Exaudi: Eph 3,14-21

08.05.2016 | 12:00

Predigt über Epheser 3, 14-21

Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Zum Ende seiner Dankesrede in der Frankfurter Paulskirche lud der deutsch-iranische Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani die überraschte Festgemeinde zu einem Gebet ein. Vielleicht haben Sie es mitbekommen, damals. Im vergangenen Oktober wurde ihm der Friedenspreis des deutschen Buchhandels verliehen für sein poetisches und vor allem friedensorientiertes Werben für ein Verstehen und ein Entdecken von Islam und Christentum gleichermaßen.

Er bat das Publikum, am Ende seiner Rede nicht zu klatschen, sondern für die Bewohner einer von der Terrororganisation IS drangsalierten Ortschaft zu beten. Und mit der Andeutung eines Schmunzelns sagte er, so abwegig sei das ja in einer Kirche vielleicht nicht.

Abwegig nicht, aber an einem Ort wie der Paulskirche, die seit ihrem Wiederaufbau nach 45 vor allem für säkulare Feierlichkeiten der Bundesrepublik genutzt wird, zumindest ungewöhnlich. Als Gemeindekirche dienst dieser Ort seitdem nicht mehr.
Und so fielen dann auch die Resonanzen unterschiedlich aus: Viele Teilnehmer und Berichterstatter zeigten sich gerührt. Nach dem Zeugnis des Literaturchefs der "Welt", war es "ein Moment höchster Ergriffenheit".
Ganz anders wertete Johan Schloemann in der Süddeutschen Zeitung diesen religiösen Akt zum Ende der Buchmesse: Er empfand die Aufforderung zum Gebet als einen unerträglichen Übergriff. Er schreibt: Auch wenn Kermani den Nichtreligiösen im Publikum großzügig erlaubte, anstelle von Gebeten nur "Wünsche" zu entsenden, entkam trotzdem ja keiner der kollektiven Andacht.
Und mit einem Seitenblick auf die USA, in denen President Obama in einer Situation extremer Betroffenheit, bei der Trauerfeier in Charleston, das Lied "Amazing Grace" angestimmt hat, schlussfolgert der Journalist Schloemann: Ein überkonfessionelles Gebet gibt es in Deutschland im säkularen Raum nicht (mehr), und es sollte es nicht geben.

Gebete sind Privatsache. Ihr Ort ist das stille Kämmerlein, von dem Jesus ja schon in der Bergpredigt spricht. Der Liedermacher Heinz Rudolf Kunze, der auch schon mal für einen Kirchentag den Titelsong schrieb, singt in seinem neuesten Lied:

Jeder bete für sich allein, keiner rede dem andern rein
Jeder glaube was er will, diskret zuhause friedlich still
Private Angelegenheit keine Kirchtürme weit und breit
Synagogen und Moscheen von Halbwahrzeichen nichts zu sehen

Die Skepsis, die in diesen Haltungen zu Tage tritt, ist in gewisser Hinsicht ja durchaus nachvollziehbar. In solchen Worten und Aussagen, die das Religiöse aus der Öffentlichkeit heraushalten wollen, hört man eine Sorge, - dann aber auch bisweilen einen konkreten Verdacht, dass Religion zu einem unkalkulierbarem Risiko werden kann. Belege dafür finden wir gegenwärtig genug. Und schauen wir in die Geschichte auch unserer eigenen Religion, dann stoßen wir auf unerträglich und erschreckend viele Beispiele von religiöser Intoleranz, von religiöser Macht und Gewalt, von Herrschaft und Unterdrückung.
Dass Kirche und Staat, Religion und Politik getrennt sind, – das hat seinen guten Grund und wird auch nicht in Frage gestellt.

Auf der anderen Seite hat sich jener Verdacht gegen alles Religiöse in unserer Gesellschaft und in weiten Teilen Europas fest etabliert; dieser Verdacht gegen religiöse Institutionen ist Teil unserer säkularen Kultur geworden. Und man spürt dies hin und wieder, sobald das Wort Kirche – oder was sich bei mir bisweilen eben nicht vermeiden lässt, das Wort "Pastor" – gefallen ist.

Und ich fange dann manchmal an, mich zu erklären: Ja, natürlich half auch mir der kritische Blick auf meine Tradition, auf Dogmen und Lehre und auf die Institution Kirche; und so weiter...

Doch bei aller notwendigen Kritik und bei allem gebotenen Widerspruch gegen religiös legitimierte Herrschaft und Macht, bleiben – wenn man Religion und Glaube nicht anders zu verstehen und zu sehen gelernt hat - von Beidem letztlich nur ein entkerntes Zerrbild ihrer selbst zurück, ein domestizierter, kraftloser Rest.

Reicht das? – Reicht das, fragt Dorothee Sölle in ihrem Buch Mystik und Widerstand - und ich finde ihre Zuspitzung an dieser Stelle hilfreich – reicht diese Rest-Religion aus, "um Frauen und Männer dazu zu bringen, die religiösen Überlieferungen neu zu befragen und ihre eigenen Erfahrungen mit Hilfe der Leidens- und Hoffnungssprache der Tradition zu artikulieren? Muss nicht in einer Welt, in der die Hoffnung selber exiliert ist und sozusagen "keine Arbeitserlaubnis bei uns hat" ein anderen Zugang zur Religion diskutiert, ausprobiert, gefunden werden?

