helfen nicht für sich selbst und die Konfis fragen nicht für sich selbst nach ihrem Glauben und die Meditierenden schöpfen nicht für sich selbst Kraft – ich weiß, ich müsste jetzt alle Gruppen nennen, damit die genannten sich nicht unter besonderem Verdacht sehen, aber soviel Zeit haben wir nicht. "…jedes Glied unterstützt das andere nach dem Maß seiner Kraft und macht, dass der Leib wächst und sich selbst aufbaut in der Liebe."

Klar, wir sind sehr viele Ehrenamtliche in so vielen Gruppen in einer so großen Gemeinde. Doch entscheidend ist, ob wir dieses Bild von Gemeinde, wie es der Epheserbrief malt, auch wollen. Man könnte ja auch ein mehr oder minder unverbundenes und unverbindliches Nebeneinander propagieren. Und dies allein schon aus einer ernüchterten Sicht der Gemeinderealität.

Aber der Traum von Gemeinde, wie er sich in den Schriften des Neuen Testamentes findet, ist mir doch zu schön, um ihn zu vergessen: Ausweis eines Christen ist nicht eine besondere Gabe, sondern ein Sich-Eingeben in die Gemeinde. Ausweis einer Gemeinde ist nicht ein besonders begabter Personenkreis, sondern ein Miteinander und Füreinander der unterschiedlichsten Menschen, die sich in aller Freiheit begegnen können, und es ist eine besondere Ehrung der Schwächsten. Wo nicht als Realität, als gelebte Nächsten- und Feindesliebe, da immer noch als gelebte Hoffnung. Und so lange unser Glaube sich regt, wird sich in dieser Richtung auch was bewegen - auf das Haupt hin und deshalb in Liebe aufeinander zu. Amen.

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