Sie selber schreibt davon, wie sehr ihr die Kritik an der eigenen Tradition und eine Hermeneutik des Verdachts geholfen haben, ihren Weg zu finden.
Aber in unserer Lage – so folgert sie weiter – , in der organisierte Religion zumindest klein und für die Mehrzahl zumindest irrelevant erscheint, muss die Ausgangsfrage anders gestellt werden. Nämlich: Was suchen Frauen und Männer – und ich würde ergänzen: auch Jugendliche – in ihrem Schrei nach einer anderen Spiritualität. Und sie fängt an von dem Hunger nach Leben zu erzählen: Nicht mehr der Verdacht hilft, sich den Zwängen der Tradition zu entziehen, sondern die Sehnsucht nach einer anderen Art zu leben treibt sie weiter. Der Grund, sich auf die Suche zu machen, liegt in der spirituellen Hungerkatastrophe, in der viele von uns leben.

Kann es in unserer Gesellschaft, in unserer säkularen Kultur gelingen, Religion zu befreien von einem pauschalem Vorwurf der Übergriffigkeit – auf der einen Seite. Und sie auf der anderen Seite nicht in eine Ecke von bloßer Sentimentalität abzustellen?

Was Religion zum Leben dazu geben kann, ist geistige Nahrung, ist himmlisches Brot des Lebens, ist Sinn und Fülle. Was Religion zum Leben dazugeben kann ist Hoffnung. Eine Hoffnung, die in dieser Welt ihre Zukunft weiß.
Davon bin ich überzeugt, dass erst eine religiöse, spirituelle Dimension das Leben ganz machen kann, bei aller bleibenden Zerrissenheit, bei aller Widersprüchlichkeit, bei allem Unfertigem, das wir zu Wege bringen. Weil eine gereifte Religionen Licht und Schatten des Menschseins durchdrungen hat – und damit Wege zeigen kann, durch das Leben zu gehen.

Wenn wir damit noch einmal auf den Predigttext schauen, dann entdecke ich in dem Schreiber des Gebetes genau diesen Anwalt der Hoffnung., diesen Nahrungs-Geber für das Leben.

Er betet für die Gemeinde in Ephesus. Er betet und schreibt aus dem Gefängnis heraus. Und bei allem Widerspruch und Widerstand, der ihn in diese Lage gebracht hat, bittet er um nichts anderes als die Liebe Gottes. Er beschreibt die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe der Liebe Gottes und die Grenzenlosigkeit der Hoffnung in dieser Liebe.

Auch das Gebet von Navid Kermani verstehe ich als diesen Versuch, angesichts von unmenschlicher Gräueltaten ein Zeichen von größerer Liebe und größerer Hoffnung zu setzen. Und da ist das Gebet keine Privatsache, da ist das Gebet ein Weg, eine Nähe zu schaffen, eine Beziehung zu beschreiben und auch die Hilflosigkeit eines Volkes in eine größere Hoffnung zu tauchen.

Hören wir den Predigtext noch einmal:

Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Zurück

Theologin Petra Bahr neu im Deutschen Ethikrat

21.05.2020

Hannover (epd). Die evangelische Theologin und Ethik-Expertin Petra Bahr hat acht Wochen nach dem Beginn der Corona-Krise an die Eigenverantwortung der Menschen appelliert. In der aktuellen Phase der Krise mit vorsichtigeren Lockerungen werde es viel schwieriger, angemessen mit der Bedrohung durch das Coronavirus umzugehen als vorher, sagte die hannoversche Regionalbischöfin am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).

weiter...

Kleine Abendmusik vom Turm

13.05.2020

Unsichtbar, aber voller Kraft: Jeden Mittwoch und Sonntag schallen – seit zwei Wochen schon - nach dem abendlichen Glockengeläut um kurz nach 18 Uhr Trompeten-Choräle aus dem Kirchturm in den Ort hinunter. Der Turmbläser, dessen Musik viele Menschen aus dem Umfeld der Kirche erfreut, möchte ungenannt bleiben. Wir fühlen uns reich beschenkt – und danken ihm herzlich!

Der zentrale ökumenische Gottesdienst zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges

08.05.2020
EKD-Newsletter: Die Aufzeichnung des Ökumenischen Gottesdienstes aus dem  Berliner Dom ist noch in der Mediathek der ARD verfügbar: Am Gottesdienst wirkten der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, sowie der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron, mit.
 
Die Predigt hielten Heinrich Bedford-Strohm und Georg Bätzing gemeinsam. Der Gottesdienst stand unter dem Leitwort „Frieden!“ und fragte nach der Verantwortung, die aus der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vor 75 Jahren heute für ein friedvolles Miteinander erwächst.

Willkommen zurück: Gottesdienst in der Blankeneser Kirche!

07.05.2020

 

So 10. Mai, 10 + 11 Uhr | Kirche | Predigt: Pastor Thomas Warnke
Musik: Kantor Stefan Scharff, Karin Klose, Gesang
Die Kirchengemeinde schreibt: "Wir dürfen wieder Gottesdienst in der Kirche feiern. Und so wagen wir am kommenden Sonntag „Kantate“, dem 10. Mai, einen Neuanfang. Strenge Auflagen sind zu bedenken: Sicherheitsabstände von zwei Metern, Hygiene-Regeln, Masken-Pflicht. Singen ist noch nicht erlaubt, dafür aber Summen – und natürlich musikalische Begleitung durch Orgel und Solisten. Trotzdem wird es ein schöner, ganz besonderer Gottesdienst werden!

weiter...